G7-Gipfel:Herbergssuche für die Polizei

Lesezeit: 4 min

Tausende Unterkünfte werden für den Austausch von Staats- und Regierungschefs im Juni auf Schloss Elmau gesucht. Für Hoteliers im Münchner Umland ist das Segen und Fluch zugleich.

Von Astrid Becker, Starnberg/ Bad Tölz

Schloss Elmau in Krün bei Garmisch-Partenkirchen ist auch 2022 wieder der Ort, an dem sich die Vertreter der G7-Staaten zum Austausch treffen. Tausende Einsatzkräfte der Polizei werden das Treffen begleiten - auch sie brauchen eine Unterkunft. Gesucht werden unter anderem Zimmer in den Landkreisen Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Stephan Jansen/dpa)

Auf den ersten Blick klingt es nach einer guten Nachricht. Zumindest für die Hotellerie. Nach den Jahren der Pandemie, nach Verdienstausfällen, Kurzarbeit und mehreren Lockdowns sind die Beherbergungsbetriebe für die kommende Saison so begehrt wie noch nie, oder zumindest wie schon lange nicht mehr. Doch was sich nach Aufschwung anhört, hat auch eine Kehrseite: Wer sich jetzt noch für einen Sommerurlaub im Voralpenland, etwa in den Landkreisen Starnberg oder Bad Tölz-Wolfratshausen, entscheidet, muss sich sputen. Vor allem im Juni sind viele Zimmer in dieser Gegend bereits ausgebucht - wegen des G 7-Gipfels auf Schloss Elmau in Krün im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

Vor sieben Jahren waren 18 000 Polizisten im Einsatz

Etwa 90 Kilometer von Starnberg entfernt ist der Ort Krün, an dem sich von 26. bis 28. Juni die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika treffen, um diesmal über "Fortschritt für eine gerechte Welt" zu beraten. Knapp 60 Kilometer sind es beispielsweise von Bad Tölz aus. Dennoch spielen die beiden Landkreise für die Organisation eines solchen Gipfels eine tragende Rolle: "Was glauben Sie, wie viele Polizisten und Sicherheitskräfte die allein dafür benötigen?", sagt Klaus Götzl, der Anfang März scheidende stellvertretende Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg. Es sind Tausende. 2015 waren es 18 000, um genau zu sein. Diese Zahl nennt Ulrich Pöpsel vom Planungsstab G7-Gipfel 2022 für den Austausch der Politiker von vor sieben Jahren. "Der bislang größte Polizeieinsatz in Bayern", sagt er. Und weniger Einsatzkräfte werden es wohl auch in diesem Jahr nicht werden - auch wenn die genaue Zahl für heuer noch nicht feststeht. "Das hängt insbesondere von der Mobilisierung der G7-Gegner und der Zahl der angemeldeten Versammlungen ab", so der Polizeihauptkommissar, der mit der Logistik des politischen Großevents betraut ist.

Klar ist, dass die meisten dieser Einsatzkräfte, die teilweise Spezialeinheiten angehören, die in ganz Deutschland unterwegs sind, auch einen Platz zum Schlafen brauchen. 2100 Hotels, Pensionen, staatliche Einrichtungen oder auch Ferienwohnungen seien angefragt und zum Teil auch bereits gebucht worden, so Pöpsel. Und so viele sind im Nahbereich des Schlosses Elmau wohl kaum vorhanden. "Zumal ja auch noch die Passionsspiele von Oberammergau sind", wie Götzl aus Starnberg sagt. Beim Planungsstab G7 drückt man sich freilich anders aus. Da ist von adäquater und einsatztaktisch sinnvoller Unterbringung die Rede. Daher seien auch andere Landkreise angefragt worden, wie die Regionen Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen. 40 Betriebe seien in Starnberg auf Unterbringung geprüft worden, 70 im Nachbarlandkreis.

Der wuchtige Betonbau soll sich in ein modernes Boutique-Hotel mit Holzelementen verwandeln. (Foto: Manfred_Neubauer)

Einfach ist die Suche nach Quartieren aber wohl nicht um diese Jahreszeit. Das liegt vor allem auch an der diesmal recht kurzen Vorbereitungsphase des Gipfels. Erst im Dezember war bekannt geworden, dass er wieder im Schloss Elmau abgehalten wird. 2015 war das noch anders: "Da hatten wir einen Vorlauf von eineinhalb Jahren", wie Holger Lorz von der Touristeninformation "Tölzer Land" sagt, die die gesamte Region Bad Tölz-Wolfratshausen betreut. Viele der insgesamt 670 Gastgeber dort seien um diese Zeit schon gut gebucht, so meint er, auch wenn die Touristeninformation nicht in Detail nachvollziehen kann, vom wem genau: von Urlaubern oder der Polizei. "Aber wir haben mit Sicherheit weniger frei als noch vor sieben Jahren." Die Branche habe von Corona profitiert - buchungstechnisch. Denn wegen der Pandemie würden viele auf einen Urlaub im Ausland verzichten und sich stattdessen längere Zeit im Voralpenland erholen. Und mit Sicherheit auch mehr Geld in den Orten lassen. So bringt es zumindest die Bad Tölzer Kurdirektorin Brita Hohenreiter, die sich mit Tourismus in ihrer Stadt beschäftigt, auf den Punkt: " Die Polizei hat ja gar keine Zeit, um vor Ort zu shoppen oder Geld in der Gastronomie auszugeben."

"Es kann da schon mal vorkommen, dass wir Frühstück um fünf Uhr morgens servieren"

Würde der Gipfel nicht im Juni, sondern im März stattfinden, wären viele Gastgeber wohl richtig glücklich, meint sie. Aber im Juni sei Hochsaison: "Und wir sind um diese Zeit ohnehin immer ausgebucht." Hohenreiter hat sich bei den Gastgebern in ihrer Stadt umgehört: Ihr sei bekannt, dass von den insgesamt zur Verfügung stehenden rund 1500 Betten etwa 300 zwei Wochen lang für den G 7-Gipfel gebucht worden seien. "Das war eine Blitzumfrage, alle haben nicht geantwortet." Die zwei Wochen braucht die Polizei für die Vor- und Nachbereitung ihrer Einsätze.

Bereits 2015 hat das Hotel Vier Jahreszeiten in Starnberg Einsatzkräfte der Polizei beherbergt. (Foto: Georgine Treybal)

Und diese Wochen mit den Gästen in Uniform stellen auch besondere Anforderungen an die Hoteliers. Das Hotel Vier Jahreszeiten in Starnberg beispielsweise hält 100 von seinen insgesamt 122 Zimmern für die Einsatzkräfte vor: "Wir haben ja auch noch Stammgäste und Dauermieter, für die wir da sein wollen", sagt der Manager des Hauses, Tobias Baumann. Für die Mitarbeiter bedeutet die Unterbringung der G7-Polizei, dass sie sehr flexibel sein müssen: "Es kann da schon mal vorkommen, dass wir Frühstück um fünf Uhr morgens servieren oder noch etwas Warmes nachts um zwei Uhr auf den Tisch bringen müssen - das richtet sich eben nach den Einsatzzeiten."

Claudia Aumiller ist Mitinhaberin des Jaklhofs am Wörthsee und zugleich Starnberger Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. (Foto: Arlet Ulfers)

Wieder andere Gastgeber stellen ihr ganzes Haus zur Verfügung. Claudia Aumiller aus Wörthsee zum Beispiel. Die Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes vermietet in ihrem "Jakl-Hof" rund 30 Zimmer - von Mitte Juni bis Anfang Juli exklusiv an die Polizei. "Ich bin froh darüber", sagt sie: "Ich war weit von einer Auslastung entfernt." Tatsächlich hätten nur ein paar Stammgäste bei ihr gebucht. Diese habe sie "problemlos auf einen anderen Zeitpunkt umschichten" können. Durch die Pandemie hätten viele der Gäste, die normalerweise bei ihr Urlaub machen, wohl Angst bekommen zu verreisen. Für Aumiller sind die G7-Gipfel-Gäste ein Novum: 2015 sei sie nicht dabei gewesen. Als nun aber die Anfrage an sie gerichtet worden sei, habe sie sofort Ja gesagt: "Ohne zu zögern. Für mich ist das richtig gut." Auch wenn sie nun kurzentschlossenen Reisenden absagen muss. Zumindest für die guten zwei Wochen im Juni.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: