"Lehards" in Bad Tölz:Von Wilderern und Wallfahrern

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Für die Musik beim traditionellen Lehards-Abend im Tölzer "Gasthaus" sorgte eine Gruppe von Lehrern der Grundschule Gaißach. (Foto: Manfred Neubauer)

Bei traditionellen Kleinkunstabend des Kulturvereins "Lust" vor der Leonhardifahrt gibt es wieder allerhand Interessantes und Skurriles - diesmal ganz ohne Klamauk.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Es gibt Fragen, auf die es nur beim Leonhardi-Kleinkunstabend eine Antwort gibt. Ein Beispiel: Was hat der Wildschütz Jennerwein mit der Tölzer Wallfahrt und dem FC Bayern zu tun? Am Freitag hängt die historische Fotografie des Tegernseer Wilderes über der Bühne des "Gasthauses" in Bad Tölz, daneben die obligatorische weiß-blaue Fahne, die in den vergangenen 13 Jahren einige Mottenlöcher abbekommen hat. Dieses Jahr gehen die beiden Lehards-Abende des Kulturvereins Lust nicht in der hagelgeschädigten Madlschule über die Bühne, sondern im "Gasthaus". Der Gewölbekeller mit den vollbesetzten Holzbänken passt gut zur familiären Atmosphäre der Lehards-Abende, die selbstverständlich wieder ausverkauft sind.

Und weil der Tino Kellner umstandslos das Gasthaus als Ersatzort zur Verfügung gestellt hat, wird ihm beim Pinzgauer Wallfahrerlied, das wie immer am Ende gesungen wird, zum Dank eine Fürbitte gewidmet. Dass es diesmal keinen Sketch der Lust-Truppe gibt, liegt wohl auch daran, dass die Bühne im Gasthaus kleiner ist, ebenso der Backstage-Bereich. Das Schräge und der Klamauk fehlen ein bisschen, unterhaltsam ist der Abend trotzdem.

Für die Musik sind heuer Lehrer der Grundschule Gaißach zuständig, vier Sänger und ein Zitherspieler, die den Abend mit gefühlvollen Liedern umrahmen. Weil es wichtig ist, "dass wir Profis auf der Bühne haben und nicht nur Schauspieler", begrüßt der Sepp Müller zwei echte Leonhardi-Fahrer. Den Kinshofer Bertl aus Greiling, der bei der Auslosung Glück gehabt hat und an diesem Montag mit der Nummer 14 ziemlich weit vorn mitfährt. In krachledernem Dialekt, der beizeiten von Müller ins Hochdeutsche übersetzt wird, erzählt er von seinen Aufgaben.

"Du mogst es a ned, wenn dir jemand auf´n Arsch haut."

Im Unterschied zu den Fahrern bekämen die Pferde, an die 1000 Kilo schwere Kaltblüter, kein Schnapserl zur Beruhigung. Aber übergriffige Zuschauer weise er schon mal zurecht. "Du mogst es a ned, wenn dir jemand auf´n Arsch naufhaut." 20 Jungfrauen in Greiling zu finden, die auf dem Frauenwagen mitfahren, sei gar nicht so leicht, frotzelt der Bertl, der viel von Bremsern, Praxern und Brettlhupfern erzählen kann. Dass seit vorigem Jahr aus Sicherheitsgründen nur noch eine Gangart in der Marktstraße erlaubt ist, nämlich Schritt, kommentiert Lehards-Vorreiter Florian Seidl mit einem Gedicht: "Pfiad eich God, gute alte Bräuch."

Der Tölzer Journalist und Buchautor Christoph Schnitzer hat die Geschichte der Familie Hellmann recherchiert. (Foto: Manfred Neubauer)

Christoph Schnitzer trägt wie immer Wissenswertes, Ernstes und Skurriles aus der Tölzer Geschichte bei. So hat er eine Aktennotiz vom 5. November 1923 ausgegraben, wonach die Stadt 500 Milliarden Mark für die Wallfahrt überwiesen hatte. Klingt recht großzügig. Allerdings kostete ein Liter Vollbier damals 22 Milliarden und eine Woche später bereits 72 Milliarden. "Das Rathaus hat quasi zehn Mass Bier für die Wallfahrt zur Verfügung gestellt", schließt Schnitzer. Überhaupt sei bei der Wallfahrt nicht immer alles rund gelaufen. Etwa beim Besuch von Kardinal Wendel im Jahr 1953, als der Verkehr umgeleitet worden war. Einer der Polizisten sei offenbar ein "ganz Demokratischer gewesen", sagt Schnitzer. Denn auch der Kardinal wurde umgeleitet, von der Wachterstraße über die Nockhergasse.

Was der Wildschütz Jennerwein mit der Tölzer Leonhardifahrt zu tun hatte

Bei einem Jodel-Crashkurs schlägt sich das Publikum wacker, das nach der Pause der spannenden Wilderer-Saga lauscht, welche die Lust-Truppe als szenische Lesung auf die Bühne bringt. Laut einem Gerichtsbericht habe der Wildschütz Jennerwein am 6. November 1877 sein Haus in Agatharied verlassen, um bei der Tölzer Leonhardifahrt mitzufahren. Tatsächlich lag er aber erschossen in einem Wald auf dem Peißenberg, erfährt man. Erst am 13. November "fand man den Jennerwein als Leiche", ein Schuss in den Rücken, zwei ins Gesicht. Der Verdacht fiel schnell auf den Jagdgehilfen Josef Pföderl, der zunächst alles leugnete, dann aber zugab, aus Notwehr geschossen zu haben. Er wurde zu acht Monaten Gefängnis verurteilt.

Dass es auch ganz anders gewesen sein könnte, hat der Fischbacher Fotograf und Hobby-Historiker Hias Krinner in aufwendigen Recherchen herausgefunden. Der Jennerwein habe sich mit dem "Agerl" auf der Sigriz-Alm "der Arterhaltung gewidmet", erklärt Krinner dem amüsierten Publikum. Jener Sennerin, auf die auch der Pföderl ein Auge geworfen habe. "Aber der Jennerwein war ein varreckter Hund und der Pföderl halt ned so." Da sei dann "eine Spannung drin gewesen". Und was hat das alles mit dem FC Bayern zu tun? Nun, der Pföderl wurde nach seiner Haftentlassung in die Valepp versetzt. Just in das Haus, "das der Manuel Neuer in ein Wirtshaus umbauen will".

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