In Wolfratshausen und Geretried:D' Leit amüsieren

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Die Loisachtaler Bauernbühne unterhält seit vier Jahrzehnten ihr Publikum mit Komödien und Singspielen. Zum verspäteten Jubiläum gibt es ein Stück, dessen Titel so gar nicht zu den Laienspielern passt

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Experimentierfreude steht beim Bauerntheater gewöhnlich nicht auf dem Programm. Die Loisachtaler Bauernbühne aber hat vor vier Jahren aus Personalnot etwas gewagt: Sie hat den Tod im "Brandner Kasper" mit einer Frau besetzt - und einen Publikumserfolg gelandet. Lisa Richter als Boandlkramerin wurde mit Extraapplaus belohnt. Wer hätte sich so eine Szenerie vor 41 Jahren ausgemalt, als die Laienspielgruppe gegründet wurde. Damals fing alles ganz brav mit dem Stück "Der ehrliche Lügner" von Josef A. Schuler an.

Natürlich wollte die Loisachtaler Bauernbühne voriges Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiern, doch das Jubiläum fiel coronabedingt aus. Nachdem der Pandemie auch das Starkbierfest, der Auftritt auf dem Flussfestival und das Herbststück geopfert werden mussten, spielen die engagierten Laien jetzt wieder. Das Stück heißt "Ma konns oafach koam recht macha!" - was natürlich in krassem Widerspruch zur Rolle der Bauernbühne in und um Wolfratshausen steht. Denn die macht's mit ihren Aufführungen einem breiten Publikum recht und findet mit ihren Singspielen zum Starkbieranstich gerade die richtige Balance zwischen frecher Kritik und deftigem Humor, um "d'Leit" zu amüsieren, ohne es sich mit der derbleckten Lokalpolitik zu verscherzen. Der Kulturpreis 2003 der Stadt Wolfratshausen zeugt davon.

Gabriele Rüth hat 1979 mit einer gereimten Anzeige in den Lokalblättern die Bühnengründung angestoßen. "Zum Theaterspuin suach ma Leit, und wer a Lust hot und a Freid, der meldt' si bei uns ganz schnell o, auf dass er recht boid kemma ko." Es kamen 13 Interessierte, unter ihnen Ludwig, genannt Wiggerl Gollwitzer, der in den folgenden 38 Jahren den Vorsitz der Loisachtaler Bauernbühne haben sollte. Die wurde am 20. Juli 1980 im "Humplbräu" förmlich gegründet. "Das war so die Zeit der Brettl", erinnert sich Gaby Rüth. Und so hätte der Verein auch geheißen, wenn es nach ihr gegangen wäre: Loisachtaler Brettl. Aber nach einigen Erwägungen - Isartaler oder Loisachtaler, Volksbühne oder Brettl - sei die Wahl eben auf "Bauernbühne" gefallen. "Und inzwischen haben wir uns damit einen Namen gemacht", sagt Gollwitzer. Auch wenn es anfangs "a bissl a Knistern" gegeben habe mit dem Trachtenverein "d'Loisachtaler", der die Bauernbühne gern zu einem anderen Namen bewogen hätte. Vergebens. Und wahrscheinlich weitgehend vergessen.

"Wir wurden immer mutiger"

Unvergesslich sind dagegen die Auftritte mit Stücken wie "Die g'mischte Sauna" oder "Die narrischen Weiber", denen Gaby Rüth und Hilde Schrall durch Einsprengsel örtlicher Politiker oder Geschäfte Lokalkolorit verliehen und deren Anfang oder Ende sie schon mal umschrieben. "Wir wurden da immer mutiger", sagt Rüth, die ihre Kriterien für die Beurteilung eines Stücks genau benennen kann. Es müsse Situationskomik haben und rhetorische Komik. Ihre Kollegin Schrall habe eine eigene Methode gehabt, Stücke zu beurteilen: "Sie hat sie ihrem Mann Sepp vorgelesen, und wenn der gelacht hat, war's gut."

