Neues Buch "Feier der Farbe":Die "Michelangelina"

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Im Atelier von Ruth Kohler geht es farbenfroh zu, auch wenn sie manchmal mit den Farben "kämpft", wie sie sagt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ruth Kohler passt nur schwer zwischen zwei Buchdeckel.

Von Stephanie Schwaderer, Münsing

"Farbe ist Kraft, Zartheit, Hoffnung, aber auch Angst und Trauer", mit diesen Worten zitiert Herausgeber Wolfgang Jean Stock die Münsinger Expressionistin Ruth Kohler in dem frisch bei Hirmer erschienenen Kunstbuch "Feier der Farbe". Auf 128 hochwertig produzierten Seiten ist es ihm und dem Grafik-Designer Bernd Kuchenbeiser gelungen, eine Ruth-Kohler-Essenz einzufangen.

In seinem Vorwort skizziert Stock nicht nur kenntnisreich den Prozess, wie sich die Farbe in der modernen Bildkunst vom Gegenstand befreite. Er lässt auch Ruth Kohler, in Fürth geborene Pfarrerstochter, schlaglichtartig in 200 Jahren Kunst- und bald 93 Jahren Lebensgeschichte aufleuchten. Ihre malerischen Wurzeln verortet er nicht etwa bei den französischen Impressionisten, sondern bei den englischen Landschafts- und Wolkenmalern John Constable und William Turner.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Kohler Meisterschülerin und "Michelangelina" des Kirchenmalers Franz Nagel. Zieht zu ihrer Schwester nach Afrika, wo sie an der Staffelei zu malen beginnt. Reist mit ihrem Mann, dem Dokumentarfilmer Werner Prym, durch die Welt. Stellt in New York, Berlin, Paris und London aus. Und findet 1972 ihr Zuhause in Münsing am Starnberger See. Dort entstehen bis heute ihre einzigartigen abstrakt-expressionistischen Gemälde, die Kraft, Energie und Dynamik ausstrahlen und zugleich von einer jugendlichen Frische und Lebenslust sind.

Eine Frau wie Ruth Kohler passt schwer zwischen zwei Buchdeckel, auch wenn diese mit hochwertigem Leinen bespannt sind - welches Kohler in ihrem Atelier vermutlich im Handumdrehen bemalt und übermalt hätte. Mehrfach. Mit knapp 93 Jahren steht sie noch immer fast täglich vor der Leinwand, arbeitet mit dem ganzen Körper, und "kämpft", wie sie sagt, mit der Farbe.

Auch ihre Bilder sind eigentlich zu groß, um in ein Buch zu passen. Um so mehr überzeugt die Idee, Ausschnitte aus ihren Gemälden zu vergrößern: Da öffnen sich Räume, zeichnen sich feinste Spuren ab, tun sich Abgründe auf. So werden Kohlers Gemälde auch für Kenner zu einer ganz neuen Entdeckung, zu einer "Feier der Farbe" und einem Fest für Auge und Seele.

Die offizielle Buchvorstellung ist für Freitag, 29. April, im DG-Kunstraum Diskurs Gegenwart (Finkenstraße 4 München, Beginn 18 Uhr) geplant. Dort stellt Kohler derzeit im Rahmen der Gemeinschaftsausstellung "Notre Dame" zwei Gemälde aus. Wolfgang Jean Stock wird mit ihr ein Künstlergespräch führen und das Buchprojekt erläutern. Das musikalische Rahmenprogramm gestalten die Flötistinnen Charlotte Kuffer und Maria Ose. "Feier der Farbe", ISBN 978-3-7774-4022-4, kostet 29,90 Euro.

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