Ein Leben für den Expressionismus:"Ich berausche mich selber"

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Feier der Farbe: Ruth Kohler in ihrem Atelier. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Münsinger Malerin Ruth Kohler feiert in wenigen Tagen ihren 93. Geburtstag. Vorab hat sie sich schon einmal überrascht: mit ihrem ersten Buch "Feier der Farbe".

Interview von Stephanie Schwaderer, Münsing

SZ: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Buch!

Ruth Kohler: Ich hab ja gar nichts dazu beigetragen, nur ein bisschen gemeckert am Anfang.

Wie ist es denn zustande gekommen?

Die Idee hatte Wolfgang Stock. Er ist Kunst- und Architekturkritiker und hat lange die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst in München geleitet. Eines Tages hat er mich besucht und gefragt, ob ich nicht ein Buch machen wolle. Er hat schon einige Bücher herausgegeben - der kann das! Und ich dachte mir, warum nicht. Ich hab zwar einige Kataloge von Ausstellungen mit meinen Bildern, aber so ein Buch mit Hardcover und Leinen-Einband und ISBN-Nummer, das ist ja schon etwas anderes.

Sie malen seit mehr als 70 Jahren, Ihr Schaffensdrang ist beeindruckend. Wie trifft man da eine Auswahl?

Das war lustig. Wolfgang Stock hat den Grafiker Bernd Kuchenbeiser mitgebracht, und dann saßen wir hier zu dritt, und ich habe alle Aufnahmen von Bildern herausgesucht, die ich finden konnte. Am Ende war das ganze Zimmer mit Fotos übersät. Ich hab mich fast nicht eingemischt. Die Auswahl hat Bernd Kuchenbeiser getroffen. Er ist es, der das Buch gestaltet hat. Er ist ein Künstler.

Neues Buch "Feier der Farbe"
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Ruth Kohler passt nur schwer zwischen zwei Buchdeckel.

Von Stephanie Schwaderer

58 Gemälde haben in "Feier der Farbe" ihren Auftritt. Hatten Sie die alle noch parat, um sie professionell fotografieren zu lassen?

Überhaupt nicht. Ich weiß heute noch nicht, wo manche Bilder abgeblieben sind. Eines war gerade auf dem Weg nach Toronto. Das haben wir eben noch erwischt. Bei manchen haben sich die Spuren verloren, aber es gab zum Glück noch gute Aufnahmen. Andere habe ich mir noch einmal ausgeliehen. Und viele sind aus meinem Depot. Wir hatten hier ein großes Foto-Shooting im Garten. Ich hätte nicht gedacht, dass das funktioniert - bei all dem Grün. Aber der Fotograf, Richard Beer, hat mir erklärt, dass man das Grün wegblitzen kann. Toll, oder? Wusste ich auch nicht, dass das geht!

Die meisten abgebildeten Gemälde sind in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren entstanden. Zwei Bilder aus den Achtzigerjahren fallen hingegen heraus.

Die habe ich nach dem Tod meines Mannes Werner gemalt. Plötzlich war das Haus leer, und ich hab seine Schreibmaschine nicht mehr klappern gehört. Da musste ich rumfetzen und mit Farbe um mich werfen, einen Neubeginn suchen.

Mit diesen beiden Bildern hat also die große Feier der Farbe begonnen?

Ich würde sagen: Eine neue starke emotionale Beziehung zur Farbe.

Was war Ihr erster Eindruck, als Sie das Buch in den Händen hielten?

Fremd. Die Bilder waren mir fremd.

Und dann?

Habe ich mich verliebt.

In Ihre Bilder?

In die Ausschnitte, die Bernd Kuchenbeiser herausgezoomt hat. Das war von Anfang an seine Idee gewesen: aus manchen Bildern Ausschnitte herauszuvergrößern. Fantastisch! Hinreißend! Man nimmt ja ein Bild immer im Ganzen wahr und schaut nie auf Details. Und so erfährt man sie plötzlich neu. In den ersten Tagen war ich wie ein Kind. Ich musste immer wieder durch das Buch blättern und mit den Fingern über die Seiten streichen. An manchen Stellen sieht man die Leinwand durchscheinen. Oder so kleine Farbknubbel. Das ist so haptisch! Und aufregend!

Ihre Bilder haben Sie selbst überrascht?

Die Ausschnitte inspirieren mich. Das sind ganz neue Bilder! Ich möchte einen Guckie nehmen und Ausschnitte betrachten. Ich berausche mich selber. Und ich werde eine neue Serie beginnen. Ich möchte Ausschnitte malen und Ausschnitte von den Ausschnitten.

"So haptisch": ein Gemäldeausschnitt, durch den die Leinwand schimmert. (Foto: Richard Beer/OH)
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