Im Hollerhaus in Irschenhausen:Die Poesie des Angeschrammten

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"Maison Rouge" ist ein typisches Petra-Jakob-Motiv: ein Haus, dem man die Jahre ansieht, das liebt die Künstlerin und arbeitet es mit Aquarell, zeichnerisch und digital heraus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Petra Jakob präsentiert sich im Hollerhaus als köstliche Illustratorin und Schöpferin einer ganz eigenen Kunsttechnik.

Von Felicitas Amler, Icking

Petra Jakob hat reichlich Fantasie - und sie kann ihre wunderbar verrückten Ideen auch noch mit einer ordentlichen Portion Humor in Bilder umsetzen. Es sind zwar optisch nicht die ersten Eindrücke in der aktuellen Ausstellung der Ickinger Künstlerin im Hollerhaus, aber umso deutlicher sei darauf hingewiesen, dass es sich lohnt, in den Werken auf dem seitlichen Büchertisch zu blättern. "Einmal Tiger und zurück" etwa ist die märchenhafte Metamorphose eines Zirkustigers in die absonderlichsten Tiere. Hier zeigt sich Petra Jakob nicht nur als perfekte Illustratorin, sondern auch als witzige Dichterin mit Gespür fürs richtige Versmaß.

Petra Jakob: "Einmal Tiger und zurück". (Foto: Felicitas Amler/oh)
Fantastisch: die Krähe blättert ihre Federn als Buch auf. (Foto: Felicitas Amler/oh)

Und - kaum zu glauben - beides, das Zeichnen und das Dichten, hat sie sich selbst beigebracht, ganz ohne Akademie oder sonstige Kunstschulen. Die 72-Jährige lacht, wenn man sie fragt, wie ihr künstlerischer Weg begonnen habe: "Der Einstieg war eine Missetat." Nämlich jene eines kleinen Mädchens, das mit der Nagelschere Häuschen in die lackierten Möbel der Eltern ritzte. "Häuschen mit Perspektive", wie Jakob betont, denn die habe sie schon früh entdeckt. Die erste ernsthafte Ausstellung sei dann 1988 just im Hollerhaus zu sehen gewesen, auf Einladung von Ingrid Lepsius, der damaligen Besitzerin des zur Galerie umgewandelten Bauernhauses.

Seitdem hat Petra Jakob an vielen Orten ausgestellt, die Liste reicht von Berg bis Ottobrunn, von Wolfratshausen bis München, von Trudering bis Gilching. Über die Jahre hat sie sich selbst von der Glasmalerin zur Kostüm- und Bühnengestalterin für Ballett und Tanztheater weiterentwickelt, von der Malerin und Zeichnerin zur Erfinderin einer ganz eigenen künstlerischen Technik. Diese "Photomorphosen" haben nun auch der aktuellen Ausstellung im Hollerhaus den Titel gegeben.

"Angeschrammte" Häuser haben es der Künstlerin angetan. Hier eine Photomorphose mit dem Titel "Mauer-Werk Glurns". (Foto: Petra Jakob/oh)

Die Künstlerin betont, sie sehe sich nicht als Fotografin. Vielmehr nehme sie ihre Motive mit dem Smartphone auf, das ausreichend Brillanz liefere, und auf gute Auflösung komme es ihr ohnehin nicht an. Die Fotos bearbeitet sie mit Zeichenstift und Aquarellfarben und schafft am Ende eine "digitale Collage", wie sie es nennt. Auf Pergament gedruckt und auf Holz aufgezogen präsentieren sich die Werke wie weichgezeichnet. "Unsere Welt ist so wahnsinnig bunt und laut", sagt Petra Jakob, "so starke Farben vertrage ich nicht."

Dagegen liebt sie das Alte und ein wenig Heruntergekommene, alles, was "schon gelebt" hat. "Angeschrammte Häuser" sind eines ihrer Lieblingsmotive. Und unter ihrer Bearbeitung entwickeln diese Häuser eine rätselhafte Anziehungskraft, den Charme des Morbiden. Zu gern würde man durch die Fenster sehen und die Türen öffnen, um zu erfahren, ob sich dahinter noch etwas verbirgt. Petra Jakob sieht aber auch außen schon genug: "Jede Wand ist ein Kunstwerk für sich", sagt sie. Je intensiver man das Gemäuer betrachte, umso deutlicher erkenne man das.

Fantasievoll, spielerisch, humoristisch - das ist die eine Seite der Künstlerin Petra Jakob. Auf der anderen zeigt sie eine tiefe Bestürzung über die Zeitläufte. "Mir geht's gut", sagt sie, "ich lebe in der schönsten Gemeinde, kenne die liebsten Menschen. Aber ringsum die Welt ist voller Bosheit, Krieg und Gemetzel." Sie hat dies in einem Cartoon "Im Auge des Sturms" ausgedrückt, der nicht in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. Da schwimmt eine Bikinischönheit auf einer quietschgelben Luftmatratze, neben sich eine Badeente, in der Hand einen rosafarbenen Cocktail, inmitten eines düsteren Strudels der Zerstörung: Männer mit Maschinengewehren im Anschlag, Kampfflugzeuge in der Luft, brennende Häuser, Ruinen.

"Quo vadis" ist nur auf den ersten Blick ein Ausdruck der Verzweiflung. Die Hoffnung zeigt sich in den ausscherenden Soldaten. (Foto: Petra Jakob/oh)

Was bleibt, ist "die Hoffnung, dass es einen Weg aus dem Krieg gibt, dass nicht alle in den Abgrund gehen". Dies hat sie in einer ihrer neuesten Photomorphosen dargestellt, die im Hollerhaus hängt. In einer Gletscherlandschaft marschiert eine lange Kolonne von Soldaten schier unablässig in eine dunkle Schlucht. Doch man muss genau hinsehen: Einige der Männer sind ausgeschert und drehen um. Man braucht in diesen Zeiten schon viel Fantasie, um sich das ausmalen zu können. Kunst kann es.

Petra Jakob: Photomorphosen, Hollerhaus, Neufahrner Weg 3, Irschenhausen, Vernissage am Samstag, 9. März, 17 Uhr; geöffnet Samstag und Sonntag 13 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung, Telefon 08178/4408; bis 24. März. Begleitprogramm: Samstag, 16. März, 20 Uhr: Jazzkonzert mit der Band Elevator und Präsentation des Films "Jazzfieber"; Sonntag, 17. März 19 Uhr: Noche Flamenca - mit der Tänzerin Montserrat Suárez, dem Jazzmusiker und Flamenco-Gitarristen Gonzalo Franco und dem aus Montevideo, Uruguay kommenden Komponisten und Gitarristen Lupo Danz. Für die Begleitveranstaltungen wird um telefonische Anmeldung unter 08178/4408 gebeten.

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