Politische Abwanderungswelle:Erosion im Kreisverband

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Sahra Wagenknecht hat mit ihrem Bündnis viele Austritte aus der Linken bewirkt, auch im Oberland. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Zehn Mitglieder verlassen die Linke Oberland und wechseln zum frisch gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Tölzer Sebastian Englich aber bleibt und wird in den Vorstand gewählt.

Von Veronika Ellecosta, Bad Tölz - Wolfratshausen

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist als Partei zwar erst einige Tage alt, hat aber trotzdem schon eine Erosion in der verbliebenen Linken ausgelöst, die bis ins Oberland spürbar ist. Dort ist der gesamte Kreisvorstand bei der Jahresmitgliederversammlung am 7. Januar in Hufling geschlossen zurückgetreten. Mit etwa zehn weiteren Mitgliedern läuft Kreissprecher Rolf Walther zur neuen Wagenknecht-Partei über.

Walther, der Mitglied der Linken seit ihrer Entstehung im Zusammenschluss aus WASG und PDS 2007 war, will nun am Gründungsparteitag des "Bündnisses Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit" am 27. Januar in Berlin teilnehmen. Übrig bleibt ein auf etwa 60 Mitglieder zusammengestutzter Kreisverband, der bei der Linken im Oberland die fünf Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau, Miesbach und Landsberg am Lech vereint. An die Stelle des scheidenden Vorstandes rückt eine junge Generation: Kreissprecher werden Elisabeth Osiander aus Holzkirchen und Martin Neuner aus Farchant, der Tölzer Sebastian Englich übernimmt die Funktion des Schatzmeisters. Von der neuen Partei hält Sebastian Englich nichts, wie er kommentiert. "Was Sahra Wagenknecht im Bundestag abgezogen hat, fand ich nicht schön. Man wollte die Fraktion nicht retten." Aus politischer Überzeugung bleibe er in der Linkspartei.

"Auch eine Stadträtin und ein Bürgermeister wollen zu uns kommen"

Den Wechsel zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hingegen begründen die Abgänger aus dem Oberland vor allem mit inhaltlichen Differenzen, wie aus einer gemeinsamen Presseerklärung des nun ehemaligen Vorstandes hervorgeht. Sie vermissen etwa eine Positionierung für einen Waffenstillstand in der Ukraine. Die Linke habe sich von ihren Idealen entfernt, Geringverdienende, Kleinselbständige und Hilfeempfänger spreche die Partei nicht mehr an, heißt es weiter. Er habe das Buch von Sahra Wagenknecht "Die Selbstgerechten" gelesen und könne alles darin unterschreiben, erklärt Rolf Walther auf persönliche Nachfrage. Wenn er keine Alternative hätte, würde er auch in der Linken bleiben. "Aber lieber bringe ich viel Engagement mit, als mich jeden Tag zu ärgern." Also habe er sich entschlossen, zu wechseln.

Der Wagenknecht-Partei räumt Rolf Walther bis in die Kommunen im Oberland hinein gute Chancen ein: Etwa zehn ehemalige Linke und zehn weitere Personen mit anderen parteilichen Hintergründen bewegten sich ihm zufolge derzeit im Umfeld des Bündnisses. "Auch eine Stadträtin und ein Bürgermeister möchten zu uns kommen", sagt Walther. Dabei positioniert er das Bündnis in direkter Konkurrenz zu seiner Vorgängerpartei: Walther ist sich sicher, bei den Kommunalwahlen 2026 besser abzuschneiden als die Linke. Wenn es dem Bündnis gelinge, bereits bei den diesjährigen Europawahlen die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, müssen für die Kommunalwahlen keine Unterschriften mehr gesammelt werden. Rolf Walther zeigt sich zuversichtlich, dass dies gelingen wird. "Die Perspektive ist ganz solide, vor allem im Oberland."

Der Tölzer Sebastian Englich, der im Herbst für den Landtag kandidierte, bleibt bei der Linken. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sebastian Englich steht dem Umbruch in der Linken gelassen gegenüber. Konflikte zwischen Bleibenden und Gehenden habe es mit Ausnahme einiger Aussagen keine gegeben, erzählt er. Er bezweifelt auch, dass Linke und BSW im Oberland um dieselbe Wählerschaft buhlen müssen. "Das wird sich zeigen, wenn es so weit ist."

Der Abspaltung und Neugründung von Wagenknecht kann Englich sogar Positives abgewinnen: Beim Landtagswahlkampf im vergangenen Herbst habe er mit vielen Menschen gesprochen, "die zu mir gesagt haben, ihr müsst die Frau loswerden. Witzigerweise waren das mehr Leute als die, die sie gut fanden", sagt er. Deshalb sieht Englich im Umbruch eine Chance, sich "als soziale Partei neu zu zeigen". Auch habe die Linke Oberland nach Wagenknechts Austritt bereits zwei neue Parteibücher ausgestellt. Das sei zwar kein Ausgleich gemessen an den Austritten, es zeige aber, dass es auch Eintritte gebe, eben weil Wagenknecht die Linke verlassen habe.

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