Landwirtschaftsschule Holzkirchen:"Ein Landwirt ist heute kein purer Lebensmittelproduzent mehr"

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Am Grünen Zentrum Holzkirchen, in dem auch die Landwirtschaftsschule untergebracht ist, werden die Schüler auf die Meisterprüfung vorbereitet. (Foto: Manfred_Neubauer)

In Holzkirchen haben angehende Agronominnen und Agronomen die Möglichkeit zur Weiterbildung, um für die Herausforderungen der Zeit gerüstet zu sein.

Von Tilman Voss, Holzkirchen

Morgens um sechs Uhr aufstehen, die Kühe melken und füttern, den Stall säubern und danach Arbeiten am Hof durchführen - so in etwa zeichnet sich das in der heutigen Gesellschaft verankerte Bild, wie der typische Tagesablauf eines bayerischen Bauern aussieht. Doch diese Vorstellung entspricht nur in Teilen der Realität. Denn zuerst einmal nennt man den Bauern im Berufsalltag nicht mehr Bauer, sondern Landwirt. Und die Vorstellung einer Arbeit, die vornehmlich in Ställen und auf Feldern stattfindet, deckt das Berufsbild nur unvollständig ab. Denn ein Landwirt muss sich auch mit alltäglichen Themen und Problemen auseinandersetzen, die nur bedingt landwirtschaftlicher Natur sind: Wie führt man beispielsweise einen Betrieb und stellt sicher, dass dieser finanziell stabil bleibt? Wie geht man mit seinen Mitarbeitern richtig um? Und wie sieht es mit den gesetzlichen Vorgaben im Agrarwesen aus?

Um angehende Landwirte auch auf diese Aufgaben vorzubereiten, bietet die Landwirtschaftsschule in Holzkirchen ein Studium über drei Semester an. Dort werden die Studierenden in vier Themenfeldern unterrichtet: neben "klassisch" landwirtschaftlichen Themen wie Pflanzenbau und Tierhaltung zählen auch die Betriebs- und Unternehmensführung sowie die Berufsausbildung und Mitarbeiterführung dazu. So finden sich im Stundenplan Fächer wie Tiergesundheit oder Naturschutz, aber auch Steuer- und Sozialrecht sowie Rhetorik. Das Studium legt außerdem Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung: Es werden zum Beispiel Diskussionsrunden und spezielle Seminare in Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen durchgeführt. Der Unterricht bereitet auf die Meisterprüfung vor, welche für viele der Absolventen danach ansteht - mehrere in der Schule abgelegte Prüfungsleistungen können dafür anerkannt werden. Voraussetzung für die Aufnahme in die Schule ist eine abgeschlossene, einschlägige Lehre sowie ein absolviertes Praxisjahr, in dessen Rahmen sich die zukünftigen Studierenden für zehn Schulungstage in der Einrichtung einfinden.

Eine, die die Schule und den Lehrplan besonders gut kennt, ist Margarete Kohnert. Seit 2017 ist sie im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forstwirtschaft (AELF) Holzkirchen tätig, welches hinter der Schule steht. Dort ist sie im Sachgebiet Bildung und Beratung im Einsatz - an der Schule ist sie stellvertretende Leiterin. Der Standort in Holzkirchen ist eine von bayernweit 18 Einrichtungen, welche angehenden Landwirten die Möglichkeit zur Weiterbildung bieten. Laut Kohnert ist der Lehrplan zwar einrichtungsübergreifend weitestgehend gleich, einen gewissen Spielraum besitzen die einzelnen Standorte dennoch. So lege man in Holzkirchen Wert darauf, den regionalen Besonderheiten des hiesigen Voralpenlandes gerecht zu werden: So erfährt beispielsweise das Fach Waldbau aufgrund des hohen Anteils von Waldfläche im Dienstgebiet eine stärkere Gewichtung.

Die Landwirtschaft werde "nicht einfacher, sondern komplexer"

Die Studierenden befinden sich meist in ihren Zwanzigern. Viele von ihnen haben vorher eine andere Ausbildung absolviert oder zunächst mehrere Jahre gearbeitet, auch hat die Mehrheit einen Familienbetrieb zuhause. Kohnert zufolge ist das in der in Bayern familiär geprägten Landwirtschaft ganz normal: "Die Schule ist stark ausgerichtet auf junge Landwirte, die später einen Betrieb übernehmen wollen - und das ist meist der eigene Familienhof." Das Angebot in Holzkirchen richtet sich indes nicht nur an Erwachsene. Für jüngere Interessenten bietet der AELF beispielsweise das Programm "Erlebnis Bauernhof" an, welches Schulkindern von der zweiten bis zur zehnten Jahrgangsstufe die Möglichkeit bietet, einen Landwirtschaftsbetrieb zu besuchen und dort den Alltag eines Landwirts besser kennenzulernen. Ziel soll sein, der jungen Generation die Landwirtschaft näherzubringen und Interesse zu wecken.

