Hubert Aiwanger in Lenggries:"Lieber wir als die Piraten"

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Der Chef der Freien Wähler sähe seine Gruppierung gern im Bundestag und nennt Ziele für die kommende Landtagswahl. Landrat Josef Niedermaier weigert sich, ans Pult zu kommen - obwohl er auf der Rednerliste steht.

Petra Schneider

Ein Glück für Hubert Aiwanger, dass er am Mittwochabend eine Dreiviertelstunde zu spät nach Lenggries kam. Wäre der Chef der Freien Wähler in Bayern pünktlich gewesen, hätte er vor gerade mal 50 Zuhörern sprechen müssen, und die waren noch zum Großteil Parteifunktionäre. Bis zu seiner Ankunft aber hatte sich das 1300-Personen-Festzelt zur Hälfte gefüllt. Der einstündigen Rede folgten allerdings vor allem Gäste in den vordersten Reihen, während weiter hinten geratscht wurde.

Hubert Aiwanger (2.v.re.) mit dem Münsinger Bürgermeister Michael Grasl, Kreisrätin Susanne Merk und dem Landtagsabgeordneten Florian Streibl. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Vorwürfe von SPD und Grünen, die Freien Wähler seien auf einem rechtspopulistischen Kurs, haben Aiwanger nicht davon abgebracht: Auch in Lenggries trat er als Kritiker der deutschen Euro-Politik auf. Europa dürfe nicht dazu missbraucht werden, für die Fehler von Investmentbankern einzustehen, "die unser Geld in die Hosentasche schieben", sagte er. Dies kam im Festzelt gut an. Weniger dagegen die scharfe Kritik an der CSU - fürs Debakel mit der Landesbank und Großprojekte wie die dritte Münchner Flughafen-Startbahn.

Aiwanger kündigte an, die Freien Wähler wollten bei der Landtagswahl im kommenden Jahr die 15-Prozent-Marke knacken. Bayern brauche regionale Strukturen. "Es kann nicht sein, dass bei den Kleinen der Fliegendreck gezählt wird und bei den Großen niemand nachschaut", sagte er. Energiekonzerne dürften nicht bestimmen, wo Biogasanlagen gebaut würden. Der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) warf Aiwanger vor, sich auf die Seite von Großkonzernen zu stellen. Wenn die Milchquote abgeschafft werde, müssten sich Bauern auf freiwilliger Basis über Milchmengenbegrenzungen einigen, damit die Preise stabil blieben. Dazu sei staatliche Rückendeckung nötig.

Fehler hielt der Freie Wähler der CSU auch im Bereich Bildungspolitik vor. Das achtstufige Gymnasium (G 8) sei gescheitert, und man versuche nun über ein freiwilliges Intensivierungsjahr in der Mittelstufe ein "neunjähriges G 8" einzuführen. Aiwanger forderte bessere Bezahlung für Erzieher, mehr Lehrer, einen flächendeckenden Breitbandausbau, mehr Hausärzte auf dem Land und eine bessere finanzielle Ausstattung von Krankenhäusern. Die Freien Wähler wollten in die Bundespolitik, weil dort über Gesundheits,- Energie-, und Verkehrsfragen entschieden würde. "Statt den Piraten sollten lieber wir im Bundestag sitzen."

Zuvor hatte der Oberammergauer Landtagsabgeordnete Florian Streibl die Unabhängigkeit der Freien Wähler beschworen. "Lieber Hubert, wir lassen uns auch von dir nicht immer alles sagen." Politik brauche Diskussion und Bodenhaftung. "Denn gelebt und umgesetzt werden die Gesetze in den Kommunen." In Bezug auf die angekündigte Schließung der Schlehdorfer Mädchenrealschule übte Streibl indirekt Kritik am CSU-Landtagsabgeordneten Martin Bachhuber. "Wir arbeiten sachlich und hauen nicht so plump drauf wie andere."

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), der auf der Rednerliste stand, ging nicht ans Pult. Er sei in seiner Funktion als Landrat gekommen, sagte er. "Da gehört es sich nicht, dass ich mich bei einer Wahlkampfveranstaltung meiner Partei äußere." Dass er nicht immer auf einer Linie mit dem Landesvorsitzenden ist, sei nicht der Grund. Der Landrat steht einem bundesweiten FW-Engagement skeptisch gegenüber, ebenso der harschen Euro-Kritik Aiwangers. "Ich bin mit der Wirtschaftspolitik groß geworden und weiß, wie wichtig der Euro für die Exportnation Deutschland ist."

© SZ vom 17.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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