Frust über Denkmalschutz:Streit um Mordopfer-Bäume eskaliert

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Weil die Bürgerinnen und Bürger vor herabfallenden Ästen oder Schlimmeres geschützt werden sollen, hat die Stadt Penzberg die Linden an der Bahnhofstraße weiträumig abgesperrt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Winterlinden an der Bahnhofstraße: Die Stadt Penzberg spricht von einer Sperrung der Hauptkreuzung aus Sicherheitsgründen. Warten auf Antwort der Fachbehörden.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Stefan Korpan (CSU) ist sauer. Der Penzberger Bürgermeister versteht nicht, warum das Landesamt für Denkmalpflege zwei von drei Bäumen zwischen Hauptkreuzung und Bushaltestelle an der Bahnhofstraße unter Denkmalschutz gestellt hat. Es handelt sich mutmaßlich um "Tat-Bäume" der Penzberger Mordnacht vom 28. April 1945. Die Stadt möchte in diesem Bereich drei Winterlinden fällen, weil herabfallende Äste Menschen gefährden könnten. Mittlerweile wurden die Bäume mit weiträumigen Absperrungen gesichert. Die Stadt hat die beteiligten Behörden angeschrieben und um eine schnelle Antwort gebeten.

Es ist fast ein Jahr her, dass die städtische Baumkontrolleurin im Bauausschuss ein Gutachten vorlegte, auf dessen Basis damals die Fällung der drei Winterlinden beschlossen wurde. Anita Suttner beschrieb darin, die Bäume seien sehr krank, nicht mehr stand- und bruchsicher, weshalb eine Entnahme erforderlich sei. Weil das Alter der Linden in dieser Expertise mit etwa 50 Jahren angegeben wurde, schaltete sich der Verein für Denkmalpflege und Penzberger Stadtgeschichte ein. Für ihn steht nämlich fest, dass es sich zumindest bei zwei Bäumen um die originalen Linden handelt, an denen zwei Opfer der Mordnacht erhängt wurden, respektive werden sollten. Der Verein forderte ein unabhängiges Zweitgutachten - das zunächst auf wenig Gegenliebe im Rathaus stieß -, um in erster Linie die Frage nach dem Alter nochmals beleuchten zu lassen. Vorsitzender Max Kapfer und seine Mitstreiter sammelten Spenden, um eine Anschubfinanzierung beizusteuern. Beauftragt wurde die Sachverständige Karla Melka-Müller.

Vor "akuter Bruchgefahr" warnen Hinweistafeln die Penzberger. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Vergangene Woche wurde das Zweitgutachten dem Penzberger Bauausschuss vorgestellt. Hauptaugenmerk lag bei der Präsentation auf der Beschreibung des schlechten Zustands der drei Winterlinden. Auch führte Klimaschutzmanager Carl-Christian Wippermann aus, dass Melka-Müller das Alter der Bäume nur schätzen könne. Sie kommt zu einem anderen Ergebnis als im städtischen Erstgutachten: Die Sachverständige hält die Bäume für mehr als 100 Jahre alt. Sie zeigt überdies Alternativen auf, wie die beiden "Tat-Bäume" erhalten werden könnten. Melka-Müller schlägt eine Einkürzung vor und die Sicherung durch Baumgitter. Ausgenommen ist eine Winterlinde - sie trägt die Nummer 17 - vor der Bäckerei, die auf alle Fälle umgesägt werden kann. Der Bauausschuss wollte den Vorschlägen nicht folgen und bestätigte die Fällung, die "zeitnah" erfolgen sollte. Der Baum direkt neben der Ampel, an dem Albert Grauvogel erhängt worden sein soll, sollte im Bauhof eingelagert werden, bis man entscheide, was mit ihm passiere.

Nach dem 1. März ist eine Ausnahmegenehmigung erforderlich

Zeitnah deshalb, weil der Stadt eine gesetzliche Vorgabe im Nacken sitzt: Vom 1. März an ist es laut Bundesnaturschutzgesetz verboten, Bäume, die außerhalb des Waldes, von sogenannten Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen. Würden die Bäume später entnommen, bräuchte die Stadt eine Ausnahmegenehmigung.

Zur großen Verwunderung im Rathaus traf am 23. Februar eine E-Mail vom Landesamt für Denkmalpflege ein mit der Mitteilung, die beiden mutmaßlichen Mordopfer-Bäume seien schützenswert. Ohne Einbindung der Behörde dürften sie nicht so einfach umgeschnitten werden. Eben das erzürnt Bürgermeister Korpan. Dass die beiden Linden, für deren Erhalt der Denkmalverein kämpft, nur noch als Torsi stehen bleiben sollen, kann er nicht nachvollziehen. Das habe für ihn nichts mit Erinnerungskultur zu tun.

Vielmehr beschrieb der Penzberger Bürgermeister in drastischen Worten die Gefahren, die von den Linden ausgingen. Man habe die "akute Bruchgefahr" auch den beteiligten Behörden dargelegt, sagte er. Das Landesamt für Denkmalpflege in München hat die Angelegenheit an die Untere Denkmalschutzbehörde am Landratsamt Weilheim-Schongau delegiert. Bis Dienstag lag im Rathaus noch keine Rückmeldung vor. "Wir haben den Antrag auf Veränderung gestellt und gefragt, wie sich die Behörde vorstellt, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten", so Korpan. Er verwies auf mögliche Regressansprüche, sollte jemand durch herabfallende Äste verletzt werden. Rein rechtlich wäre die Stadt verpflichtet, die Bahnhof- und Karlstraße im Bereich der Hauptkreuzung in einem Radius der doppelten Baumlänge abzusperren. Ferner müsste die Bushaltestelle verlegt werden. Dort seien Schulkinder gefährdet. "Wenn etwas passiert, haben wir ein Problem", sagte Korpan.

Den Baum Nummer 17 dürfte die Stadt ohne Weiteres fällen. Doch auch er bleibt wohl vorerst durch eine Absperrung gesichert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Klimaschutzmanager Wippermann zeigte sich überrascht, dass "die Tragweite" so ausgeufert sei. "Wir müssen einen Antrag auf Vollsperrung stellen", ist er sich sicher. Ein Baumgerüst könne nicht einfach aufgestellt werden - zumindest sei dazu der städtische Bauhof nicht in der Lage. Für eine solche Maßnahme wären weitere Gutachten erforderlich wie etwa eine Windlastberechnung. Diese "Tragweite" habe man der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege mitgeteilt.

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