Freizeit am Walchensee:Wikingerdorf soll schrumpfen statt schwinden

Lesezeit: 3 min

Im Kochler Gemeinderat ist ein Streit ausgebrochen, wie es mit dem Filmkulissendorf "Flake" am Walchensee weitergehen soll. (Foto: Manfred Neubauer)

Die aufgeheizte Diskussion im Kochler Gemeinderat zeigt: Es geht bei "Flake" um mehr als um fünf Hütten, die einst als Filmkulisse dienten.

Von Petra Schneider, Kochel am See

Das marode Wikingerdorf "Flake" in Walchensee schlägt hohe Wellen. Die stürmische Diskussion am Dienstag im Kochler Gemeinderat wirkte stellenweise wie eine Posse, bei der der schreckliche Sven das Drehbuch geschrieben haben könnte. Denn es scheint längst nicht nur um fünf morsche Hütten zu gehen: Ein Riss geht durch die Gemeinde, zwischen dem Hauptort Kochel und dem Ortsteil Walchensee mit seinen knapp 480 Einwohner, die sich offenbar nicht ernst genommen fühlen. Dass das Wikingerdorf zum Politikum geworden ist, zeigte sich in der Sitzung, zu der etwa 35 Zuhörer gekommen waren. Das Ende vorweg: Flake wird nicht komplett abgerissen, so wie das die Unterzeichner eines offenen Briefs gefordert hatten. Vielmehr will man einen Teil erhalten und auf Basis des Konzepts, das der Verkehrsverein im März vorgelegt hat, Details ausarbeiten. Demnach sollen ein bis zwei Hütten sowie Schnitzwerke und Wikingermotive bleiben, die in ein "Familienbad" mit barrierefreiem Zugang integriert werden könnten. Auch die Zahlen für eine Sanierung liegen nun vor. So müssten für die Ertüchtigung von drei Hütten insgesamt 78 540 Euro brutto investiert werden, die Kosten je Hütte liegen also bei rund 26 200 Euro. Ein kompletter Rückbau des Hüttendorfs würde die Gemeinde zwischen 11 700 Euro und 15 400 Euro kosten.

In einem offenen Brief und einer Unterschriftenliste, die am 16. Juni eingegangen war, hatten Walchenseer Bürger für einen vollständigen Abbruch von Flake plädiert. Wie viele Unterschriften aber tatsächlich gezählt werden dürfen, bereits darüber gab es Streit: Bürgermeister Thomas Holz (CSU) wollte die Zahl von 318 nicht gelten lassen, weil nur 237 davon tatsächlich in der Gemeinde Kochel gemeldet sind. Urlauber oder Auswärtige seien nicht stimmberechtigt, erklärte Holz in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Die beiden Mitinitiatoren der Unterschriftenaktion, die Walchenseer Gemeinderäte Reinhard Dollrieß und Frank Sommerschuh (beide FW) wiederum wollten das nicht gelten lassen: Es habe sich nicht um eine Abstimmung gehandelt, sondern um eine Befragung. "Das ist Basisdemokratie", sagte Dollrieß, man brauche nicht die Genehmigung der Gemeinde, um eine Unterschriftenaktion zu starten.

Wickie-Regisseur Michael "Bully" Herbig hatte die Hütten der Gemeinde kostenfrei überlassen

Aus Sicht der Initiatoren ist das Votum der Befragung eindeutig. Denn rund 95 Prozent hätten sich gegen den Fortbestand des Wikingerdorfs ausgesprochen, das seit 14 Jahren auf einem Gelände zwischen Surferwiese und Wasserwacht in Walchensee steht und der Gemeinde von Wickie-Regisseur Michael "Bully" Herbig kostenlos überlassen wurde. Der Werbeeffekt von "Flake" habe sich abgenützt, sagte Dollrieß. Die Walchenseer wollten lieber einen Badestrand als ein Hüttendorf, das teuer saniert werden müsste.

