Heidi Dodenhöfts spontane Antwort ist ein leises Stöhnen. Denn am ersten Tag nach den Winterferien hat an der Grundschule Reichersbeuern, die sie leitet, erst einmal das Wichtigste nicht geklappt. Die Videokonferenzen sind einfach nicht zustande gekommen. Dabei hätten fünf Lehrkräfte es wie empfohlen über den Webkonferenzdienst Big Blue Button versucht. Warum es nicht lief? Die Rektorin vermutet, der Server der Kreisbildstelle sei wohl überlastet gewesen bei so vielen Schulen, die gleichzeitig ins System hinein wollten.
Das kann Schulrätin Petra Burkhardt nur bestätigen. "Alle Systeme waren anscheinend etwas überfordert", sagt sie. An den bayerischen Grundschulen hat am Montag der Unterricht wieder begonnen - allerdings mit Ausnahme der Notfallbetreuungen nicht in den Schulhäusern, sondern eben, wie im Freistaat vorgeschrieben, virtuell. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gibt es 21 Grundschulen. An allen, so betont Burkhardt, sei der Neubeginn gut vorbereitet worden. "Die Lehrkräfte haben sich umfassend fortgebildet. Wir hatten zwei Fachtage Digitalisierung mit etwa hundert Teilnehmern." Weitere knapp hundert hätten sich in den Ferien an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen qualifiziert. An allen Grundschulen habe es auch vor Weihnachten schon "Trockenübungen" mit den Kindern gegeben.
Die Reichersbeurer Schulleiterin sagt zwar, sie sei "schon ein bisschen gefrustet" über das Versagen des Konferenzsystems. Denn sie und ihre Lehrkräfte seien motiviert und gut weitergebildet ins neue Jahr gegangen: "Wir wollten zeigen, dass es diesmal besser läuft." Freilich wissen sich Schulleute auch dann zu helfen, wenn die Videokonferenz nicht funktioniert. Zum Beispiel mit der digitalen Pinnwand Padlet, auf der Texte, Bilder, Videos, Links, Sprachaufnahmen, Bildschirmaufnahmen und Zeichnungen abgelegt werden können. "Wir stellen dort Elternbriefe ein, kleine Filme, oder eine Lehrerin gibt ein Diktat", sagt Dodenhöft. Dieses System sei "ganz in Ordnung", da könnten die Kinder die Stimme der Lehrerin hören, auch Gymnastikübungen würden damit gemacht.
An der mit 440 Kindern und 20 Klassen deutlich größeren Karl-Lederer-Grundschule in Geretsried finden die Videokonferenzen grundsätzlich vom Zuhause der Lehrkräfte aus statt, erklärt Rektorin Elke Goymann, dies funktioniere besser als vom Schulhaus aus. Die Schule habe alle Neuerungen seit Monaten geplant und erprobt. Mit allen Eltern und allen Klassen seien Probeläufe veranstaltet worden. "Wir haben ein Konzept, das die Eltern kennen." Die ersten und zweiten Klassen hätten täglich eine Stunde Videokonferenz, die dritten und vierten jeweils eineinhalb Stunden.
"Fensterausgabe" mit Feedback
Zusätzlich gebe es nachmittags Klassenkonferenzen und einmal pro Woche eine "Fensterausgabe" mit Material und mündlichem Feedback, da stehe die Lehrkraft im Klassenzimmer, die Schülerin oder der Schüler draußen. Auch "Deutsch als Zweitsprache" (DaZ) wird digital gelehrt; außerdem werden die Inklusionskinder digital betreut.
Wer Lust hat, kann an der Karl-Lederer-Schule von der kommenden Woche an nachmittags virtuelle "Resilienzstunden" besuchen, in denen Basteln, Kunst und Sport angeboten werden sollen. "Wenn wir Ressourcen übrig haben, setzen wir sie um", erklärt Goymann. "Wir versuchen, das Maximale rauszuholen." Ihre wichtigste personelle Ressource sind neben 36 Lehrerinnen, einem Lehrer und Pfarrer Georg Bücheler als Religionslehrer pädagogisches Personal, etwa in der Integrationsassistenz.
Flexibel handhaben die Lehrkräfte in der Münsinger Grundschule den geforderten Distanzunterricht. "Es gibt keinen täglichen Weckruf mit der Videokonferenz um 8 Uhr", sagt Rektorin Angret Pauli. Es sei gar nicht möglich, Grundschüler den ganzen Vormittag konzentriert vor dem Bildschirm zu unterrichten. Für ihre Klasse wolle sie zweimal pro Woche eine Videokonferenz anbieten. Das gehe sie nach den Ferien aber erst einmal langsam an. Dafür teile sie ihre Klasse in drei Gruppen und setze jeweils eine Stunde an. Denn bei einer Videokonferenz mit 20 Grundschulkindern gleichzeitig wäre sie schnell nur damit beschäftigt, zu erklären, wie man das Mikrofon ein- und ausschaltet, sagt Pauli.
Auch in Münsing ist im Übrigen Methodenvielfalt gefragt. Lehrer verschicken per E-Mail Wochenpläne mit Arbeitsmaterialien. Eltern und Schüler können diese auch in gedruckter Form direkt im Schulhaus abholen. Lehrer bieten Telefonsprechstunden an und rufen bei Schülern zu Hause an, um sich zu informieren und Fragen zu beantworten. Die Lernplattform Mebis werde genutzt.
Zur Notbetreuung direkt ins Schulhaus kommen laut Pauli 23 von 155 Kindern. Darunter seien auch jene mit Förderbedarf, welche die Inklusionsschule besuchten. "Das läuft weiter." Für jede Lehrkraft gebe es einen fest installierten Computer in jeden Klassenraum. Für Distanzunterricht griffen manche auf ihre eigenen Computer zurück. "Der nächste Schritt wären portable Dienst-Laptops." Pauli sagt, die Gemeinde sei sehr darum bemüht, die Grundschule in der Ausstattung zu unterstützen. Für Schüler ohne geeignete technische Hardware zu Hause stünden inzwischen etwa 20 Tablets bereit.
Alle Grundschulen haben Notbetreuungen eingerichtet für Kinder, deren Eltern tagsüber nicht zu Hause sein können. Sie werden auf einem Dorf naturgemäß weniger beansprucht als in den Städten. In Reichersbeuern, sagt Rektorin Dodenhöft, könnten Eltern doch noch häufiger zu Oma oder Opa ausweichen; am Montag brauchten dort fünf Kinder die Betreuung unter den üblichen Hygienebedingungen im Schulhaus. An der Karl-Lederer-Grundschule waren es am Montag 70 Kinder.
"Gut eingespielt"
All dies sei ja schon seit März "gut eingespielt", sagt Schulrätin Burkhardt. Dennoch weist sie darauf hin, dass die Schulen froh sind, wenn Eltern möglichst frühzeitig melden, falls sie die Notbetreuung beanspruchen müssen. Denn alles in allem, so sagt auch Elke Goymann, sei die Organisation an den Schulen in Zeiten der Corona-Pandemie schon "ein unglaublicher Aufwand". Sie hoffe für die weitere Zukunft "auf so viel Präsenzunterricht wie möglich", verstehe aber sehr wohl, "dass die Zahlen das momentan nicht hergeben".