Kochel am See:Denkmal mit Löchern

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Seit Samstagvormittag klaffen im Verstärkeramt in Kochel am See drei große Löcher. Eine Baufirma hat an dem eigentlich denkmalgeschützten Gebäude mit den Vorbereitungen für die Abrissarbeiten begonnen. (Foto: Manfred Neubauer)

Trotz einer laufenden Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof hat in Kochel der Abbruch des Verstärkeramts begonnen. Abrissgegner stellen deshalb Strafanzeige gegen Bürgermeister Thomas Holz

Von Florian Zick, Kochel am See

Kritiker sprechen von einer "Nacht-und-Nebel-Aktion", einem "Akt der Barbarei" und "kunsthistorischem Banausentum": In Kochel am See hat am Wochenende der Abriss des ehemaligen Verstärkeramts begonnen. Auf der Südseite des denkmalgeschützten Gebäudes ließ Bürgermeister Thomas Holz (CSU) am Samstag in der Früh von einem Bauunternehmen die Einfriedung niederreißen und mehrere große Löcher in die Fassade schlagen. Und das, obwohl zu dem Bauprojekt immer noch eine Klage vor dem Bayerische Verfassungsgerichtshof läuft.

Der Bürgermeister habe auf diese Weise mit dem Bagger Fakten geschaffen, klagen lokale SPD-Vertreter. Das technikgeschichtlich wertvolle Gebäude aus der Postbauschule sei so zerstört, dass ein vollständiger Abriss nun kaum mehr zu vermeiden sei, sagt Sebastian Salvamoser der Vorsitzende des Kochler Ortsvereins. Salvamoser findet vor allem den Zeitpunkt des Abrissbeginns irritierend. Nach offiziellen Aussagen der Gemeinde sei der Abriss bislang nämlich frühestens für März nächsten Jahres geplant gewesen. Der Bürgermeister habe sich die Corona-Krise nun auf "höchst undemokratische" Weise zunutze gemacht, um die Gegner des Abrisses vor vollendete Tatsachen zu stellen. Schließlich könne man unter den aktuellen Bedingungen kaum Unterschriften gegen den Abriss sammeln oder auch nur Informationsveranstaltungen abhalten.

Auch Heiko Folkerts ist schockiert. Der Weilheimer Architekt setzt sich schon länger für den Erhalt des Verstärkeramts ein. Auf den jetzt begonnenen Abriss, "da waren wir überhaupt nicht darauf vorbereitet", so Folkerts. Er sei "kein Denkmalfanatiker", sagt er. Aber es gebe in Bayern nur wenige so hochrangige Baudenkmäler wie den ehemaligen Behördensitz in Kochel. Dass sich an einem Gebäude einfach mal unangekündigt die Baufahrzeuge zu schaffen machten, das sei "die übliche Vorgehensweise von zwielichtigen Leuten aus der Immobilienbranche, eigentlich aber nicht von einem Bürgermeister", sagt Folkerts. Dass das Verstärkeramt nun durchlöchert ist, sei jedenfalls ein "riesiger Denkmalskandal".

Folkerts hat deshalb gleich am Samstag noch Strafanzeige gegen Bürgermeister Thomas Holz gestellt - wegen mutwilliger Zerstörung eines hochrangigen bayerischen Baudenkmals und Verstoßes gegen das Bayerische Denkmalschutzgesetz. Folkerts will per einstweiliger Verfügung zudem so schnell wie möglich einen Baustopp erzwingen. Denn den jetzigen Schaden könne man vielleicht noch reparieren, erklärt er. Aber sobald zum Beispiel das Treppenhaus herausgerissen werde, sei das Denkmal nicht mehr zu retten.

Architekt Heiko Folkerts (rechts) hat Kochels Bürgermeister Thomas Holz wegen mutwilliger Zerstörung eines Denkmals angezeigt. (Foto: Hartmut Pöstges/Privat)

Die Gemeinde bestätigt am Sonntag, dass es sich bei den Arbeiten vom Wochenende tatsächlich um die Vorbereitung der Entkernung gehandelt hat. In den nächsten vier bis fünf Monaten sollen zunächst Türen, Fenster und Böden entfernt werden, dann sollen auch die Mauern abgerissen werden. Bürgermeister Thomas Holz beruft sich dabei auf eine gültige Abrisserlaubnis des Landratsamts. Die Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof richte sich nicht gegen diese Erlaubnis, sondern gegen den Bebauungsplan, den die Gemeinde für das Gelände aufgestellt habe. Und dass man seitens der Gemeinde für einen Abriss sei, "diese Pläne waren allen bekannt", so Holz.

Wo jetzt noch das Verstärkeramt steht, will die Gemeinde im Wesentlichen einen neuen Bauhof und 21 kommunale Wohnungen bauen. Weil das berechtigte Interessen seien, hatte das Landratsamt den Denkmalschutz hintan gestellt und den Abriss genehmigt. Der Architekt Folkerts reichte daraufhin eine Popularklage ein. Diese richte sich zwar in der Tat gegen den Bebauungsplan, sagt Folkerts - aber nur, weil das formal nicht anders gegangen sei. Das Ziel sei es natürlich gewesen, den Abriss des Verstärkeramts zu verhindern. Bürgermeister Holz habe sich diese juristische Feinheit zu nutze gemacht. "Er hat uns ausgetrickst", sagt Folkerts. Man könne aber nicht zulassen, findet er, dass auf diese Weise Denkmäler zunichte gemacht werden. Wenn das der Weg sei, mit dem Denkmalschutz umzugehen, sei so gut wie nichts mehr geschützt, sagt Folkerts. "Dann können wir die Bagger auch gleich in die nächste Kirche rollen lassen."

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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