Preisgekrönter Erfinder:Aus dem Kopf aufs Brett

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Beim Spieleabend in der Penzberger Stadtbücherei zeigt Marco Teubner (rechts), dass Brettspiele auch die soziale Kompetenz verbessern. (Foto: Manfred Neubauer)

Marco Teubner hat schon mehr als 80 Brettspiele entwickelt, überwiegend für Kinder. An neuen Ideen mangelt es dem 51-Jährigen nicht.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Gesellschaftsspiele sind ein angenehmer Zeitvertreib mit Freunden, der Familie, ja sogar mit Fremden. Doch Spiele können mehr, als nur Spaß machen. Sie fördern das logische Denken, erhöhen die Konzentration, steigern die soziale Kompetenz, stärken die Fähigkeit zur Kommunikation - kurzum: Sie bereiten Menschen schon im Kindesalter auf die Welt vor mit ihrer spielerischen Balance zwischen Fairness und Wettkampf.

In der Corona-Pandemie, als man gezwungen war, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, erlebten Brett-, Karten- und andere Spiele eine Renaissance. Mehrere Hundert Brettspiele kommen in Deutschland jährlich neu auf den Markt. Doch vor dem Vergnügen steht das Erfinden. Einer dieser Erfinder oder besser gesagt: Spieleautor ist Marco Teubner. Seit mehr als 20 Jahren kreiert er überwiegend Spiele für Kinder, die national wie international ausgezeichnet wurden.

Marco Teubner hat das Entwickeln von Brettspielen zu seinem Beruf gemacht. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Marco Teubner, geboren in Roth bei Nürnberg, weiß das nur allzu gut. Dass er seinen Lebensunterhalt damit bestreiten würde, sich Brettspiele auszudenken, damit hatte er wohl nicht gerechnet. Es war das Jahr 2000. Auf der Expo in Hannover trat Teubner mit der Performance-Art-Gruppe "Black Market International" am Eröffnungsabend im Deutschen Pavillon auf. "Das hat Einladungen weltweit nach sich gezogen", sagt Teubner, der in Antdorf im Landkreis Weilheim-Schongau wohnt. Kanada, Japan und China waren Stationen.

Er sei schon als Bub an Spielen interessiert gewesen, erzählt der 51-Jährige weiter. Bei der Oma war es Canasta, und auch sein Onkel sei spielebegeistert gewesen. "Eine gewisse Vorprägung war da", sagt Teubner. Sein Aha-Erlebnis sollte allerdings in China auf ihn warten. Teubner berichtet von einer Menschentraube in einem Park. Lautstark sei es zugegangen, erinnert er sich. "Chinesisches Schach ist ganz anders." Entgegen dem westeuropäischen, kompletativen Spiel der stummen Denker wurde dort aufgeregt diskutiert. Jeder Spieler habe einen Beraterstab um sich geschart, der lebhaft diskutierte. "Das ist wesentlich defensiver. Ich war so gefesselt, welch unterschiedliche Ausprägungen miteinander verwandte Spiele haben können, dass ich mit einer Idee für meine Diplombeit zurück zur Uni kam." Teubner studierte angewandte Kulturwissenschaften und Kulturpädagogik an der Universität Hildesheim. In seiner Abschlussarbeit beschäftigte er sich aus wissenschaftlicher Sicht mit Gesellschaftsspielen, und damit, wie in anderen Kulturen gespielt wird.

Sein erster Versuch war ein Flop

Theorie ist das eine, Praxis etwas ganz anderes. Um jene Autoren zu verstehen, die Spiele entwickelten, machte es sich Teubner zur Aufgabe, selbst ein Brettspiel zu erfinden. "Das war ein steiniger Weg." Ein Studium gibt es nicht. Hinsetzen und Ideen umsetzen, das galt auch für Teubner. Sein erster Versuch habe wenig Originäres gehabt, dafür vieles von bestehenden Spielen übernommen und neu zusammengewürfelt, sagt er. "Ich habe mir eingebildet, dass mein Spiel super sei." Also, dachte er sich damals, auf zum Spieleautoren-Treffen in Göttingen. 2001 müsse das gewesen sein, erinnert sich Teubner. "Da war ich gewaltig auf dem Holzweg." Mehr als eine freundliche Kenntnisnahme erntete er nicht.

Doch so einfach wollte er diesen Misserfolg auch nicht auf sich sitzen lassen. Der Ehrgeiz packte Teubner. Er beschäftigte sich intensiv mit seinem Erstling. Das sei möglich gewesen, weil seine damalige Ehefrau Susanne ihm den Rücken frei gehalten habe. "Das hat mir unglaublich viel Freiheit gegeben. Dafür bin ich dankbar." Wieder wurde er in Göttingen vorstellig - dieses Mal mit Erfolg. Er erhielt 2003 den Nachwuchspreis der Spiel-des-Jahres-Jury für "Willis wilde Wühlerei".

Was braucht man alles für ein Brettspiel? Karten, Würfel, Figuren - all diese Details muss ein Spieleautor bedenken. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Preis machte Verlage auf den Nachwuchsautor aufmerksam. Sein nächstes Spiel hieß "Bravo Piepino" und kam mit "Willis wilder Wühlerei" 2005 auf den Markt. Eine weitere Auszeichnung heimste Teubner mit "Zoff im Hühnerhof" ein: den Österreichischen Preis "Spiele-Hit für Kinder". Es stand ebenfalls auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres.

Wieder machte es ihm "ein Geschenk" möglich, von zu Hause aus zu arbeiten - und Geld zu verdienen: Seine Tochter Anna wurde 2002 geboren. Marco Teubner wurde Hausmann. "Ich konnte so unser Familienleben miterleben", sagt der heute dreifache Vater. Nebenbei erfand er in den kommenden Jahren viele Spiele, die für Preise empfohlen oder nominiert waren. Mittlerweile entwickelt er im Auftrag Spiele für namhafte Verlage wie Ravensburger, Kosmos, Hans im Glück oder Schmidt Spiele. Einer seiner größten Erfolge gelang ihm 2016: Mit "Stone Age Junior", einer Adaption des gleichnamigen Familienspiels, gewann Teubner den Kritikerpreis "Kinderspiel des Jahres". Im Jahr 2021 wurde "Dodo - Rettet das Wackel-Ei" mit dem "Deutschen Spielepreis - Bestes Kinderspiel 2021" ausgezeichnet. Neben der Arbeit findet Teubner auch noch Zeit für reinen Spaß und moderiert immer wieder mal die Spieleabende für Erwachsene in der Penzberger Stadtbücherei - wobei sich bei diesen Treffen Ernst und Vergnügen für ihn aufs Beste kombinieren lassen.

Geschichtenerzähler und Uhrmacher

Es gebe verschiedene Zugänge zu einem neuen Spiel, erklärt der 51-Jährige. Da seien die "Geschichtenerzähler" unter den Autoren oder die "Uhrmacher". Letztere entwickelten ein Brettspiel über die "Mechanik", also die Spielweise; der Geschichtenerzähler versuche indes, Gefühle und Erlebnisse in ein Spiel zu verpacken. "Die Ideen liegen überall herum", sagt Teubner. Man nehme die Blumen auf dem Tisch des Cafés in Penzberg, in dem das Treffen mit Teubner stattfindet. Was für Bedürfnisse sie haben, könnte der Ansatz für ein Brettspiel sein. Die Spieler müssten sie pflegen, die Pflanze brauche Licht und Wasser. "Da gibt es jede Menge Variablen." Etwa das Zusammenstellen von Lebensräumen oder einfach nur die Suche nach derselben Farbe.

Apropos Blume: Teubner verrät, dass der Trend "Natur" bei Gesellschaftsspielen hoch im Kurs stehe. Auch Wanderspiele würden in diesem Herbst neu präsentiert, wie auch auf der Spielemesse im kommenden Jahr. "Ich denke, dass hat etwas mit der Corona-Zeit und den politischen Unruhen zu tun. Der Mensch sehnt sich nach Frieden und Ruhe. Die findet er in der Natur."

