Jubiläum:100 Jahre zusammen draußen

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"Berg frei" lautet der Gruß der Naturfreunde Wolfratshausen schon seit 100 Jahren. Das Bild von 1925 zeigt die Skigruppe des Vereins am Veiglberg. (Foto: Naturfreunde Wolfratshausen/oh)

Die Naturfreunde Wolfratshausen wurden 1923 gegründet und zehn Jahre später von den Nazis verboten. Der Verein zählt heute etwa 200 Mitglieder, die wandern, radeln und Kajak fahren.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Die Naturfreunde Wolfratshausen haben Glück, dass ihre Ortsgruppe 1923 gegründet wurde. So können der Vorstand und die Mitglieder ihr 100-jähriges Bestehen in diesem Jahr mit umfangreichen Veranstaltungen und einem Festakt begehen - ganz ohne Beeinträchtigung durch den Infektionsschutz, der manch anderen Institutionen in den vergangenen zwei Pandemiejahren das Jubiläum verhagelt hat. Wobei fast alles, was die Naturfreunde machen, ohnehin draußen an der frischen Luft stattfindet.

"Hinaus in Gottes freie Natur" war auch das Motto, nach dem sich eine Gruppe um Eduard Wammetsberger am 7. Januar 1923 zusammenfand, um die Naturfreunde Wolfratshausen zu gründen. Die Bewegung, 1895 in Wien von dem Lehrer und Sozialisten Georg Schmiedl ins Leben gerufen, um Arbeitern in ihrer Freizeit Zugang zur Natur zu verschaffen, war da schon länger auf dem Siegeszug in Österreich, Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern. Die Wolfratshauser Naturfreunde unternahmen Wanderungen, ruderten über den See und standen für die Pfingsttour im Karwendel schon um 2.30 Uhr auf, um nach Starnberg zu marschieren, wo sie rechtzeitig den Frühzug nach Garmisch erwischen mussten. Eine geplante Floßfahrt musste im Gründungsjahr allerdings abgesagt werden, da diese aufgrund der Inflation laut Protokoll drei Millionen Mark gekostet hätte. Die Gruppe wuchs rasch, auch dank des Wintersports, den sie in ihr Repertoire aufnahm, und konnte die Bichler Hütte im Süden der Benediktenwand pachten.

1933 wurde der Verein verboten und enteignet

Zur Geschichte der Naturfreunde gehört auch eine Zäsur, die in Wolfratshausen nach gerade einmal zehn Jahren erfolgen sollte: Die Nazis verboten und enteigneten die aus der Arbeiterbewegung stammenden Vereine 1933, am 6. Mai löste sich die Wolfratshauser Ortsgruppe auf. Schon im Jahr davor hatte die Reichsregierung den Mitgliedern untersagt, sich mit "Freund" anzureden. Unter dem Decknamen der Bergwacht aber, der sich der Verein bereits kurz nach der Gründung angeschlossen hatte, konnten die Naturfreunde ihre Tätigkeiten fortführen. Im März 1946 wurde der Verein mit Erlaubnis der Militärregierung vom Landrat wieder zugelassen.

Die Entwicklung in den Folgejahren lässt sich gut in der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen aus dem Jahr 1973 nachlesen: Knapp 400 Mitglieder zählten die Naturfreunde Wolfratshausen damals, inklusive der Wintersportgruppe, die es inzwischen nicht mehr gibt, und der zwei Jahre zuvor neu gegründeten Wassersportsparte. Im Olympia-Jahr 1972 waren junge Mitglieder am Fackellauf nach München beteiligt.

Der Vorstand heute (von links): Susanne Bastian (Kassiererin), Hugo Grabmann (Vorsitzender) und Marcus Draheim (Schriftführer). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Heute ist der Verein nur noch halb so groß, die Mitgliederzahl von etwa 200 sei aber immerhin "seit Jahren konstant", sagt Marcus Draheim, Schriftführer im Vorstand, Spartenleiter Radsport und Trainer der Mountainbikegruppe. Der Großteil komme aus dem Nordlandkreis, es gebe aber auch welche aus Tölz, wo es keine Ortsgruppe der Naturfreunde mehr gibt. Dennoch hat der Verein ein Nachwuchsproblem, was das Alter betrifft: Die Hälfte der Mitglieder sei älter als 62, sagt Draheim, der mit seinen 55 Jahren den Durchschnitt drückt. Bei den Naturfreunden sei es eben wie im Freundeskreis: Neumitglieder seien meist Bekannte im gleichen Alter. Draheim, seit mehr als 20 Jahren dabei, kam als junger Familienvater in seinen Dreißigern zum Verein. Seine heute erwachsenen Kinder, erzählt er, hätten andere Interessen.

Auch der aktuelle Vorsitzende kam über Bekannte zu den Naturfreunden. 2010 sei er bei einer Bergtour dabei gewesen, sagt Hugo Grabmann - und habe schnell Anschluss gefunden. Sein Vorgänger Werner Schuppan suchte damals Begwanderleiter, erzählt Grabmann. Über den Dachverband der Naturfreunde habe er die Ausbildung gemacht und seitdem viele Gruppen in die Berge geführt. "Das ist meine Persönlichkeit", sagt der 57-Jährige. "Überall, wo ich bin, engagiere ich mich." Beim Finanzamt Wolfratshausen, wo Grabmann arbeitet, war er lange Jahre im Personalrat, noch immer ist er in der Gewerkschaft akiv. Sein Vorgänger Schuppan, der bei den Naturfreunden die Wassersportsparte aufgebaut hatte und insgesamt 32 Jahre lang Vorsitzender war, starb kurz nach Grabmanns Amtstantritt 2017.

In den 1970er-Jahren, hier das Bild einer Wanderung in den Dolomiten, hatten die Naturfreunde zeitweise mehr als 400 Mitglieder. (Foto: Naturfreunde Wolfratshausen/oh)

Aktiv sind die Naturfreunde Wolfratshausen heute in drei Sparten: Bergsport, Radsport und Kanusport. Wobei es, wie Grabmann und Draheim betonen, bei den Mitgliedern auch Überschneidungen gibt. Viele, die wandern, steigen auch mal aufs Fahrrad. Und beim Wasseport, der mit seiner Spelzialisierung auf Wildwasser-Kajak zwar die kleinste, aber auch sportlich anspruchsvollste und vom Aktiven-Alter jüngste Gruppe darstellt, gebe es immer wieder Mitglieder, die in späteren Jahren aufs Mountainbike umsteigen, sagt Draheim. Mit den Jahren haben sich auch die Aktivitäten verändert: Immer mehr Radler fahren auf Elektrorädern durch die Landschaft, und neuerdings gibt es auch eine Nordic-Walking-Gruppe. Naturschutz und Nachhaltigkeit sind bei den Naturfreunden jedoch schon seit Jahren fester Bestandteil ihres Credos. Schließlich will man die Umwelt nicht nur genießen, sondern auch bewahren.

Auf die Frage nach der Konstante, die die Naturfreunde von 1923 mit denen von 2023 verbindet, antwortet Grabmann ohne zu zögern: "Bewegung in der freien Natur". Kassierin Susanne Bastian, die zur älteren Generation der Mitglieder gehört, ergänzt: "dass wir immer jemanden haben, mit dem wir was unternehmen können. Man muss niemanden groß anrufen oder aktivieren, weil wir unsere regelmäßigen Veranstaltungen haben." Etwa die in zweiwöchigem Turnus stattfindenden Mittwochwanderungen mit anschließender Einkehr, die besonders bei Senioren beliebt sind. "Gemeinschaft ist ein wichtiger Aspekt", sagt Grabmann. So gebe es auch die monatlichen Treffs in der Vereinshütte am Wolfratshauser Badweiher. "Da sitzt man zusammen und ratscht." Das sei auch der Unterschied zum Alpenverein, den die Naturfreunde zu schätzen wüssten, sagt Draheim: "Es ist wesentlich familiärer." Er habe immer wieder Neumitglieder gefragt, warum sie nicht beim DAV seien. Deren Antwort: Da lerne man niemanden richtig kennen, bei jeder Veranstaltung treffe man andere Leute. Bei den Naturfreunden gebe es nach einer Wanderung keinen wortlosen Abschied vom Parkplatz, sondern eine gemeinsame Einkehr.

Die von der Stadt gepachtete Hütte am Wolfratshauser Badweiher ist heute das Domizil der Naturfreunde. (Foto: Naturfreunde Wolfratshausen/oh)

Mitglieder aller Sparten kommen jedes Jahr beim Sommerfest und der Weihnachtsfeier zusammen, sowie zum Saisonabschluss Ende Oktober, bei dem Bilder vom vergangenen Bergsommer gezeigt werden. In diesem Jahr kommt noch die große Jubiläumsveranstaltung für Mitglieder und Ehrengäste am 17. Juni in der Loisachhalle hinzu. Davor gibt es einen Aktionstag mit Kletterwand, Radparcours und Infos zum Kajak- und Kanusport vor der Halle und im Foyer, bei dem man potenzielle neue Mitglieder für die Aktivitäten begeistern will. Mit einem Aktionsprogramm für Jung und Alt stellen sich die Naturfreunde Wolfratshausen auch auf der Iloga vor, die vom 21. bis 23. April stattfindet. Zudem gibt es drei "Schnuppertouren" zum Ausprobieren und Kennenlernen: am 13. Mai, sowie am 24. und 25. Juni. Die Naturfreunde freuen sich besonders auf die große Jubiläumstour an Fronleichnam, 8. Juni. Denn die führt sie auch geografisch zu ihren Anfängen: zur Bichler Hütte, die der Verein in den 1990er-Jahren nach 70 Jahren Pacht abgeben musste. "Es gibt schon mehr als 80 Anmeldungen", sagt Grabmann.

Mehr zum Verein und zum Programm auf naturfreunde-wolfratshausen.de

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