Denn die Branche ist längst nicht mehr so ein Selbstläufer wie zu früheren Zeiten. Auch in Bayern macht der Strukturwandel dem hiesigen Wirtschaftszweig zu schaffen - wenn auch nicht so stark wie in anderen Bundesländern. Laut dem bayerischen Landesamt für Statistik ist die Zahl der Bauernhöfe von rund 150 000 zur Jahrtausendwende auf heute rund 84 600 zurückgegangen - pro Jahr werden es durchschnittlich 0,8 Prozent weniger. Die Studierendenzahlen waren in den vergangenen Jahren ebenfalls rückläufig - eine nur folgerichtige Entwicklung, wie Kohnert anmerkt.

Gleichzeitig sind die Anforderungen an Landwirte in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Herausforderungen wie der Klimawandel, neue gesetzliche Vorgaben, die fortschreitende Digitalisierung oder das gewachsene Bewusstsein für Umweltschutz und Tierwohl führten Kohnert zufolge dazu, dass die Landwirtschaft "nicht einfacher, sondern komplexer" werde. "Ein Landwirt ist heute kein purer Lebensmittelproduzent mehr. Er hat einen Betrieb, den er führen muss, wie ein normaler Unternehmer", sagt sie. So werde die in Holzkirchen angebotene Weiterbildung immer bedeutsamer - auch, um die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. Die Schule soll die Absolventen dazu befähigen, mit dem höheren Anforderungsprofil umzugehen und die Landwirtschaft mit eigenen, neuartigen Ideen weiterzuentwickeln: "Wir wollen den angehenden Landwirten das nötige Werkzeug in die Hand geben", sagt Kohnert dazu.

Einer, der sich für das im Januar startende Semester angemeldet hat, ist der 23-jährige Jakob Köglsperger aus Egling. Nach dem Abschluss seiner Lehre absolvierte er sein Praxisjahr im Landkreis Mühldorf, und beginnt nun an der Schule. Seine Familie betreibt einen eigenen Bio-Milchviehbetrieb, den Jakob und seine Geschwister mittelfristig übernehmen sollen. "Mein Vater wartet nur darauf, dass wir Jungen übernehmen und er einen Gang zurückschalten kann", sagt er lachend. Er möchte sich in der Schule weitere Kenntnisse zum Thema Betriebsführung aneignen und mehr über die wirtschaftlichen Aspekte der Landwirtschaft lernen.

Die Bürokratie und der Klimawandel seien die größten Herausforderungen

Die Landwirtschaftsschule schon hinter sich hat die 24-jährige Dietramszellerin Maria Thalhammer. Nachdem sie zunächst eine Lehre zur Friseurin absolvierte, kam sie zur Landwirtschaft. Anfang des Jahres hat sie ihre Weiterbildung in Holzkirchen abgeschlossen. Auch für Thalhammer waren die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, welche in der Schule vermittelt wurden, besonders interessant. Wirtschaftliches Denken und ein Gefühl für Preisschwankungen seien ihr zufolge für heutige Landwirte essenziell - beispielsweise bei der Preisgestaltung für die eigenen Produkte: "Man muss heute schon wissen, wie man die Preise für das nächste Jahr ansetzt, sonst funktioniert es wirtschaftlich einfach nicht", sagt sie. Aktuell steht sie kurz vor ihrer Meisterprüfung, und auch sie soll wie Jakob den Familienhof übernehmen.

Angesprochen auf die heutigen Herausforderungen der Landwirtschaft, steht für Köglsperger die wachsende Bürokratie an erster Stelle. So würden die Vorgaben immer zahlreicher, die Anträge immer umfangreicher und komplizierter. Die Absolventin Thalhammer wiederum sieht den Klimawandel als die größte Herausforderung für die Landwirtschaft. Auf immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie das Hagelgewitter Ende August könne sich ein Betrieb schlichtweg nicht komplett vorbereiten, meint sie.

Mit Blick auf die Zukunft der Schule zeigt sich Margarete Kohnert davon überzeugt, dass sich die Studierendenzahlen mittelfristig stabilisieren werden. Tatsächlich gehen diese nach einem Einbruch während der Corona-Jahre 2020 und 2021 wieder nach oben. Wie es mit der Landwirtschaft in Bayern insgesamt weitergeht, vermag Kohnert indes nicht zu sagen. Zu abhängig sei man von der globalen Entwicklung oder den gesetzlichen Vorgaben der EU und der deutschen Agrarpolitik. Sie hofft aber auf eine positive Entwicklung: "In Bayern wird Landwirtschaft mit Idealismus und familiärer Tradition gesehen" - und das soll auch so bleiben.

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