Lyrik und Musik:"Jeden Freitag Radio gehört, Hitparade, die Schlager der Woche"

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Stefan König inmitten seiner Schätze. (Foto: privat/oh)

So beginnt das erste Gedicht, das der Penzberger Autor Stefan König für sein Lyrikbüchlein "zzzssst" geschrieben hat. Es ist der Langspielplatte gewidmet - und Erinnerungen an eine Jugend mit Rex Gildo und Jimi Hendrix.

Interview von Stephanie Schwaderer, Penzberg

Musik ist für Stefan König ein "geistiges und seelisches Grundnahrungsmittel". Der vielseitige Penzberger Autor, Jahrgang 1959, hat nun sein erstes Lyrik-Büchlein herausgebracht. Es heißt "zzzssst...Langspielplattengedichte, Volume 1".

SZ: Herr König, erinnern Sie sich an die erste LP, die Sie gekauft haben?

Stefan König: Da muss ich wirklich nachdenken. Ich glaube, das war "Electric Food", ein Zufallskauf für fünf DM mit Cover-Versionen ohne Angabe der Musiker. Da waren Stücke drauf wie "Whole lotta Love", "Let's work together" oder "House of the rising sun". Viel entscheidender für mich war aber die erste LP, die ich geschenkt bekommen habe, nämlich "Glory, glory, hallelujah" von den Lords.

Zitieren Sie doch bitte mal den Anfang des Gedichts, das Sie dazu geschrieben haben!

Jeden Freitag Radio gehört, Hitparade, die Schlager der Woche. Rex Gildo, Michael Holm und In the Year 2525./ Und ein paar Singles besessen, 45 rpm, kleine Platten für den kleinen Jungen. /Aber das Weltall noch nicht gekannt, die Erde nicht umkreist, nichts gewusst von der dunklen Seite des Mondes.

Wie alt war der kleine Junge da genau?

Ich war zehn und bin mit meinen Eltern das erste Mal ans Meer gefahren. Draußen im Wasser dümpelte eine Segelyacht, die Leute darauf haben Gitarre gespielt und "Glory, glory, hallelujah" gesungen, was ja der Refrain eines Traditionals ist. Fortan hatte ich einen Ohrwurm. Ich habe die ganze Zeit diese Melodie gesummt. Und dann haben mir meine Eltern die Lords-LP zu Weihnachten geschenkt mit ihrer Version des Songs. Das war der Beginn einer großen Leidenschaft.

Viele junge Menschen trafen sich in den Siebziger und Achtziger Jahren mit Freunden, um gemeinsam ein neues Album anzuhören und darüber zu fachsimpeln. Haben Sie das auch gemacht?

Ich hatte vier gute Freunde, mit denen ich auch Musik angehört und darüber gesprochen habe. Allerdings habe ich die berühmte Musik der Achtundsechziger erst ein paar Jahre später mit Verzögerung für mich entdeckt - und bin danach süchtig geworden.

Haben Sie sich mit Ihren Freunden auch Gedichte vorgelesen?

Nein, die Gedichte kamen erst später. So mit 20. Das Buch handelt schwerpunktmäßig von den frühen Siebzigern, als ich 13, 14 war. In den folgenden Jahren habe ich all die Platten zusammengetragen, die 1973 herausgekommen sind: Eric Clapton's "Rainbow Concert" zum Beispiel, "Dark Side of the Moon" von Pink Floyd, "Solar Fire" von Manfred Mann's Earthband.

Wann genau hatten Sie die Idee, Lyrik und Langspielplatte zusammenzubringen?

Der Gedanke, über Musik zu schreiben, begleitet mich seit mehr als 20 Jahren. Aber ich hab nie einen Zugang gefunden: Wäre es etwas Romanhaftes? Oder Stoff für Erzählungen? Irgendwann hab ich an einem Nachmittag spontan den Text zu "Glory, glory, hallelujah" zu Papier gebracht und gedacht: Mh, gefällt mir! In den vergangenen beiden Jahren hab ich dann mehr als 80 Texte geschrieben. 61 davon hab' ich für mein Buch ausgewählt.

Wer zählt unter den Lyrikern zu Ihren Vorbildern?

Vorbild klingt immer so hochgegriffen. Ich will mich da nicht mit jemandem vergleichen. Aber beeindruckt haben mich Leute wie Pablo Neruda oder Wolf Wondratschek mit seinem Gedichtband "Chuck's Zimmer", auch wenn ich da seit Jahren nicht mehr hineingeschaut habe. Mir gefällt die Art, wie er erzählt - flapsig, locker, unverblümt. Auch Charles Bukowski hat mich geprägt. Seine rüde Art mag ich nicht immer, aber sie hat mich ermutigt, hin und wieder deutliche Worte zu wählen.

Der Berührungspunkt zwischen Musik und Lyrik ist der Rhythmus. Gab es Alben , die sich Ihrem lyrischen Zugriff verweigert haben?

Auf alle Fälle. Heute Mittag erst hab ich mal wieder eine CD von Volker Kriegel aufgelegt, einem großartigen Jazzmusiker und Cartoonisten. Bei ihm ist es mir nicht gelungen, ihn zu treffen, obwohl er mir als Mensch und Musiker am Herzen liegt. Der Text hat es nicht ins Buch geschafft. Bei anderen denke ich: Ja, die Bilder stimmen, der Sprachrhythmus harmoniert, bei manchen perfekt, bei anderen gut. Mein Anliegen war es nicht, einzelne Alben zu charakterisieren oder biografische Momente zu schildern. Es geht um Gedanken und Gefühle, wie es halt so ist bei Lyrik. Und es schwingt natürlich Nostalgie mit. Die Zielgruppe sind wohl eher Leute jenseits der 40 oder 50, die auch diese Musik verinnerlicht haben.

Das Buch dürfte Sie womöglich mehr Geld kosten, als dass es Geld einbringt. Worin liegt für Sie der Lohn?

Die Verlage, mit denen ich sonst sehr gut zusammenarbeite, haben dieses Thema nicht im Portfolio. Und die Verlage, die es im Portfolio haben, kennen keinen Stefan König. Deshalb habe ich mich entschieden, das Buch im Selbstverlag herauszubringen - mithilfe des Grafikers Peter Rubner und einer guten Druckerei. Für mich ist es ein Herzensprojekt. Weil ich nun etwas verwirkliche, was mich seit Jahren beschäftigt. Und weil ich nun endlich wieder Lesungen machen kann. Ich freue mich sehr darauf, wieder einmal einem Publikum gegenüberzusitzen. Einen Text zu sprechen ist die unmittelbarste Erfahrungsmöglichkeit: Wie reagieren andere Menschen auf das, was man zu Papier gebracht hat? Was kommt an?

Ihr Buch enthält eine lange Vorschlagsliste für Alben, die man mit auf eine einsame Insel - mit Stromanschluss - nehmen würde. Wenn es nur drei sein dürften, für welche würden Sie sich entscheiden?

Drei sind schon sehr wenig! Ich würde sagen: Jimi Hendrix "Axis: Bold as Love", von Yes die "Yessongs", ein Dreieralbum! Und die Goldbergvariationen, gespielt von Glenn Gould 1955, das ist die flotte Fassung. Später hat er sie noch einmal gespielt und 13 Minuten länger gebraucht. Auch wunderschön, aber auf der einsamen Insel brauch' ich ein bisserl Pep.

Stefan König liest am Donnerstag, 5. Januar, von 19 Uhr an im Bürgerbahnhof Penzberg, der Eintritt ist frei. "zzzssst" kostet 14 Euro und kann beim Autor bestellt werden unter mail@stefan-koenig.de

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