Bienensterben:Insekten müssen verhungern, weil die Wiesen verschwinden

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Blütenpracht im Tölzer Gewerbegebiet Farchet: Auf einem Streifen ist dort eine bunte Wiese entstanden. Im Landkreis soll es mehr solche Flächen geben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Unter dem Insektenschwund leiden auch Vögel und andere Tiere, die Insekten fressen. Das wollen Naturschützer in Bad Tölz jetzt ändern.

Von Ingrid Hügenell

Eine Wiese im Sommer. Es summt und brummt, Bienen und Tagfalter sausen von Blüte zu Blüte, Hummeln wühlen sich tief in die Kelche. So eine Idylle muss man heute lange suchen. Die bunten Blüten verschwinden, denn die Bauern mähen, bevor Flockenblume, Wiesensalbei und Lichtnelke blühen können. Bis zu siebenmal pro Saison. Dazu wird kräftig gedüngt. Übrig bleibt im wesentlichen Gras - gut für Kühe und Landwirte, schlecht für Wiesenbewohner. Oder es wird Mais angebaut. Bienen und andere Insekten finden kaum noch Nahrung, viele hungern. Unter dem Insektenschwund leiden auch Vögel und andere Tiere, die Insekten fressen. Aber das soll sich nun ändern.

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und Imker wollen vielerorts "Blühende Meter" anlegen. Im Landkreis sollen vor allem blütenreiche Magerwiesen entstehen, die den Vorteil haben, dass sie wenig Pflege brauchen. Ins Boot geholt haben LBV und Bienenzüchter die Gartenbauvereine sowie einige Gemeinden, die auf eigenen Flächen blühende Wiesen anlegen und so die schwindende Blumenvielfalt ausgleichen wollen.

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Bei einer Auftaktveranstaltung in Bad Tölz erklärten kürzlich Naturgartenplaner Reinhard Witt und Michael von Ferrari, Umweltreferent der Gemeinde Haar, wie man die blühenden Meter so anlegt, dass sie schon im ersten Jahr gut ausschauen, und das auch viele Jahre so bleibt. Gut hundert Abgesandte der Kommunen im Landkreis waren dabei, viele zeigten sich interessiert an dem Projekt.

Zum Beispiel Bad Tölz. Dort wurde zunächst Franz Mayer-Schwendner auf die blühenden Meter aufmerksam. Der Grünen-Stadtrat rannte aber bei Bürgermeister Josef Janker (CSU) eine schon halb offene Tür ein. Denn Janker hat eine Tochter, die Biologin ist und dem Vater gerne die Zusammenhänge zwischen Blütenreichtum und dem Vorkommen von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen erklärt.

"Sauber müssen Straßen und Wege sein, die Wiesen nicht"

Auch wenn es ihm selbst einleuchtet, dass Glockenblumen und Wiesenbocksbart so wichtig wie schön sind, bereitet Janker die Akzeptanz durch Bevölkerung wie Gäste Sorgen. Womöglich könnten manche denken, die Stadt Bad Tölz habe nicht mehr genug Geld um die Wiesen zu mähen, fürchtet er. Es gebe eben Leute, die wollten, dass auch in Beeten und auf Wiesen alles sauber und schön geschnitten sei. "Sauber müssen Straßen und Wege sein, die Wiesen nicht", findet Janker. Also sollen Schilder aufgestellt werden, die erklären, "dass wir das Ganze bewusst machen. Die Leute sollen nicht sagen: Was ist denn das für eine g'schlamperte Wiesn".

Zunächst aber wird kommende Woche Florian Schallhammer vom Tölzer Bauhof zusammen mit einer Biologin und dem Naturgartenplaner Witt in Tölz Flächen begutachten, die sich eignen könnten, etwa an der Oberen Leiten beim Rehazentrum Isarwinkel - sonnige Standorte vor allem. Die Leonhardi-Wiese am Kalvarienberg sei ohnehin schon auf dem Weg zu einer mageren Blumenwiese, sagt Janker. Denn sie musste befestigt werden, was mit Kies geschah, eingearbeitet wurde wenig Humus, "und jetzt lässt man's wachsen".

Natternkopf

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(Foto: CATH)

Der Natternkopf, Echium vulgare (Foto: Catherina Hess), ist gar nicht so selten, man kann ihn auf nährstoffarmen Böden recht häufig sehen. Er wird 25 bis 100 Zentimeter hoch und blüht von Mai bis Oktober, also auch, wenn viele andere Pflanzen schon verblüht sind. Die Blüten verfärben sich von rosa oder violett zu blau bis himmelblau. Der Natternkopf wird von Bienen, Schwebfliegen und zahlreichen Falterarten besucht. Für die blühenden Meter und Naturgärten ist er sehr gut geeignet, für normale Hausgärten wird er nicht verwendet.

Zypressenwolfsmilch

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(Foto: N/A)

Die Zypressenwolfsmilch, Euphorbia cyparissias (Foto: Anke Hüper/oh), betört durch ihren Honigduft Bienen ebenso wie Menschen. Sie gedeiht im Garten im Kiesbeet, wird aber auch auf Blühstreifen angepflanzt, weil sie schöne, üppige Kissen bildet, die 15 bis 50 Zentimeter hoch werden. Der Wolfsmilchschwärmer, ein Schmetterling, der auf Euphorbia-Arten spezialisiert ist, wird immer seltener, weil die Pflanzen rarer werden. Wolfsmilchgewächse sind stark giftig, der Milchsaft ruft auf der Haut Blasen hervor.

Margerite

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(Foto: Günther Reger)

Die Margerite (Foto: Günther Reger) ist ein Sympathieträger, eine Blume, die man mit Sommer assoziiert. Auch Wildbienen, Käfer, Fliegen und Schmetterlinge mögen sie. Nicht nur die Magerwiesen-Variante Leucanthemum vulgare ist eine gute Insektenweide, sondern auch die in unterschiedlichen Farben gezüchteten Varianten. Die Margerite, ein mit dem Löwenzahn verwandtes Korbblütengewächs, kann deshalb genauso gut im Garten wachsen wie auf einem Blühstreifen. Sie blüht von Mai bis September.

Storchschnabel

Storchschnabelgewächse heißen auf Lateinisch Geranium - der Wiesenstorchschnabel Geranium pratense (Foto: imago) ist also mit den beliebten Balkonblumen verwandt. Während Balkongeranien aber weder Pollen noch Nektar bilden und deshalb für Bienen und andere Insekten völlig wertlos sind, ist der Wiesen-Storchschnabel eine wertvolle Bienenweide im Sommer - im Garten wie auf der Blumenwiese. Er blüht nicht sehr lange, nur von Juni bis August, wird aber in dieser Zeit gerne von Insekten besucht.

Gefüllte Blüten

Ungefüllte Rosen sind gute Nektar- und Pollenspender. Gefüllte Blüten (Foto: Alessandra Schellnegger) sehen zwar schön aus, aber selbst wenn sie Nektar haben, kommen die Insekten nicht an ihn heran. Das gilt nicht nur für Rosen, sondern für alle Blüten. Wer also etwas für Insekten tun will, der sollte halb- oder ungefüllte Blüten wählen oder sich gleich die Wildformen in den Garten holen. Die haben auch den Vorteil, dass sie meist viel besser duften. Generell ist es wichtig darauf zu achten, dass auch im Frühjahr und im Herbst etwas blüht. ihr

Der Kies werde sich verfestigen und die Wägen bei der Leonhardifahrt gut tragen können. Auf anderen Flächen wenden Gärtner und Bauhofmitarbeiter einen Trick an, damit den Menschen die neuartigen Flächen gefallen: Sie säen und pflanzen Blumen, die von Anfang an schön blühen. Dabei werden einheimische Arten verwendet, die nicht jedes Jahr neu gesät werden müssen, sondern sich selbst erhalten.

Janker findet es vernünftig, Bienen, Hummeln und Schmetterlingen blühende Futterplätze anzubieten. Die Geretsrieder Umweltreferentin Inken Domany plant solche Flächen aus Überzeugung: Sie ist Biologin und nebenbei Imkerin. Für die Stadt Wolfratshausen könnte der finanzielle Aspekt ausschlaggebend sein: Klassische Blumenrabatten mit Begonien und ähnlichen Pflanzen kosten für Anpflanzung und Pflege pro Quadratmeter und Jahr 186 Euro, Blumenwiesen nur 1,30 Euro, hat Michael von Ferrari vorgerechnet.

In Gartencentern gibt es oft keine insektenfreundliche Pflanzen

"Das ist schon ein Argument", sagt LBV-Kreisvorsitzender Walter Wintersberger - eines, das viele Verantwortliche gut nachvollziehen könnten. Jedenfalls habe der Wolfratshauser Stadtwerke-Leiter Jürgen Moritz bei der Auftakt-Konferenz Interesse bekundet. Ebenso wie der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl. "Die drei bis vier Pilotgemeinden, die wir wollten, hätten wir", sagt Wintersberger zufrieden.

Neben den Kommunen ist auch die Sparkasse dabei. Dort arbeitet Wintersberger, und seine Anregung, aus der Fläche neben dem Haupteingang der Sparkassen-Hauptstelle in Bad Tölz eine blühende Wiese zu machen, fiel auf fruchtbaren Boden. Die etwa hundert Quadratmeter wurden spät gemäht, Margeriten blühten üppig darauf. "Das ist keine riesige Fläche, aber schön, dass es stehen bleiben kann für Bienen und Hummeln", sagt Wintersberger. Sparkassen-Sprecher Willi Streicher sagt: "Ich hab's recht nett gefunden."

Seit er viele einheimische Blütenpflanzen im Garten hat, bekommt Jürgen Gürtler oft Besuch von Schmetterlingen. Der Vorsitzende des Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege muss permanent seinen Hund davon abhalten, einen Schillerfalter zu jagen, der die Mädesüß-Blüten im Garten sehr attraktiv findet. Der Chef-Gartler ist sehr für insektenfreundliche Stauden in Hausgärten. Er weiß aber, wie schwierig es ist, die passenden Pflanzen zu finden, wenn man selber kein Experte ist. Denn in den meisten Gartencentern werden Prachtstauden angeboten, die wenig Nektar und Pollen für Insekten bieten, oder Pflanzen mit gefüllten Blüten, die für Insekten wertlos sind.

Meist ist es kein Kriterium, ob die Pflanzen insektenfreundlich sind, und viele Verkäufer wissen nicht Bescheid. Immerhin aber stünden die meisten Gartenbauvereine der Idee positiv gegenüber, insektenfreundlich zu pflanzen, "auch wenn ein solcher Garten nicht so gepflegt ausschaut". Für Gärtner, die selbst etwas für Bienen und Hummeln tun wollen, hat der LBV Broschüren zusammengestellt, und es gibt einige Staudengärtnereien, die sich darauf spezialisiert haben. Die Naturgärtner haben sich in einem Verein zusammengetan.

Informationen unter www.lbv.de und www.naturgarten.org. Die Gärtnerei Holzmann in Bad Heilbrunn ist ein Bioland-Betrieb. Staudengärtnereien, die auf Insektenfreundlichkeit hinweisen, sind etwa die Gärtnerei Stauden Spatz in Oberhausen bei Weilheim, www.staudenspatz.de, oder Gaissmayer in Illertissen, www.gaissmayer.de.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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