Standort Geretsried:Harte Kritik an Gewerbesteuer-Erhöhung

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Die Pläne stoßen bei Unternehmerverbänden auf heftigen Widerstand. Die CSU-Mehrheit und Bürgermeister Michael Müller bekommen auch aus der eigenen Partei Gegenwind.

Von Konstantin Kaip, Geretsried

CSU und SPD wollen in Geretsried die Gewerbesteuer erhöhen, um in Zukunft investieren zu können. Nach dem Beschlussvorschlag, dem der Stadtrat noch zustimmen muss, soll der Hebesatz von 320 auf 380 Punkte steigen. Kämmerer Helge Balbiani rechnete am Dienstag im Finanzausschuss vor, dass die Stadt so schon in diesem Jahr 2,2 Millionen Euro mehr an Gewerbesteuern einnehmen könne. Die betroffenen Betriebe müssten im Schnitt 18 Prozent mehr zahlen. Unternehmervertreter sind empört über den Vorstoß von CSU und SPD. Selbst aus den Reihen der Union gibt es scharfe Kritik.

"Das ist das falsche Signal. Wir sehen die Wirtschaftsfreundlichkeit hier stark gefährdet", sagt Jochen Pelz vom Vorstand der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG) und kündigt "massiven Widerstand" für die kommenden Wochen an. "Auch wir sind dafür, dass die Steuerkraft der Kommune steigt", sagt Pelz für die Unternehmen, die er vertritt. "Wir befürchten aber, dass mit dieser drastischen Erhöhung das Gegenteil eintritt." Vielmehr laufe man so Gefahr, dass sich größere Unternehmen aus Geretsried zurückziehen, und eine Neuansiedlung von Gewerbe werde "zum Glücksspiel". Dass auch die anderen Städte im Landkreis einen Hebesatz von 380 Punkten haben, sei irrelevant, findet Pelz. Schließlich habe Geretsried "mehr Gewerbeflächen als Wolfratshausen, Bad Tölz und das Umland zusammen".

Mit dem neuen Gewerbegebiet Gelting Ost will Geretsried mehr Unternehmen anlocken. Die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer könnte da abschreckend wirken. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Wir sind empört", sagt Pelz. Die geplante Steuererhöhung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach nicht nachvollziehbar. Denn sie konterkariere nicht nur die Ansiedlungsbestrebungen und Investitionen für Gewerbeflächen, sondern sei auch eine "Milchmädchenrechnung", findet Pelz. "Man rechnet sich reich à la Planwirtschaft." Dabei sei ihm keine Kommune bekannt, die es geschafft habe, mit höheren Gewerbesteuern ihre Defizite nachhaltig auszugleichen. Zum Erfolg führe vielmehr eine Steuersenkung, wie zahlreiche Beispiele zeigten. Aus Sicht der IGG solle sich Geretsried besser an den Kommunen im Landkreis München orientieren, die einen durchschnittlichen Gewerbesteuersatz von 310 Punkten haben.

"Geretsried war immer ein gewerbefreundlicher Standort", sagt Pelz. Um so ärgerlicher sei es, dass die Unternehmen nicht in die Diskussion um die Gewerbesteuer einbezogen worden seien. Bei einer Mitgliederversammlung kommende Woche wolle die IGG nun ihre Strategie besprechen, um noch vor der Stadtratssitzung aktiv zu werden, sagt Pelz. "Wir kämpfen mit allen demokratischen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, um die Gewerbesteuererhöhung zu verhindern."

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(Foto: Georgine Treybal)

Gerhard Knill von der Mittelstandsunion...

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(Foto: Hartmut Pöstges)

...und Jochen Pelz von der Industriegemeinschaft wollen eine Steuererhöhung verhindern.

Unterstützung bekommt er von der Mittelstandsunion (MU) im Kreisverband der CSU. Deren Vorsitzender Gerhard Knill, Mitinhaber eines Geretsrieder Betonunternehmens, hat einen Offenen Brief an die Geretsrieder Bürgermeister und Stadträte geschrieben, in dem er die Steuererhöhung heftig kritisiert. Sie benachteilige die Unternehmen im internationalen Wettbewerb und sei in dieser Höhe nicht zumutbar, zumal die Planungen in den Firmen für 2016 längst abgeschlossen seien. Akzeptabel sei höchstens eine schrittweise Anhebung des Hebesatzes um jährlich 30 Punkte, und das auch nur nach einer "vollständigen Konsolidierung der Ausgabenseite". Scharfe Kritik also auch am Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller, aus der eigenen Partei. Auch Knill will vor der Stadtratssitzung erneut das Gespräch mit den Fraktionen suchen - um die Steuererhöhung abzuwenden. "Der Bürgermeister hat im Stadtrat auch nur eine Stimme."

Sein Offener Brief ist bereits auf Resonanz gestoßen: Sein Parteifreund, MU-Mitglied und Dritter Bürgermeister Gerhard Meinl hat per E-Mail aus Frankreich geantwortet, wo er sich derzeit befindet. Er predige seit Jahren zwar "grundsätzlich gegen Gewerbesteuer". Weil aber die Bundesregierung ihr Versprechen, diese abzuschaffen, nicht eingehalten habe, bleibe auf Gemeindeebene "nur der Reflex zur Hebesatzänderung". Um Gewerbe anzusiedeln müsse man zunächst die Infrastruktur verbessern und investieren. Deshalb plädiere er für die Steuererhöhung.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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