Geretsrieder Zeitgeschichtsarbeit:Stadtgeschichte als Kulisse

Lesezeit: 2 min

So wird die "Bayer-Baracke", die einst an der Ecke Seniweg/Sudetenstraße stand, sicher nicht wieder aufgebaut. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Baracke, die an die "Karlsbader Oblaten" erinnert, soll teilweise wiederaufgebaut werden. Einzelteile lagern seit zwölf Jahren im Freien. Architekt Martin Bruckner skizziert Möglichkeiten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Ein zwölf Jahre alter Wunsch des Fördervereins Geretsrieder Heimatmuseum soll kommendes Jahr in Erfüllung gehen. Die sogenannte "Bayer-Baracke" soll in irgendeiner Form wieder sichtbar gemacht werden, sei es in Teilen oder als Kulisse. Derzeit lagert sie in Einzelteilen, deren Zustand bisher nicht geklärt ist, unter Planen im Garten des Stadtmuseums an der Graslitzer Straße. Architekt und Fördervereinsmitglied Martin Bruckner hat den Auftrag, eine "mobile Barackenvariante" zu skizzieren. An eine Aufstellung, so sagte Bruckner der SZ, werde kaum vor dem kommenden Frühjahr zu denken sein.

Die Baracke erinnert an die Ursprünge der Vertriebenenstadt Geretsried - und darüber hinaus. Zu Zeiten der NS-Rüstungsbetriebe im Wolfratshauser Forst dienten Holzbaracken zur Unterbringung von Zwangsarbeitern. Nach der Befreiung kamen Heimatvertriebene darin unter. Erst durch sie wurde die Stadt Geretsried im Wortsinn aufgebaut. Eine vollständige Baracke aber ist nirgends mehr zu sehen. Die letzte, eben die Bayer-Baracke an der Ecke Sudetenstraße/Seniweg, wurde 2011 abgebrochen.

Sie trug die Bezeichnung Bayer nach dem Betrieb, der einst darin sein Büro hatte und in einem Bunker Karlsbader Oblaten produzierte. Die Familie Bayer war 1946 von der Tschechoslowakei enteignet worden und nach Deutschland gekommen - mit dem Originalrezept der berühmten Oblaten im Gepäck. So gesehen sei die Baracke nicht nur eine Erinnerung an die Vertriebenenzeit, sondern auch ein Symbol für die Geretsrieder Gründerzeit: "Das erste Gewerbe in Geretsried", so sagte Helmut Hahn, Vorsitzender des Fördervereins, einmal.

Die ursprüngliche Bayer-Baracke war nach Bruckners Angaben gut zehn Meter lang und gut sechs Meter breit. Sie habe sechs Räume umfasst und zwei Kamine gehabt, erklärt der Architekt. Da sie nun schon so lange eingelagert sei, rechne er damit, dass die Teile nicht in gutem Zustand sind. "Wir wissen nicht, ob alle Teile vorhanden und verwertbar sind." An einen originalgetreuen Wiederaufbau sei aber ohnehin nicht zu denken. Denn wollte man eine begehbare Baracke aufstellen, müssten Brandschutzvorschriften berücksichtigt werden.

Er denke her an "eine Art Theaterkulisse", sagt Bruckner. Damit wäre der Aufbau mobil und zu verschiedenen Anlässen an verschiedenen Orten einsetzbar.

Schon im November 2019, als der Kulturausschuss des Stadtrats beschlossen hatte, die Machbarkeit einer Rekonstruktion der Baracke prüfen zu lassen, hatte Helmut Hahn der SZ gesagt, er persönlich glaube, dass die Baracke allenfalls so aufgebaut werden könne, dass sie zweimal im Jahr für Sonderausstellungen dienen könnte. Er erinnerte sich daran, dass es schon beim Abbau der Baracke geheißen habe, allein fürs Herrichten der schadhaften Teile seien - damals - 12 000 Euro erforderlich gewesen. Und ein Dach habe die Baracke ohnehin nicht mehr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: