Stadtgeschichte:Das Zählen der Ringe

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Am Abend der Fällung der beiden denkmalgeschützten Winterlinden an der Penzberger Bahnhofstraße machten sich Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) und zwei Mitarbeiter daran, die Jahresringe zu zählen. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Penzberger Rathaus erwägt man, erneut einen Gutachter zu beauftragen, der das Alter der gefällten Linden an der Bahnhofstraße bestimmen soll. Ein Privatmann will 10 000 Euro spenden, um die Bäume als Denkmal zu erhalten.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Vor zwei Wochen wurden die beiden denkmalgeschützten Winterlinden an der Penzberger Bahnhofstraße dank einer Ausnahmegenehmigung gefällt. Nach wie vor ist umstritten, ob es sich tatsächlich um jene Bäume handelt, die eine traurige Rolle in der Mordnacht am 28. April 1945 spielten. Ein Opfer wurde vor dem Gasthaus Staltacher Hof (abgerissen) erhängt, bei einem zweiten Opfer riss der Strick. Im Rathaus spielt man mit dem Gedanken, einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen, der das Alter der Linden endgültig bestimmt. Ein Privatmann möchte indes bis zu 10 000 Euro spenden, um die beiden Linden an derselben Stelle als künstlerisch gestaltetes Denkmal erneut aufzustellen.

Jüngst im Bauausschuss kam Martin Janner (Penzberg Miteinander) auf die gefällten Bäume zu sprechen, die mittlerweile auf Gut Hub lagern. Er wollte wissen, wie alt denn nun die Linden waren und was mit ihnen weiter geschehe. Er selbst habe nach der Fällung die Jahresringe jener Baumscheibe gezählt, die besser erhalten war (Baum Nummer 19), berichtete Bürgermeister Stefan Korpan (CSU), wie auch unabhängig voneinander zwei Mitarbeiter, die "etwas von Bäumen" verstünden. "Ich bin kein Gutachter", betonte Korpan mehrmals. Bei Linden, so habe er sich sagen lassen, sei das Zählen manchmal nicht so einfach. Er kam auf 86 Ringe. Die Mitarbeiter auf 86 und 83 Ringe. Stimme dies, so wäre die Linde 1945 erst sieben Jahre alt gewesen. Ob ein so junger Baum geeignet sei, einen Menschen daran zu erhängen, zweifelt er an.

Hardi Lenk (SPD) sprach sich dafür aus, eine Prüfung in Auftrag zu geben. "Dann brauchen wir nicht mehr Rätselraten, ob sie es sind oder nicht. Dann haben wir es schwarz auf weiß", sagte er. Das sei man der Sache und den Bäumen schuldig. Einen Beschluss des Gremiums gab es in der Sitzung nicht. Korpan und Lenk sind sich einig, ungeachtet des Alters die Bäume künstlerisch bearbeiten zu lassen und so für die Nachwelt zu erhalten. Jack Eberl (FLP) sieht das ein wenig anders: Sollte es sich nicht um die Mordopfer-Bäume handeln, müsse die Stadt auch kein Geld für deren Erhalt in die Hand nehmen, meinte er.

Erich Sczepanski hatte Neuigkeiten

Während im Bauausschuss die Zweifel groß sind, dass es sich um die originalen Linden handelt, fühlt sich der Verein für Denkmalpflege und Penzberger Stadtgeschichte durch ein Gutachten, das er in Auftrag gegeben hatte, bestätigt. Darin werden die Bäume auf gut 100 Jahre geschätzt, was das Landesamt für Denkmalpflege dazu bewogen hatte, sie unter Schutz zu stellen. Doch weil die Stadt insistierte, die Linden seien nicht mehr bruchsicher, kam es zur Ausnahmegenehmigung von der Unteren Denkmalschutzbehörde am Landratsamt Weilheim-Schongau.

Einen Tag nach der Bauausschusssitzung traf sich der Denkmalverein zur außerordentlichen Mitgliederversammlung. Der Frust und der Ärger bei den Mitgliedern ist groß. Vorsitzender Max Kapfer zauberte ein altes Gutachten der Firma Baumpflege Suttner aus Kochel am See hervor, das die Stadt vor zehn Jahren hatte anfertigen lassen für jenen Baum, an dem Albert Grauvogel erhängt worden sein soll. Schon damals war die Empfehlung, die Linde umzusägen. Zehn Jahre habe demnach keine Gefahr für Leib und Leben bestanden, aber dann plötzlich binnen weniger Tage, was am 29. Februar zur Fällung führte, grantelte Kapfer.

Im Rathaus gehen Vorschläge ein

Erich Sczepanski hatte Neuigkeiten: Sein Cousin, dessen Vater - ein Penzberger - als Häftling im KZ Dachau einsaß, wolle bis zu 10 000 Euro spenden, um die Bäume als Denkmal unter folgenden Bedingungen zu erhalten: Die Linden müssten an ihrem alten Standort an der Bahnhofstraße genauso wieder aufgestellt werden (künstlerisch bearbeitet) im Einvernehmen mit dem Denkmalverein.

Laut Korpan sind schon Vorschläge für die Gestaltung im Rathaus eingegangen. "Wir sind am Sammeln", sagte er. Doch zunächst einmal beschäftigt sich der Stadtrat am Dienstag, 19. März, in nicht öffentlicher Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt "Weiteres Vorgehen bezüglich der gefällten Linden vom Standort Bahnhofstraße/Stadtplatz".

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