"Ich erlaube mir, nichts zu tun"

Ruhe und Entspannung sind es auch, die Teubner zu neuen Ideen für Spiele animieren. Während andere auf dem Sofa ein Nickerchen halten, arbeitet der 51-Jährige beim Chillen. Dieses "in sich zurückgeworfen sein" sei die Wiege der Kreativität, sagt er. "Tatsächlich ist der schlimmste Feind das Handy." Statt sich vom Smartphone ablenken zulassen, "erlaube ich mir, nichts zu tun".

Teubner beschäftigt sich mit der Entwicklung mehrerer Spiele gleichzeitig. Da er hauptsächlich im Auftrag arbeitet, sitzen ihm die Abgabe-Deadlines manchmal im Nacken. "Manche Spiele brauchen länger als andere", sagt der 51-Jährige. Zwischen drei und sechs Monaten könne die Entwicklung dauern. In diesem Prozess ist Teubner nicht alleine unterwegs. Er arbeitet mit Illustratoren, Redakteuren und Produktentwicklern zusammen. "Aber die Autoren sind der Ausgangspunkt." Im Übrigen schätze er ein gutes Team an seiner Seite - "auf Augenhöhe".

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Der Anfang sei ein "einziges Basteln" in seinem Zuhause in Antdorf, mit Schere, Pappe, Stiften - was man halt so braucht. Alles sei handgemacht. Zum Glück gebe es nun moderne Hilfsmittel wie 3-D-Drucker. "Am meisten verzweifle ich an Spielplänen", gesteht Teubner. Im Auftrag zu arbeiten, sei einerseits ein großes Glück, schließlich garantiere das, hauptberuflich vom Spieleerfinden leben zu können. Doch manchmal seien die Vorgaben wie Zielgruppe, Preis und ähnliches eben auch ein enges Korsett. Und ein Spiel auf den Markt bringen zu können, bedeute auch nicht gleich den großen Gewinn, erklärt Teubner. Ein Jahr lang müsse ein Brettspiel komerziell erfolgreich sein, bis Geld reinkomme. Richtig gut daran verdienen könne ein Autor erst nach vier bis sechs Jahren. Daher müssten Spieleautoren mehrere Eisen im Feuer haben. "Ich habe zwölf bis 18 Spiele auf dem Markt", sagt Teubner. Insgesamt gibt es etwa 85 Brettspiele von ihm im Handel. "Es dürften aber 100 sein" - Teubner arbeitet auch für private Kunden.

Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Die Auszeichnung "Spiel des Jahres" treibt den Marktwert deutlich in die Höhe. "Oder man hat einen Longseller", erklärt Teubner. Man denke nur an "Monopoly". Sehr erfolgreich seien die Gesellschaftsspiele für den "Tiptoi" von Ravensburger, die er mitentwickelt habe. Der elektronische Stift spricht mit den Kindern und führt sie so durch das Spiel. Doch Teubner ist als Spieleautor nicht nur für deutsche Verlage tätig. Immer stärker beherrschten internationale Verlage, etwa aus Korea, den USA oder Australien, die Szene. Längst sei die Bundesrepublik nicht mehr führend beim Entwicklen von Spielen. "Die Franzosen sind regelrechte Trendsetter", erzählt Teubner.

Spiele sind ein ausgezeichneter Zeitvertreib. (Foto: Manfred Neubauer)

Viele klassische Gesellschaftsspiele gibt es seit Jahrhunderten: etwa "Mensch ärgere dich nicht", das ursprünglich aus Indien stammt. Es wurde aus dem Spiel "Pachisi" entwickelt und vermutlich während der Kolonialzeit von den Briten mitgebracht. 1910 erschien "Mensch ärgere dich nicht" erstmals in seiner jetzigen Form in Deutschland. Im "Pachisi" hatten das Scheitern und das Gewinnen der Figuren einen religiösen Charakter und symbolisierten Sterben und Wiedergeburt im Hinduismus. "Das ist doch hochspannend", meint Teubner.

An Ideen mangle es ihm nicht. Neue Spiele zu kreieren, sei wie ein Virus, sagt Teubner. "Einmal angesteckt und man kommt nicht mehr davon los. Nur die Zeit ist mein Problem." Und welches Spiel mag der 51-Jährige am liebsten? "Immer mein nächstes", lautet seine Antwort.

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