Brauchtum:"Alle freuen sich, dass es wieder losgeht"

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Mit nur einstelligen Plusgraden ist es zwar frisch. Doch dafür scheint den Leonhardifahrern in Benediktbeuern - hier Trachtlerinnen aus Eberfing - die Sonne. (Foto: Manfred Neubauer)

In Benediktbeuern verfolgen nach Polizeischätzungen um die 7000 Zuschauer die Leonhardifahrt. Das schöne Wetter und die lange Pandemie-Pause ziehen die Leute an.

Von Benjamin Engel, Benediktbeuern

Zu Gast sind heuer auch Delegierte aus der zimbrischen Sprachgemeinschaft bei Verona. (Foto: Manfred Neubauer)

Für die erste Leonhardifahrt in Benediktbeuern seit drei Jahren - zweimal fiel die jährliche Traditionsveranstaltung in der Pandemie aus - dürfte wohl kaum jemand einen besseren Zuschauerplatz haben als Franz Baader. Am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr sitzt er bei frischen drei Grad Celsius auf seinem Südost-Balkon in der Dorfstraße. Frieren muss er trotzdem kaum, weil die Sonne ungehindert auf seinen perfekten Logenplatz vor der Hauswand scheint. So kann Baader in Ruhe die unter ihm vorbeiziehenden Gespanne beobachten.

Ein paar Meter weiter unten spricht Alois Deisenberger aus Reindl bei Penzberg trotz der niedrigen, einstelligen Plus-Temperaturen von "optimalem Leonhardi-Wetter". Es sei trocken und sonnig. Die Kälte störe ihn nicht. Das passe sowieso besser als die Temperaturen von 20 Grad der vergangenen Tage. Deisenbergers Kaltblüter Jakl scheint richtig ungeduldig zu sein, dass es endlich losgeht. Wiederholt scharrt das fünfjährige Ross mit dem rechten Vorderhuf über den Boden. "Der Jakl ist das erste Mal dabei", sagt Deisenberger. Und darf gleich wohl einen der traditionsreichsten Wagen der Benediktbeurer Leonhardifahrt ziehen. Der gehört nämlich Klaus Schwaiger, dem Friedlbauer, dessen Familie schon seit 1881 bei den Wallfahrten im Klosterdorf mitmacht.

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Damals soll es die erste geordnete Fahrt zu Ehren des Heiligen Leonhard mit fester Gespann-Reihenfolge in Benediktbeuern gegeben haben. Davon berichtet jedenfalls Helmut Waxenberger. Seit 20 Jahren ist er Leonhardi-Lader. Seine Aufgabe ist es, die Rosserer zur Teilnahme persönlich einzuladen, wofür er von Hof zu Hof gefahren ist. Heuer beteiligen sich 43 Gespanne an der Benediktbeurer Leonhardifahrt. Das sind etwas weniger als die sonst üblichen etwa 50, wie Waxenberger sagt. Doch in diesem Jahr fielen die Wallfahrten von Benediktbeuern und Murnau wieder einmal auf denselben Tag, weswegen einige der sonst üblichen Rosserer in der Kommune weiter westlich mitführen.

Und noch etwas ist heuer anders in Benediktbeuern. Der Wallfahrtszug setzt sich zwar pünktlich um 9 Uhr nahe dem Café Lugauer in der Dorfstraße in Bewegung, kreuzt die Bundesstraße 11 und zieht die Bahnhofstraße entlang Richtung Kloster. Doch weil in dessen Innenhof derzeit gebaut wird, fahren die Gespanne diesmal zum Großparkplatz an der Don-Bosco-Straße im Klosternorden. Dorthin zieht es gegen 10 Uhr die meisten Besucher. In Gruppen stehen sie zusammen, ratschen, holen sich an Ständen etwas zu essen oder trinken. So entspannt, wie das wirkt, beurteilt der Polizei-Einsatzleiter Steffen Wiedemann diese Benediktbeurer Leonhardifahrt. Alles sei problemlos verlaufen sagt er, auch wenn mehr Einsatzkräfte aufgrund der geänderten Route an einer Kreuzung mehr postiert gewesen seien. Schon am Vormittag spricht Wiedemann von deutlich mehr Gästen als in Vorjahren. Bis zum Nachmittag sind es laut Polizei 7000 Besucher. "Das mag an der langen Pause und dem schönen Wetter liegen", sagt er.

Nur ein paar dünne Wolkenschlieren trüben den Himmel, als die Rosserer am Sonntag durch Benediktbeuern ziehen. (Foto: Manfred Neubauer)
Die Kochler Blaskapelle spielt, während ihr Gespann durch den Ort fährt. (Foto: Manfred Neubauer)
Pater Heiner Heim segnet Pferd und Mensch. (Foto: Manfred Neubauer)

Dass sie ihre prächtigen Trachten nicht vor Niederschlag schützen müssen, freut auch Cordula Sindlhauser und ihre eineinhalb Dutzend Begleiterinnen auf dem Wagen der Familie. Gemeinsam haben sie das alte Transportfuhrwerk einer früheren Tölzer Brauerei mit Girlanden aus Tannendachsen und Astern geschmückt. Schon allein das zu binden habe mindestens 15 Stunden gedauert, sagen sie. Die Suche nach geeigneten Naturmaterialien nicht eingerechnet. "Die Tannenzweige hole ich aus dem Wald", sagt Franz Sindlhauser vom Abrahamhof. Er betont den sozialen Aspekt der Leonhardifahrt für das Benediktbeurer Dorfleben. "Alle haben sich gefreut, dass es wieder stattfindet", sagt er. Denn es gehe darum, sich zu treffen und zu unterhalten.

Genauso genießt es Martin Dörfler, nach der Pandemie-Pause endlich wieder vor größerer Kulisse mit den Kaltblutrossen fahren zu können. Damit die Pferde in Übung blieben, sei er zwar zwei- bis dreimal pro Woche mit ihnen unterwegs. "Das heute ist aber ein ganz anderes Fahren", erklärt er. "Der ganze Trubel." Darunter fällt auch, dass nachmittags zwei Böllerschützen aus der zimbrischen Gemeinde San Bartolo in Italien ihre sogenannten Trombini-Vorderlader krachen lassen. Zimbrisch ist eine Spielart des Bairischen. Die Vorfahren der Volksgruppe stammten einst aus der Gegend um Benediktbeuern.

Doch zurück zur Gegenwart. Als Deisenberger mit seinem Pferd Jakl endlich loslegen kann, denkt der Mann schon ans Folgejahr. Die Wallfahrt sei der Höhepunkt der Rosserer, sagt er. "Nach Leonhardi ist vor Leonhardi."

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