Zu Beginn spielten die Loisachtaler in der Aula des Geretsrieder Schulzentrums, später wechselten sie in die Ratsstuben. An ihrem Heimatort Wolfratshausen wagten sie sich zunächst nicht in die Loisachhalle, in der damals - es waren die Zeiten vor dem verschärften Brandschutz - gut und gern 900 Zuschauer Platz fanden. "Vui z'groß!", habe er gedacht, sagt Gollwitzer. Doch Wolfratshausen hatte zu jener Zeit einen dynamischen Kulturamtschef. Peter Struzyna sei es gewesen, so erinnern sich Rüth und Gollwitzer erkennbar gern, der ihnen Mut gemacht habe, vor großem Publikum aufzutreten und der auch den Anstoß zum Derblecken gegeben habe: "Probiert's es!" So fing die Bauernbühne mit einem Stammtisch der "Vier Bierdimpfel" an, die über die Politik räsonierten: Gollwitzer, Fritz Rüth, Rudi Weller und Herbert Penzel. Nur zwanzig Minuten habe das beim ersten Mal gedauert, sagt Gollwitzer, aber die hätten es in sich gehabt. Denn die vier machten ihrem Rollennamen alle Ehre und tranken in der kurzen Zeit auf der Bühne jeder eine ganz Maß Starkbier aus. "Wir waren so blau", sagt Gollwitzer. "Heit scham i mi dafür."

Ludwig Gollwitzer und Gabriele Rüth haben vierzig Jahre Geschichte in Zeitzeugnissen vor sich ausgebreitet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das erste Singspiel ging 2002 im Zelt über die Bühne. Und Gaby Rüth, deren Autorenschaft über all die Jahre nie förmlich veröffentlicht wurde, gab der Sache zusehends mehr Konzept. Es sei einfacher, das Singspiel an einem Motto aufzuziehen, sagt sie, mal sei die Gruppe als Cowboys aufgetreten, mal als Werbeagentur. Und manchmal seien es gerade die Rollen mit dem wenigsten Text, die für die größten Brüller sorgten. Ein radebrechender Blumenverkäufer, der immer wieder mit "Wolle Rose kaufen" durch die Szene lief, oder einer mit Surfbrett, der ein ums andere Mal mit der Frage aufkreuzte: "Wo geht's denn hier zur Surfwelle?"

Auch die großartigen Bühnenbilder, die Max Prestel fertige, trügen erheblich zum Erfolg bei, sagen Rüth und Gollwitzer. Und nicht zu vergessen all die Gruppen, die gelegentlich dazugeholt wurden, von den Trachtlern über die Schützen bis zur Feuerwehr. So eine Großinszenierung mit Gebirgsschützen, Schuhplattlern, Jagdszenerie und Gstanzln gab es in den Neunzigern auf der Bergwaldbühne mit dem Brandner Kaspar. Eine Aufführung, die offenbar vielen lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Via Walkie-Talkie habe man damals dafür gesorgt, dass just in jenem Moment, als der Brandner (Raimund Conzem) die Tür öffnet und draußen der Tod (Wolfgang Roth) steht, die Totenglocke in der Dreifaltigkeitskapelle im Bergwald geläutet wurde. Dieses von fern her leise, aber eindringlich klingende "Glockerl", sagt Gollwitzer mit einem Schaudern im Unterton, sei nicht wenigen unvergesslich.

Genauso wird es wohl mit der ersten Boandlkramerin sein, die dem Brandner Kaspar begegnet ist. Er habe sich damals eigens bei der Witwe des Autors Kurt Wilhelm die Genehmigung besorgt, die Rolle mit einer Frau zu besetzten, sagt Gollwitzer. Ein gelungenes Experiment, das den Brettl-Spielern Mut zu neuen Ideen machen sollte. Wenn Corona sie lässt.

www.loisachtaler-bb.de

© SZ vom 28.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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