Katholische Kirche:"Dieser Ruf, den ich von Gott geschenkt bekommen habe, hat nie aufgehört"

Lesezeit: 4 min

Josua Schwab ist einer der wenigen jungen Männer, die sich in Deutschland noch zum Priester weihen ließen. (Foto: Manfred Neubauer)

Josua Schwab wurde Anfang Juli zum Priester geweiht - in einer Zeit, in der immer mehr Menschen ihren Glauben zu verlieren scheinen. Im SZ-Interview erklärt der 33-Jährige, warum er sich dennoch in den Dienst der katholischen Kirche stellt.

Interview von Celine Chorus, Benediktbeuern

Junge Menschen wollen kaum noch Priester sein. Der Beruf scheint immer unbeliebter zu werden: Ließen sich vor 30 Jahren noch knapp 300 Männer deutschlandweit zum Priester weihen, waren es im Jahr 2022 nur noch 33. Ein neuer Tiefstand in der Geschichte der Bundesrepublik - und die wenigen, die übrig sind, haben es so schwer wie noch nie.

Einer von ihnen ist nun Josua Schwab. Anfang Juli erhielt er die Priesterweihe im Kloster Benediktbeuern, von Oktober an wird er die deutschsprachige Seelsorge in der Pfarrei St. Paul in Istanbul leiten. Warum wird man heute noch Priester? Darüber äußerte sich der 33-Jährige im Gespräch mit der SZ in der Jugendbildungsstätte der Salesianer Don Boscos.

SZ: Herr Schwab, wie haben Sie zur Kirche gefunden?

Josua Schwab: Ich bin in einer sehr lebendigen Pfarrei mit 40 Ministrantinnen und Ministranten aufgewachsen. Wir waren eine sehr junge, bunte und auch dynamische Gruppe. Als Kind habe ich den Glauben also als sehr lebendig erlebt. Mit zwölf Jahren hat mich dann erstmals die Frage beschäftigt, Priester zu werden. Mein vier Jahre älterer Bruder hatte damals seine erste Freundin und meinte, ich solle erst mal abwarten und in die Pubertät kommen. (lacht) Natürlich ging mein Weg nicht nur geradeaus, aber der rote Faden ist geblieben. Es hat mich nie in Ruhe gelassen.

Gab es im Laufe der Zeit auch Zweifel an Ihrer Entscheidung?

Ich habe mich mit vielen Fragen und auch Zweifeln konfrontiert. Gerade auch die Frage, ob ich einmal in einer Partnerschaft leben und eine Familie gründen möchte, hat mich ziemlich herausgefordert. Dieser Ruf, den ich von Gott geschenkt bekommen habe, hat aber nie aufgehört, und so ist in mir die Sehnsucht gewachsen, dem Ruf zu antworten.

Was gibt Ihnen der Glaube?

Als Kind hat mich an Jesus fasziniert, wie er auf Menschen zugeht. Er ist sehr inklusiv und will Menschen, die am Rande stehen, einbeziehen, indem er wiederholt Perspektiven öffnet und eine Botschaft verkündet, die die Menschen befreit. Es geht beim Glauben nicht darum, die Leute zu bekehren, sondern diese Botschaft authentisch zu leben, ihrer Spur zu folgen und an einer Welt mitzuarbeiten, die sozialer, gerechter und friedlicher ist. Es geht darum, die Ärmel hochzukrempeln, anzupacken und zu schauen, dass diese Botschaft hinausgetragen wird.

"Jegliche Form von Diskriminierung ist zu verurteilen."

Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Priester?

Wir haben unser ganzes Leben Gott geschenkt. Das heißt aber nicht, dass wir uns zurückziehen dürfen, sondern dass wir uns in den Dienst der Menschen, besonders der jungen Menschen stellen, die am Rande stehen und dort unterwegs sind. Ich habe lange als Streetworker in französischen Banlieues gearbeitet. In jenen Brennpunkten also, wo die jungen Menschen so perspektivlos sind, dass Autos brennen und mit Drogen gedealt wird. In diesen Vororten geht es nicht darum, die Menschen zu missionieren, sondern ansprechbar zu sein und gemeinsam mit ihnen Perspektiven zu öffnen. Das hat mich in meiner Entwicklung und auch in meinem Entschluss, Priester zu werden, sehr geprägt.

Als Streetworker will Josua Schwab jungen Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, eine Perspektive geben. (Foto: Manfred Neubauer)

Muss man sich für diese Entscheidung heute mehr rechtfertigen als früher?

Ich glaube, für die Menschen in meinem Umfeld, die mich schon sehr lange kennen und begleiten, ist sie sehr natürlich gewachsen. Ich habe nie Unverständnis erfahren oder mich vor ihnen rechtfertigen müssen. Unsere Gesellschaft ist so plural, dass auch ein Weg, den viele als exotisch wahrnehmen, mitgetragen wird.

Als Priester wollen Sie alle Menschen einbeziehen. Wie können Sie es dann mit sich vereinbaren, sich einer Kirche zu widmen, die homosexuelle Handlungen als unmoralisch verurteilt?

Jegliche Form von Diskriminierung ist zu verurteilen. Es kann und darf nicht sein, dass die katholische Kirche, die ein Zeichen für die Liebe Gottes ist, Menschen ausschließt, ins Abseits stellt und ihnen Leid zufügt. Ich bin in meiner Kritik an der Kirche sehr deutlich, aber sie ist trotz allem meine Heimat. Die Frage ist, welches Gesicht wir der Kirche geben. Ich bin der Überzeugung, dass sich in Sachen der Moral und auch der Sexualmoral einiges bewegen wird. Wenn wir uns Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit anschauen, kann es nicht sein, dass die Kirche im 21. Jahrhundert einen Bogen darum macht. Ich wünsche mir von ihr, dass sie kritisch mit Macht umgeht und Menschen, unabhängig ihrer Identität und ihrer Herkunft, einlädt, Gemeinschaft zu leben.

"Die Frustration ist manchmal schon sehr hoch."

Die Kirche wird auch für ihren Umgang mit sexuellem Missbrauch kritisiert. Wie ist es für Sie, immer auf Taten angesprochen zu werden, die Sie nicht begangen haben?

In mir herrscht eine große Wut darüber, wie Menschen, die sich in den Dienst Gottes gestellt haben, ihr Dasein so sehr pervertieren können. Das macht mich traurig. Genauso wie die Art und Weise, wie die Kirche viele Jahre mit den Vorwürfen umgegangen ist, mit welcher Unsensibilität sie auf die Strukturen reagiert hat, die mitverantwortlich waren, und wie sie versucht hat, die Taten zu vertuschen. Im Umgang mit Macht und in der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch muss und wird sich vieles bewegen.

Verzweifeln Sie manchmal daran, wie die Kirche agiert?

Die Frustration ist manchmal schon sehr hoch, aber bei all dem Leid, was durch die Kirche entstanden ist, darf sie nicht nur darauf reduziert werden. Die Kirche ist ein wertvoller Akteur, zum Beispiel, wenn es darum geht, in Regionen, in denen sich sonst niemand dafür einsetzt, für Menschenrechte zu kämpfen. Das soll in keiner Weise eine Entschuldigung sein. In der aktuellen Situation braucht die Kirche sehr viel Demut, aber sie darf sich nicht verschließen und in ihrem Problem-Karussell gefangen bleiben. Ich bin in dieser Hinsicht sehr zuversichtlich und glaube, dass unsere Welt die Kirche braucht - sonst wäre ich nicht Priester geworden.

Wie kann es gelingen, den Beruf des Priesters wieder attraktiver zu machen?

Ich glaube, die Frage ist eine andere: Wie kann die Botschaft Gottes in einer Gesellschaft, die von so viel Offenheit und gleichzeitig so viel Haltlosigkeit geprägt ist, zu einem Sauerteig werden? Die Kirche muss eine Sprache finden, die in unserer Welt, in der wir leben, verstanden wird. Die Sehnsucht nach Gott ist groß, und ich glaube, dass Jesus Christus und die Botschaft von der Liebe Gottes in unserer Welt mehr denn je gebraucht wird. Wenn der Glaube wächst, dann wächst auch die Zahl derer, die sich ganz dafür in Beschlag nehmen lassen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kirchen in Bayern
:Glocken mit brüchiger Stimme

Nach den beiden Weltkriegen griffen viele Pfarreien aus Mangel an Material und Geld nicht zu Bronze, sondern zu Ersatzstoffen, um das Geläute zu erneuern. Das ist mittlerweile ein Problem: Manche davon sind nicht so haltbar oder belasten die Hängekonstruktionen.

Von Benjamin Engel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: