Der Kunstturm ist tot. Es lebe der Kunstturm. Bis vor Kurzem sah es so aus, als drohe das Gebäude am Schwankl-Eck in Wolfratshausen, das der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) mehr als zwei Jahre lang bespielt hatte, einer der vielen Leerstände der Altstadt zu werden. Das aber verhindern Eigentümer John Schille, Künstler Hamit Cordan und der ehemalige Vorsitzende des Vereins Lebendige Altstadt Wolfratshausen (LAW), Hans-Werner Kuhlmann. Nachdem der KIL die Miete nicht mehr aufbringen und daher schließen musste, "machen wir hier mit der Kunst weiter", sagt Schille. Drei Ausstellungen mit "sehr guten Künstlern" seien bis zu den Sommerferien gesichert. Und zum Auftakt gibt es einen Paukenschlag. Hamit Cordan hat mehr als 30 Kolleginnen und Kollegen eingeladen, die wie er beim berühmten Jürgen Reipka studiert haben. Auch von ihrem Professor wird in der Schau ein Werk zu sehen sein.
Die drei Männer, die den Turm mit neuem Leben füllen wollen, verbindet der Wunsch, in Wolfratshausen eine Stätte für Kunst zu erhalten. Kuhlmann, der früher für den LAW die Kunstmeile initiiert hatte, sagt, er habe von jeher einen solchen Ort gesucht. "Ich habe andere Städte immer beneidet." Als der KIL mit den Ausstellungen am Schwankl-Eck begann, sei er so euphorisch gewesen, dass er dem Verein beigetreten sei, um das Projekt finanziell mit zu unterstützen. Schille wiederum erinnert an die Zeit, als seine Mutter Ursula Schille-Schwankl noch die Buchhandlung in dem Gebäude hatte und immer wieder auch Ausstellungen zeigte. Vor zwölf Jahren gab Schille-Schwankl unter dem starken Konkurrenzdruck der damals neu etablierten Buchhandlung Rupprecht in der Marktstraße auf.
Wie sie ihr Projekt genau finanzieren, verraten die drei Kunstturm-Wiederbeleber nicht. Cordan allerdings betont den Anteil der Eigentümer: "Die Familie Schille macht hier ein großzügiges Angebot für die Stadt." Mit den Ausstellungen, die er kuratiert, verfolgt der Künstler aber auch ein materielles Konzept. So sei in der ersten Schau nicht nur künstlerisch "für jeden Geschmack etwas dabei". Er habe auch darauf geachtet, dass das Spektrum der Preise umfassend sei: konkret von 160 bis 10 000 Euro. Cordan sagt: "Kunst muss man nicht haben. Aber ohne sie stirbt die Seele irgendwann."
Kuhlmann ist stolz darauf, dass der Kunstturm mit einer so prominenten Schar von Künstlerinnen und Künstlern beginnen kann. Das sei "eine irre Geschichte" , sagt er. Cordan winkt ab: Es werde noch besser werden. Wer allerdings die folgenden beiden Ausstellungen bestreitet - auch dies geben die drei noch nicht preis. Kuhlmann stapelt freilich nicht gerade tief: "Wir wollen hier einen Kunst-Hotspot schaffen."
Der Kunstturm umfasst 170 Quadratmeter, die sich in Split-Level-Architektur über vier Halbgeschosse erstrecken. Er bietet damit nicht nur viel Platz für Kunst, sondern eröffnet auch, je nach Standort des Betrachtenden, reizvolle Perspektiven. Dies hat sich schon in den KIL-Ausstellungen gezeigt. Zwei Künstler, deren Werke nun in der Reipka-Gemeinschaftsschau zu sehen sein werden, hatten hier zu KIL-Zeiten bereits Einzelausstellungen: Hamit Cordan selbst und sein früherer Kommilitone Darko Lesjak. Der eine mit Ölgemälden und kolorierten Tiefdrucken auf Büttenpapier, der andere mit einer individuellen Art der Hinterglasmalerei, von ihm als "Fluidmatrix" bezeichnet. Cordan lebt uns arbeitet in Wolfratshausen in der Weidachmühle.
Jürgen Reipka (1936-2013) war von 1973 bis 1976 Professor der Akademie der Bildenden Künste München und dann bis 1979 deren Präsident. Er ist international renommiert, in staatlichen Sammlungen präsent, und auch der Wolfratshauser Ehrenbürger Edmund Stoiber hatte einst in seinem Ministerpräsidenten-Büro in der Staatskanzlei eine Reipka-Monotypie an der Wand. Besonders bekannt ist ein Reipka-Werk im öffentlichen Raum: der Fries, den er für den U-Bahnhof Münchner Freiheit gestaltet hat, 24 Meter lang, in den Farben der Stadt München Schwarz und Gold, außerdem Blau, der Leitfarbe der U-Bahn-Linie U6, und Weiß (entsprechend der Schrift im blauen Feld). Die abstrakten Strukturen, so heißt es, assoziieren Röhren, Gleise, Verzweigungen, Bündelung und Geschwindigkeit.
Ausdrücklich laden die Träger des neuen Kunstturms Kunstschaffende, die gern am Schwankl-Eck ausstellen möchten, dazu ein, sich zu melden, per E-Mail an schwankl-eck@cts-wor.de