Gesundheitspolitik auf Kreisebene:"Meine große Sorge ist, dass Betten abgebaut werden"

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Ingo Kühn ist und bleibt auf absehbare Zeit Klinik-Geschäftsführer. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wolfratshauser Klinik-Geschäftsführer Ingo Kühn wagt noch keine abschließende Beurteilung der geplanten Reform, äußert sich aber skeptisch. Der Landkreis hat gerade Kühns Vertrag um fünf Jahre verlängert.

Von Felicitas Amler und Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Die Kreisklinik Wolfratshausen ist eine der bedeutendsten Aufgaben und Leistungen des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen. Sie ist eines der wenigen Krankenhäuser in Bayern, die noch in kommunaler Hand sind. Nun hat der Aufsichtsrat den Vertrag des Geschäftsführers Ingo Kühn, der aktuell bis Ende 2024 läuft, vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Kühn habe das Angebot dankend angenommen, so die Pressestelle des Landratsamts.

Landrat Josef Niedermaier (FW) würdigt den Geschäftsführer: Dieser habe zusammen mit dem Direktorium dem Aufsichtsrat ein Konzept zur Positionierung der Klinik vorgelegt. Er und die Kreisklinik seien mit der Umsetzung beauftragt worden. Um deren Kontinuität zu gewährleisten, sei Kühns Vertrag verlängert worden. Dies zeuge, so der Landrat, "von Vertrauen in die Arbeit des Geschäftsführers und in die Fähigkeit, den Gesundheitsstandort Wolfratshausen auch bei sich wandelnden Rahmenbedingungen langfristig zu stärken".

"Die Inflation ist deutlich spürbar."

Viele Krankenhäuser straucheln derzeit, weil die Ausgaben durch Inflation, höhere Tarife und Energieteuerung deutlich gestiegen sind, die Einnahmen das aber nicht auffangen. So mussten beispielswiese die Rotkreuzkliniken in München und Wertheim Insolvenz anmelden. Auch an der Wolfratshauser Kreisklinik ist dieses Defizit spürbar, wie Kühn berichtet. Dabei fielen "die Betriebskosten wie Strom und Gas im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich ins Gewicht", erklärt er. Die Kreisklinik habe langfristige Verträge mit den Versorgern geschlossen, die erst Ende 2024 ausliefen, die Energiekosten machten derzeit nur etwa ein Prozent der Gesamtaufwendungen aus. "Die Inflation, aber auch die gestiegenen Tarifabschlüsse sind hingegen deutlich spürbar."

Seit Kriegsausbruch in der Ukraine hätten sich "die Preise bei bestimmten Produkten verdreifacht", so der Geschäftsführer. Der sogenannte Orientierungswert, also die durchschnittliche jährliche Kostenänderung für Krankenhäuser, liege 2023 bei 6,95 Prozent. Im Vergleich habe der sogenannte Landesbasisfallwert, um den die stationären Erlöse steigen, für Bayern jedoch nur um 4,42 Prozent zugenommen. Die Mehrkosten müssten die Kliniken tragen, sagt Kühn. "Hintergrund ist, dass sich die Krankenhäuser in einem sehr regulierten Markt bewegen, dadurch können wir die Preise nicht beliebig anheben, sondern müssen mit den Vorgaben leben."

Blick in die Intensivstation der Kreisklinik mit Pfleger Alen Petrovic während der Corona-Pandemie. (Foto: Hartmut Pöstges)

Den Bürgschaftsrahmen für die Kreisklinik hat der Kreistag per Beschluss erst kürzlich von 1,25 auf 5,5 Millionen Euro angehoben. Dies hatte laut Kühn den Grund, dass die Klinik bei den Pflegepersonalkosten in Vorleistung gehe. "Krankenhäuser bekommen fast alle Pflegepersonalkosten über die Krankenkassen ersetzt", erklärt er. Die Erstattung erfolge jedoch "sehr zeitverzögert", so dass man in Vorleistung gehen müsse. "Insofern gehen wir weiter davon aus, dass auch andere Kostensteigerungen mit diesem Bürgschaftsrahmen abgefangen werden können." Die Erhöhung des Bürgschaftsrahmens sei von der Regierung von Oberbayern jedoch nur bis Ende 2024 bewilligt worden. Wie man danach mit der anhaltenden Schere zwischen Kosten und Erlös verfahre, "wird derzeit mit dem Träger diskutiert".

Valide Planungen nur kurzfristig

2022 hat die Kreisklinik mit einem Gesamtdefizit von 1,3 Millionen Euro abgeschlossen. "Aufgrund von Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst und bei den Ärzten, der anhaltenden Inflation und so weiter wird sich das Jahresergebnis 2023 planmäßig verschlechtern", weiß Kühn. Derzeit sei er mit dem Wirtschaftsplan für 2024 beschäftigt. Diesen verlässlich aufzustellen, sei schon herausfordernd genug. "Valide Zukunftsplanungen über das Jahr 2024 zu treffen" sei hingegen "nicht seriös". Schließlich seien die Auswirkungen von Inflation, Tarifsteigerung und der angestrebten Krankenhausreform nicht absehbar.

Diese soll nach derzeitigem Plan der Bundesregierung Anfang 2024 in Kraft treten und die bisherigen Fallpauschalen mit Vorhaltepauschalen ablösen, vorher muss dies aber noch durch den Bundesrat. Die Kliniken bekämen mit der Reform, so steht es in der Zusammenfassung des Bundesgesundheitsministeriums, "eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten". Das Vorhaltebudget soll aber wiederum, so steht es in dem Eckpunktepapier, auf das sich Bund und Länder im Juli geeinigt haben, aufgrund der Leistungsgruppe errechnet werden, in die das jeweilige Krankenhaus "nach seiner bisherigen Fallzahl und Fallschwere" vom Land eingeteilt wird.

Kritik der Asklepios-Klinik an der Reform

Die angekündigte Reform weckt bei kleineren Häusern auf dem Land Befürchtungen. In einer Diskussionsrunde diesen Sommer hat etwa der Geschäftsführer der Asklepios-Stadtklinik Bad Tölz, Felix Rauschek, die Frage aufgeworfen, was man mit den Abteilungen mache, die die Anforderungen nicht erfüllen. "Das ist ein akutes, emotional und ökonomisch schmerzhaftes Thema." Das "umfangreiche Behandlungsspektrum mit zahlreichen Spezialisierungen", die seine Klinik anbiete, gehe weit über die Regelversorgung hinaus, wäre aber mit der Reform nicht mehr möglich.

Auch die Kreisklinik hat angesichts der bislang gängigen Vergütung über Fallpauschalen einige kleine, hochspezialisierte Abteilungen mit Fachleuten aufgebaut, etwa das sogenannte Weaning für die Entwöhnung von Langzeit-Beatmungspatienten oder die Akutgeriatrie. Kühn will aber über mögliche Auswirkungen der geplanten Reform auf das Behandlungsspektrum nicht spekulieren. Zwar verstehe er "die damit verbundene Ungeduld" sehr gut, sagt der Geschäftsführer. "Dennoch lässt sich insgesamt feststellen, dass sich derzeit die Wirkungen nicht seriös abschätzen lassen." Es bestehe das Risiko, dass die Bürokratie wachse, die finanziellen Regelungen und ein Zeitplan seien bislang jedoch unklar. "Aus den genannten Gründen verfolgen wir unsere beschlossene Strategie durch den Aufsichtsrat weiter", erklärt Kühn. "Sobald die Krankenhausreform konkrete, belastbare Formen annimmt, werden wir die Auswirkungen auf die Kreisklinik genau ermitteln und unsere eingeschlagene Strategie wird gegebenenfalls überarbeitet. Jetzt ist es noch zu früh."

Insgesamt hoff Kühn, dass die geplante Reform "die regionalen Besonderheiten" wie Infrastruktur, Bevölkerungsdichte und -entwicklung und auch "die ambulanten vorhandenen Strukturen" berücksichtige. "Meine große Sorge ist, dass die Strukturen nun verschlankt und Betten abgebaut werden und wir in wenigen Jahren feststellen, dass die Kapazitäten nicht mehr ausreichend sind und teuer aufgebaut werden müssen."

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