Gastronomie in Penzberg:"Mehr Zeit für das Privatleben"

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Keine schöne Aussicht: Der Wirt Thomas Schmid gibt gesundheitsbedingt auf - nachdem das Wirtshaus seit mehr als einem Jahrhundert von seiner Familie betrieben worden ist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach einer Herzoperation gibt Thomas Schmid den Gasthof "Zur schönen Aussicht" in Penzberg auf. Damit endet eine 110-jährige Familientradition. Ob und wie es mit dem alten Wirtshaus weitergeht, ist ungewiss

Von Arnold Zimprich

Wirt Thomas Schmid gibt die Gaststätte "Zur schönen Aussicht" in Penzberg auf. Damit geht eine 110-jährige Familientradition zu Ende. Es ist heuer schon das zweite Traditionswirtshaus, das in Penzberg geschlossen wird.

SZ: Herr Schmid, Sie hören nach 21 Jahren als Wirt des Gasthofs "Zur schönen Aussicht" in Penzberg-Reindl auf . Fällt es Ihnen schwer ?

Thomas Schmid: Natürlich fällt es mir schwer, nach 39 Berufsjahren eine 110-jährige Familientradition zu beenden. Nach einer Herz-OP vor vier Wochen wurde mir von ärztlicher Seite geraten, beruflich kürzer zu treten. Ich freue mich jedoch auch auf den neuen Lebensabschnitt, da ich kürzlich Opa von Zwillingen geworden bin.

Nachdem das Gasthaus Schönmühl zum Jahreswechsel geschlossen wurde, ist die "Schöne Aussicht" die zweite Penzberger Traditionsgaststätte, die 2020 dichtmacht. Wie beurteilen Sie die Stimmung unter den Penzberger Gastronomen - speziell angesichts der Corona-Krise?

Die Situation der Gastronomie ist zurzeit sicher nicht einfach. Die Gastronomen brauchen die Unterstützung ihrer Gäste mehr denn je. Zur derzeitigen Situation fällt mir ein Spruch ein, den ich in einem alten Gasthof gelesen habe: "Ein Volk, das seine Wirte verkommen lässt, ist es nicht wert, dass es die Sonne anscheint."

Hat die Nähe zum Pharma-Konzern Roche bei Ihnen eine Rolle gespielt, was beispielsweise die Frequentierung des Mittagstischs anging?

Die Firma Roche hatte einen großen Anteil am Cateringgeschäft. Was den Mittagstisch angeht: Das Gasthaus hatte nur Donnerstagvormittag zum Weißwurstessen geöffnet. In den Wintermonaten gab es einmal im Monat ein Kesselfleischessen.

Hatten Ihr Bruder und Ihre Kinder denn nie den Wunsch, in den Betrieb einzusteigen?

Die "Schöne Aussicht" wurde von meinen Eltern an meinen Bruder vererbt. Weder er noch seine beiden Kinder hatten je Interesse an der Gastronomie. Meine Tochter arbeitet als Steuerberaterin in einer internationalen Kanzlei, und mein Sohn als Meister im Heizungs- und Sanitärhandwerk - ganz andere Berufsbereiche also.

Wie hat Ihre Familie Ihre Pläne aufgefasst?

Meine Familie hat meine Pläne voll unterstützt. Sie ist froh, dass es nach all den Jahren mehr Zeit für das Privatleben gibt.

Haben Sie Gespräche mit potenziellen Nachfolgern geführt? Oder wird es mit der "Schönen Aussicht" vorbei sein?

Ich bin Pächter und kümmere mich daher nicht um die Zukunft der "Schönen Aussicht".

Nicht umsonst trägt der Gasthof seinen Namen. Die Umgebung - Stichworte Nachverdichtung, Verkehrsaufkommen und Zufahrt Roche - hat sich jedoch seit Ende der Neunzigerjahre, als Sie den Gasthof übernahmen, stark verändert. War das Abhandenkommen des Idylls auch ein Grund, aufzuhören?

Ich sehe da kein Abhandenkommen von Idyll - die schöne Aussicht wurde bereits durch das Aufschütten der Berghalde vor 80 Jahren, heute ein Freizeitgelände, beeinträchtigt.

Der Begriff "Konzeptgastronomie" ist in aller Munde. Muss man heutzutage das Gastro-Rad neu erfinden, um zu überleben?

Das Gasthaus war bereits bei meiner Übernahme vor 20 Jahren nur am Wochenende geöffnet. Ich habe damals die Öffnungszeiten stark verändert. Geöffnet war nur noch für Veranstaltungen. Die Gäste konnten auch nur die Räumlichkeiten mieten und sich selbst bewirten. Das Essen wurde selbstverständlich von mir geliefert. Als weiteres Standbein wurde ein Partyservice aufgebaut, der bis zu 400 Gäste bewirten konnte. Heutzutage muss man sich ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten, um am Markt auf Dauer bestehen zu können. Die Gäste müssen auch bereit sein, für qualitativ hochwertige Speisen einen angemessenen Preis zu bezahlen. Wem das als Wirt nicht gelingt, für den wird sich das Rad nicht lange weiterdrehen.

Sie planen eine Neuorientierung, sind jedoch tief in der Gastronomie verwurzelt - Sie arbeiteten als gelernter Koch unter anderem bei Feinkost Käfer in München. Werden Sie Ihrem Metier treu bleiben?

Kurz gesagt: Nein.

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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