Leben in Wolfratshausen:Ansprechpartner mit Handy und Skateboard

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Meistens unterwegs, immer ansprechbar: Simon Friedt ist in Wolfratshausen für die mobile Jugendarbeit zuständig. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die mobile Jugendarbeit in Wolfratshausen gibt es bereits seit 25 Jahren. Im Lockdown war die Stelle lange vakant, nun ist sie wieder besetzt: Simon Friedt kümmert sich um die jungen Leute auf Straßen und Plätzen

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Es hat eine Weile gedauert, bis Fritz Meixner den Neuen vorgestellt hat. Der Geschäftsführer des Kinder- und Jugendfördervereins (KJFV) präsentierte vergangene Woche im Jugendhaus La Vida Simon Friedt, der nun für die mobile Jugendarbeit in Wolfratshausen zuständig ist. Der 39-jährige Sozialpädagoge aus München erwähnte dann beiläufig, dass er die länger vakante Stelle bereits seit 15. April besetzt. Seine verspätete Vorstellung mag etwas mit Corona und seiner Einarbeitungszeit zu tun haben, sicher aber auch mit der Geschichte der Stelle und den jüngsten Erfahrungen.

Denn wie Meixner sagte, hat die mobile aufsuchende Jugendarbeit in Wolfratshausen eine lange Tradition, es gibt sie bereits länger als das Jugendhaus La Vida: Seit 25 Jahren kümmern sich in der Loisachstadt Sozialpädagogen auf der Straße um die Jugendlichen, suchen gezielt ihre Treffpunkte auf und bieten ihre Hilfe an, ohne sich aufzudrängen. "Alle Leute, die die Stelle innehatten, haben sie auf ihre eigene Art geprägt, mit besonderen Projekten", sagte Meixner. Dass er Cordula Schnellbach, die die Position bis April 2020 innehatte, als Friedts Vorgängerin bezeichnete, war nicht ganz korrekt. Von März bis Juni vergangenen Jahres hatte es schließlich eine Nachbesetzung gegeben. Meixner nannte sie aber ein "kurzes, dreimonatiges Gastspiel" und fügte hinzu: "Das war einer der wenigen personellen Fehlgriffe von uns." Dass die Stelle danach lange vakant blieb, habe daran gelegen, dass es schwer sei, geeignetes Personal zu finden. "Draußen unterwegs zu sein, ist ein schwerer Ansatz, das muss man mögen." Aber die Vakanz sei auch nicht allzu dramatisch gewesen, schließlich habe der Lockdown das Leben auf Straßen und Plätzen lange eingeschränkt.

Mit Friedt, so scheint es, hat der KJFV nun wieder den Richtigen gefunden. Der 39-jährige Münchner ist seit elf Jahren Sozialpädagoge, hat in Jugend- und Kindertreffs gearbeitet sowie mit Menschen mit Behinderung. Seit drei Jahren ist er als mobiler Jugendarbeiter und Streetworker tätig, zuletzt in Gröbenzell. "Mir gefällt, dass es jeden Tag anders ist", sagte er über den Job, "weil man in den Raum der Jugendlichen reingeht. Da draußen machen die ihre Regeln." Es gehe um Glaubwürdigkeit und Vertrauen, mit strengen Vorgaben komme man da nicht weit. "Ein ganz wichtiger Punkt ist die Freiwilligkeit", sagte Friedt. "Die Jugendlichen müssen Lust haben, was an ihrem Leben zu verändern."

Ein Arbeitstag von Fried sieht so aus: Er steigt aufs Fahrrad und fährt da hin, wo die Jugendlichen sich treffen. In Wolfratshausen sei das derzeit etwa am McDonald's im Gewerbegebiet und rund um den Skatepark in Waldram, den auch nicht skatende junge Menschen bevölkerten. "Ich stelle mich vor, erzähle, was ich mache, und lasse meine Karte da", berichtete Friedt. Die Jugendlichen könnten ihn jederzeit kontaktieren. "Wenn sie wollen, unterstütze ich sie dabei, Konflikte gewaltfrei zu lösen oder ihr Sucht- und Konsumverhalten zu ändern." Aber auch wer eine Bewerbung schreiben wolle, könne ihn um Hilfe bitten. Als mobiler Ansprechpartner ist Friedt für alle Jugendlichen da. Die offene Arbeit, mit gänzlich auf Freiwilligkeit basierenden Angeboten, sei "sehr tolerierend", sagte er. Dazu gehöre auch, manchmal jungen Leuten zu helfen, die nach dem Feiern "komplett betrunken und orientierungslos" seien, oder für junge Obdachlose eine Bleibe zu finden. Streetworker und mobile Jugendarbeiter seien "vielleicht die letzten Pädagogen, die an Jugendliche rankommen, die sonst mit Pädagogen keine guten Erfahrungen gemacht haben", so der 39-Jährige, der auch gezielt mit Cliquen arbeitet und etwa ganze Freundeskreise ins Jugendhaus einlädt. "Das ist wichtig für den Beziehungsaufbau." Im Vergleich zur mobilen Jugendarbeit vor 25 Jahren hat sich einiges geändert. Friedt hat zwar auch ein Büro im Flachbau an der Margeritenstraße, wo er Einzelgespräche oder Gruppentreffen abhalten kann. Sein wichtigstes Arbeitsinstrumente aber sei sein Handy, sagte er. Die Jugendlichen hätten seine Nummer, sie riefen ihn an und er komme vorbei. Im Sommer arbeitet er von Dienstag bis Samstag, um auch am Wochenende Ansprechpartner zu sein. Und er bewegt sich auch an dem Ort, an dem die meisten Jugendlichen anzutreffen sind: in den sozialen Netzwerken, vor allem auf Instagram, Tic Toc und Snapchat. "Ein mobiler Jugendarbeiter muss auch mit den technischen Errungenschaften mitgehen", sagte Friedt. "Das sind Fenster in Lebenswelten."

Zu seinen Aufgaben gehören aber auch zahlreiche Sportangebote - ein "Steckenpferd von mir". Mit der "Roll Active Initiative" (RAI) kümmerte er sich um die Bodensanierung am Skateplatz, die mit Crowdfunding von 15 000 Euro finanziert wird. Im Ferienprogramm wird er Kurse für Skate- und Longboard, sowie Diabolo geben. Und beim "Familiy Fun Festival" des KJFV gab er einen Kurs für "Skim-Boarding", eine Art Surfen auf nasser Plastikplane. Auch beim Sport liegt er also voll im Trend.

© SZ vom 03.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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