Im Gemeinderat mussten sich die beiden Walchenseer Vertreter schwere Vorwürfe anhören: Der Umwelt- und Tourismusausschuss habe sich doch im Beisein von Sommerschuh und Dollrieß bereits auf einen Teilerhalt verständigt, auch sei bekannt gewesen, dass der Verkehrsverein ein Konzept in diese Richtung erarbeite. Trotzdem sei die Unterschriftenaktion gestartet worden, ohne vorher Kontakt zu Verwaltung oder Verkehrsverein aufzunehmen. Den Bürgern seien bei der Umfrage dann mutmaßlich nur zwei Optionen vorgestellt worden, kritisierte Bürgermeister Holz: Komplettentfernung oder eine Sanierung für 150 000 Euro. Dabei sei allen Mitglieder des Gemeinderats klar gewesen, dass die im Haushalt eingestellte Summe keinerlei Festlegung auf die tatsächliche Investition bedeute.

"Seit Tagen Brechreiz!"

Die Vorgehensweise der Walchenseer Kollegen "verursacht seit Tagen Brechreiz bei mir", schimpfte auch Max Leutenbauer (CSU). Das sei ein Vertrauensverlust, und erhärte den Eindruck, dass seit einiger Zeit versucht werde, "ein Keil zwischen Kochel und Walchensee zu treiben." Es sei "schlechter Stil", dass man von einer Unterschriftenaktion aus der Zeitung erfahre, kritisierte Johann Resenberger (CSU). Man sei doch eine Gemeinde, sagte Jens Müller (UWK). "Und der Tourismus betrifft die Gesamtgemeinde." Wenn Tourismusleiter Daniel Weickel für "Flake" plädiere, dann sei das nicht nur eine Sache der Walchenseer.

Das Kulissen-Wikingerdorf am Walchensee steht seit 14 Jahren auf einem Gelände zwischen Surferwiese und Wasserwacht. (Foto: Manfred Neubauer)

Holz hatte zuvor Zahlen präsentiert, die die touristische Bedeutung des für Besucher kostenlosen Angebots verdeutlichen sollten. Demnach habe in den Monaten Januar bis Juni 2023, als das Wikingerdorf wegen Mängel an der Statik bereits geschlossen war, die durchschnittliche Bewertung bei 4,0 von fünf gelegen. Es habe 14 423 Suchanfragen gegeben und fast 35 800 Aufrufe des Profils. Die angespannte Atmosphäre in der Gemeinde hatte auch ein Gespräch zwischen Bürgermeister, den Initiatoren der Unterschriftenaktion und Vertretern des Verkehrsvereins Ende Juni nicht dauerhaft lösen können: In einem neuerlichen Brief, der in Walchensee verteilt worden war, hatten sich die Initiatoren einige Tage nach dem Gespräch, beschwert. Die Argumente, mit denen die Meinungen der Walchenseer weitergeben werden sollten, seien "auf wenig Verständnis gestoßen", hieß es. Stattdessen habe man sich "viele Vorwürfe" anhören müssen.

Mehrheit stimmt für Konzept des Verkehrsvereins

Der Antrag von Dollrieß und Sommerschuh, "Flake" vollständig abzureißen, wurde schließlich von allen anderen Gemeinderäten abgelehnt. Für den Beschlussvorschlag, wonach ein Teil von "Flake" auf Basis des Konzepts des Verkehrsvereins erhalten bleiben soll, lehnte nur Sommerschuh ab. Dollrieß stimmte dafür - nachdem Holz zuvor die Zahl der Unterzeichner des offenen Briefs von 237 auf 318 geändert hatte.

Der Filmregisseur Michael "Bully" Herbig hatte es einst für seinen "Wickie"-Film bauen lassen und der Gemeinde überlassen. (Foto: Manfred Neuabuer)
© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kochel am See
:Marodes Wikingerdorf

Wegen Mängeln an der Statik ist das Filmkulissendorf "Flake" am Walchensee geschlossen. Wann und in welchem Umfang es wieder öffnet, ist unklar.

Von Petra Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: