Schulpolitik:Friedliche Kommunikation im Zeichen der Giraffe

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Leitbild Giraffe: Das langhalsige Tier steht für friedliche Kommunikation, wie sie an der Karl-Lederer-Grundschule praktiziert wird. Und zwar von: Mediatorin Franziska Haas, Elternbeirätin Agnieszka Costina, Rektorin Elke Goymann, Mediatorin Tanja Schwarz und MZM-Leiterin Juliane Wünschmann (von links). (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Karl-Lederer-Grundschule in Geretsried muss ihre Mediation aus eigener Kraft retten, nachdem der städtische Sozialausschuss eine Erhöhung der Mittel um 4000 Euro abgelehnt hat.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Schulleiterin Elke Goymann sagt, sie sei "sehr überrascht und sehr getroffen" gewesen, aber eines war für sie klar: "Ich werde dieses Projekt nicht sterben lassen." Sie spricht von der Schulmediation, die an der Geretsrieder Karl-Lederer-Grundschule seit sieben Jahren etabliert ist. Die Hälfte der Kosten, die über all die Jahre unverändert waren, hat die Stadt Geretsried als freiwillige Leistung übernommen: jährlich 4000 Euro. Nun ist aber der Mediationszentrale München (MZM), von der die Mediatorinnen kommen, ein großer Sponsor weggebrochen. Daher hatte die Schule - genauso wie die Karl-Lederer-Grundschule und die Isardammschule - darum gebeten, dass die Stadt jeweils 8000 Euro Kosten übernimmt. Dies hat der Sozialausschuss des Stadtrats im November mehrheitlich abgelehnt.

Geretsried sei bisher immer äußerst großzügig und entgegenkommend gewesen, betont Goymann. Jugendsozialarbeit an der Schule, Lernförderung und ein FSJler (Freiwilliges Soziales Jahr) seien zum Beispiel mitfinanziert worden. "Und wir wurden vollständig digitalisiert." Umso mehr sei sie über die Ablehnung des erhöhten Zuschusses für Mediation erstaunt gewesen. Dabei gehe es um "einen essenziellen Bestandteil dieser Schule", so die Rektorin. Dies war aus der ausführlichen Sitzungsvorlage der im Rathaus für Familie, Soziales und Sport zuständigen Mitarbeiterin Kerstin Pratzel auch durchaus deutlich herauszulesen gewesen. Dennoch lautete der Beschlussvorschlag auf ebendieser Vorlage, die Mediation werde weiterhin mit 4000 Euro gefördert, aber: "Für die restlichen 4000 Euro soll die Schule beziehungsweise die Schulmediation andere Sponsoren finden."

Was bleibt den Schulen auch anderes übrig. Elke Goymann sagt, sie habe "alles zusammengekratzt", was sie als Reserve für andere Projekte wie Sozialtraining oder Mobbing-Intervention gehabt habe, um die Schulmediation bis zum nächsten Schuljahr abzusichern: "Auf Kosten von allen Extras", für die nun nichts mehr in der Kasse sei. Fürs nächste Schuljahr, das hat sie sich fest vorgenommen, möchte sie das Projekt möglichst persönlich im Stadtrat vorstellen. Das bietet auch Juliane Wünschmann, stellvertretende Leiterin der Mediationszentrale, an. "Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten", sagt sie rückblickend.

Versöhnt: Die beiden Kinder aus der ersten Klasse stellen symbolisch nach, wozu Mediation führt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zusammen mit den beiden Mediatorinnen Franziska Haas und Tanja Schwarz, die einmal pro Woche hierherkommen, könnte sie den Lokalpolitikern dann erläutern, warum Mediation an der Karl-Lederer-Schule mit ihren 486 Kindern, von denen 64 Prozent migrantische Wurzeln haben, so essenziell ist. Wünschmann nennt es "Friedensarbeit" und "eine gelebte Form von Demokratie". Goymann sagt, gerade jetzt, da die ganze Welt von Auseinandersetzungen und Kämpfen geprägt zu sein scheine, sei Konfliktlösung im Schulalltag unerlässlich. Für Kinder seien die Erfahrungen einer Mediation fundamental: "Wenn ich ein Problem habe, kann ich mir Hilfe holen. Wir setzen uns miteinander an einen Tisch. Und da ist meine Meinung wichtig - ich werde gehört und der andere auch." Überdies arbeite die Schulmediation systemisch, das heißt, wie die Kinder so werden im Einzelfall auch die Eltern und/oder Lehrerinnen einbezogen.

Die Rektorin sieht die Mediation eingebettet in das Leitbild ihrer Schule, das auf Vielfalt, Freude am Lernen, Persönlichkeitsbildung, Gemeinschaft, Demokratie und aktive verantwortungsbewusste Teilhabe in der Welt zielt. Dazu gehört auch die "Giraffensprache", die den Kindern hier von der ersten Klasse an beigebracht wird: gewaltfreie Kommunikation nach dem amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg. Eine Stoffgiraffe steht als Memento dafür in der Schule.

Goymanns Verweis auf die Konflikte dieser Welt ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Als sie Beispiele für Auseinandersetzungen in der Schule nennen soll, die eine Mediation erfordern, erzählt sie dies: Ein russisches Kind und ein ukrainisches Kind schlagen im Pausenhof wie wild aufeinander ein. Der eine wirft dem anderen vor, ein Mörder zu sein. Neben solchen Stellvertreterkonflikten gibt es an der Schule aber auch die "Klassiker", wie die Mediatorinnen sagen: Ein Mädchen aus der ersten Klasse klagt, die anderen ließen sie nie mitspielen. Die "anderen" sagen schlicht: Die nervt. Die Mediatorinnen geben dann allen Beteiligten Raum, sich zu erklären.

"Der Zugang führt immer über die Emotionen", sagt Wünschmann. "Wir machen sichtbar, was die Kinder fühlen - Wut oder Angst oder Traurigkeit." Es wird nichts bewertet. Die Lösung des Konflikts wird mit viel Geduld und Zeit in Gesprächen erarbeitet - von den Konfliktparteien selbst. Die Mediatorin gibt nichts vor. Sie ermöglicht etwas. "Selbstwirksamkeit" heißt das Zauberwort aus der Psychologie: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Und wo, so fragt Agnieszka Costina, sollte man damit anfangen, wenn nicht bei den Kindern? Auch die Elternbeiratsvorsitzende der Karl-Lederer-Grundschule will die Schulmediation auf jeden Fall erhalten.

Zusammen mit dem Förderverein der Schule macht sich Costina gerade auf die Suche nach Sponsoren. Sie müssten nicht um die Schulmediation bangen, wenn im Sozialausschuss mehr Stadträte den Antrag von Patrik Kohlert (Geretsrieder Liste) auf volle Kostenübernahme unterstützt hätten. Das taten aber nur Wolfgang Werner (SPD), Heidi Dodenhöft und Ann-Kathrin Güner (beide Freie Wähler). Dodenhöft, früher selbst Konrektorin an der Karl-Lederer-Grundschule, hatte noch gewarnt: Ohne die Unterstützung der Stadt drohe die Schulmediation zu Ende zu gehen.

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