In Penzberg:Denkmalgeschützte Linden gefällt

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Baum Nummer 20 steht nicht mehr. Die Winterlinde, an der Albert Grauvogel in der Penzberger Mornacht am 28. April 1945 erhängt worden sein soll, wurde am Donnerstagabend gefällt - aus Sicherheitsgründen. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Landratsamt Weilheim-Schongau erteilt der Stadt eine Ausnahmegenehmigung für die Entnahme. Als Konsequenz legt Erich Sczepanski den BfP-Ortsvorsitz nieder.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Es hat keine Minute gedauert. Die Kettensäge flutschte nur so durch den Stamm jener Winterlinde an der Penzberger Bahnhofstraße, an der mutmaßlich Albert Grauvogel in der Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 erhängt worden sein soll. Kurz darauf folgte die zweite Linde. Das Landratsamt Weilheim-Schongau hatte am Donnerstag der Stadt eine Ausnahmegenehmigung zur Fällung der beiden denkmalgeschützten Bäume erteilt. Sie waren in zwei Gutachten als nicht mehr bruchsicher bewertet worden. Im Rathaus schritt man noch am selben Abend zur Tat.

Baum Nummer 20 wird zu seinem vorläufigen Lagerplatz hinter der öffentlichen Toilette auf dem Stadtplatz transportiert. (Foto: Manfred Neubauer)
Die Winterlinde, an der Albert Grauvogel erhängt worden sein soll in der Penzberger Mordnacht, liegt bis auf Weiteres hinter der öffentlichen Toilette, genauso wie der zweite, denkmalgeschützte Baum. (Foto: Alexandra Vecchiato/oh)

Es war kurz vor 19.30 Uhr, als die Firma mit schwerem Gerät anrückte - um möglichst wenige Passanten und Verkehrsteilnehmer zu beeinträchtigen oder gar zu gefährden. Beide denkmalgeschützten Bäume, deren tatsächliches Alter immer noch umstritten ist, wurden in den hinteren Bereich des Stadtplatzes transportiert: Sie liegen hinter der im Volksmund "Apollo" genannten öffentlichen Toilette. Vorerst zumindest, bis ein besserer Lagerplatz gefunden ist. Wo das sein wird, darüber sei man final nicht zu einer Entscheidung gekommen, sagte Bauhofleiter Michael Nitsch. Den Vorschlag von Bürgermeister Stefan Korpan (CSU), die Bäume in der Layritzhalle einzulagern, verwarf Nitsch sofort, weil dort noch Sanierungsarbeiten stattfänden. Dass die sogenannten Tat-Bäume nicht lange hinter dem Toilettenhäuschen liegen bleiben sollten, ist man sich wohl bewusst. Korpan erklärte auf Nachfrage, dass der Stadtrat zeitnah entscheiden werde, wie die Linden aufbereitet werden sollen, um das Andenken an die Mordnacht mit ihnen wachzuhalten.

Verbitterung beim Denkmalpflegeverein

Ob es sich wirklich um die Original-Bäume von 1945 handelt, scheint erneut Thema zu werden. Kaum war Baum Nummer 17 gefällt, gingen die Vertreter der Stadt daran, die Dicke des Baumstammes und die Jahresringe zu messen und zu zählen. Korpans Einschätzung lag bei etwa 60 Jahren, Klimaschutzmanager Carl-Christian Wippermann schlug vor, die Bestimmung doch einem Experten zu überlassen.

Am Abend der Fällung der beiden denkmalgeschützten Winterlinden an der Penzberger Bahnhofstraße machten sich Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) und zwei Mitarbeiter daran, die Jahresringe zu zählen. (Foto: Manfred Neubauer)

Seine Verbitterung konnte Max Kapfer am Donnerstag nicht verbergen. Der Vorsitzende des örtlichen Vereins für Denkmalpflege und Penzberger Stadtgeschichte hatte mit seinen Mitstreitern Geld für ein Zweitgutachten zum Zustand und dem Alter der Bäume gesammelt: insgesamt 1400 Euro. Nicht nur er sei enttäuscht, auch alle Bürgerinnen und Bürger, die gespendet hätten, weil ihnen der Erhalt der Bäume wichtig gewesen sei. Im Übrigen sei für ihn jedes städtische Gedenken an die Mordnacht - jährlich gibt es Feiern und Veranstaltungen am 28. April - künftig "an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten". Ferner ist er überzeugt, dass die Erhaltungsmaßnahmen, wie im Zweitgutachten vorgeschlagen, weit weniger Kosten verursacht hättenals die von der Stadt geplanten Ersatzbepflanzung.

Erste Reaktionen auf die Fällung der Mordopfer-Bäume an der Bahnhofstraße in Penzberg. (Foto: privat/oh)

Sczepanski legt BfP-Ortsvorsitz nieder

Konsequenzen aus dem Vorgang zieht Erich Sczepanski. Der Penzberger hatte beim Landesamt für Denkmalpflege erreicht, dass die beiden Linden unter Schutz gestellt wurden. Er teilte noch am Donnerstagabend dem Vorstand der Bürger für Penzberg (BfP) mit, dass er sein Amt als Ortsvorsitzender niederlegt. Der BfP-Stadtratsfraktion hatte er schon am 21. Februar diesen Schritt angekündigt, sollten sich die Räte nicht für den Erhalt der Bäume starkmachen. In seinem Rücktrittsschreiben erklärt Sczepanski, dass einige Familienmitglieder im KZ Dachau eingesessen hätten. Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus werde er "nie den braunen Einheitsbrei unterstützen". In der heutigen Zeit sei es umso wichtiger, Erinnerungsorte, die dem "Terror der braunen Horden" etwas entgegensetzten, zu erhalten. Dazu zählten für ihn die beiden Linden an der Bahnhofstraße, die laut Zweitgutachten durch Einkürzung oder einem Baumschutzgitter hätten erhalten werden können. Für ihn sei das Vorgehen der Stadt nicht anderes als "Steigbügelhalten der unseligen Verdrängungskultur". Er persönlich, schreibt Sczepanski weiter, sei nicht in der Lage mit Personen, "die das zumindest stillschweigend akzeptieren", weiter vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. "Mein Rücktritt ist daher zwangsläufig und Ausdruck der Selbstachtung, die ich mir erhalten möchte."

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