Kandidaten zur Landtagswahl:Zwischen Diplomatie und Bierzeltrede

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Das Blaue Land hat es ihm angetan, zu Hause ist Florian Streibl in Oberammergau. (Foto: Manfred Neubauer)

Florian Streibl sieht sich als Fraktionssprecher der Freien Wähler als Vermittler, haut aber gern auch mal rhetorisch drauf. In der Causa Aiwanger steht er unverbrüchlich zu seinem Parteichef.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz-Wolfratshausen/Oberammergau

Die apokalyptischen Reiter verfolgen ihn. Florian Streibl sagt, er habe nicht damit gerechnet, dass sie eine so heftig Wirkung haben würden. Und dabei muss er tatsächlich ein bisschen lachen. Streibl, 60 Jahre alt und seit fünf Jahren Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Landtag, sieht sich in dieser Funktion eigentlich in einer Vermittlerrolle, in der "Diplomatie gefragt" sei. Aber manchmal müsse man halt deutlich werden, findet er. Anfang März wurde er in der Aktuellen Stunde im Maximilianeum überdeutlich. Er setzte die Ampelkoalition in Berlin ans Ende einer Reihe "neuer" apokalyptischer Reiter: "Pandemie, Krieg, Inflation und dann der schlimmste von ihnen, auf seinem fahlen Ross mit drei Köpfen: die Ampelkoalition in Berlin." Später entschuldigte er sich dafür.

Auf Nachfrage erklärt er, warum der Gaul derartig mit ihm durchgegangen sei. Das biblische Zitat sei eine Chiffre für die Ängste, die Menschen umtrieben, sagt Streibl, der nicht nur Jura, sondern auch Theologie studiert hat. Und neben Seuchen und Krieg gehöre dazu auch der Werteverlust. Konkret? Das Heizungsgesetz, sagt Streibl. Überhaupt werde "an den Bedürfnissen der Bürger vorbeiregiert". In der Aktuellen Stunde hatte er von einem "Umerziehungskurs" gesprochen, der die Leute nötige, zu "gegenderten Veganer*innen" zu werden. Nun sagt er, die Ampel verunsichere die Menschen, weil sie "immer erst was rausschießt und dann öffentlich darüber diskutiert". Da sei die schwarz-orangene Koalition in Bayern ganz anders. Freie Wähler und CSU hätten etwa über das Hochschulinnovationsgesetz zwei Jahre lang gerungen - "hinter verschlossenen Türen".

"Wir waren das Team Zuversicht"

Vor der Landtagswahl 2018 hatte er sich über die CSU kritischer geäußert. Die brauche immer Kontrolle, "weil ihr sonst nur Unsinn einfällt", sagte er damals. Welchen Unsinn haben die Freien Wähler denn nun verhindert? Streibl sagt, "die ganze Corona-Politik mit Maßnahmen, die übers Maß hinausgingen", sei von seiner Fraktion beeinflusst worden. "Wir waren das Team Zuversicht, die CSU das Team Vorsicht." Beim Hochschulinnovationsgesetz hätten die FW die Freiheit von Forschung und Lehre gewahrt. Auch hier zeigt er sich keineswegs diplomatisch. Die CSU habe, so formuliert er, Vorstellungen gehabt, "die nicht ganz auf dem Boden unserer Verfassung" gewesen seien.

Florian Streibl mit Hubert Aiwanger vor der Sondersitzung des Landtags zu den Vorwürfen gegen den Vize-Ministerpräsidenten. (Foto: Pool/Reuters)

Mit der politischen Haltung seines eigenen Parteivorsitzenden ist Streibl dagegen absolut einverstanden. Mehrmals hat er sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Hubert Aiwangers Jugend vor diesen gestellt. Zuletzt attestierte er ihm sogar "den Mut, einen Fehler einzugestehen" - obwohl Aiwanger sich zu einigen Vorwürfen gar nicht eingelassen, sondern sich auf Erinnerungslücken berufen hatte. Schon zuvor hatte Streibl den umstrittenen Auftritt auf der Anti-Heizungsgesetz-Demo in Erding (Aiwanger: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss") verteidigt. Er befand, Aiwanger sei "ein begnadeter Bierzeltredner, der einzige, der es vor ihm so konnte, war Franz Josef Strauß".

"Opposition ist einfacher."

Seine Erfahrung in fünf Jahren Regierungsverantwortung fasst der FW-Sprecher so zusammen: Wenn man regiere, müsse man immer Kompromisse finden. Opposition sei einfacher: "Man stellt Forderungen und man schimpft." Zu seinen Haupt-Forderungen gehört die Abschaffung der Erbschaftssteuer, weil dies "Wohnraum für Einheimische" sichern würde. Es gebe hier eine Gerechtigkeitslücke: "300 Wohnungen kann ich steuerfrei vererben, eine nicht." Wohnraum zu schaffen, bleibe eine Herausforderung, auch wenn die Bauordnung bereits geändert worden und das Bauen einfacher geworden sei. Streibl würde gern auch am Mietrecht Hand anlegen: Kündigungen sollten leichter möglich sein. "Wir brauchen eine vermieterfreundlichere Politik."

Dass nicht mehr Gemeinden in seinem Stimmkreis 111/Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen Sozialwohnungen bauen, versteht er nicht. Denn es gebe ein gutes bayerisches Förderprogramm. Ohlstadt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen etwa habe das genutzt. Und natürlich sei Geretsried in der Wohnungspolitik "sehr findig", aber dort gebe es eben einen starken Bauunternehmer. Streibl spielt auf die Krämmel-Unternehmensgruppe an, die mit Unterstützung der Stadtpolitik ein Quartier mit 770 Wohnungen schafft.

Die S-Bahn allerdings fährt immer noch nicht bis Geretsried - ein seit Jahrzehnten gefordertes Projekt, das wieder und wieder verzögert wurde. Die Verlängerung der S7 müsse kommen, sagt Streibl, "wenn man mehr auf die Schiene verlagern will". Woran es bisher gescheitert ist? Mit der Bahn gehe erfahrungsgemäß nichts einfach, sagt er. "Da reden viel zu viele mit in verschiedenen Strukturen, die sich gegenseitig eifersüchtig belauern." Überhaupt sei "die Quasi-Privatisierung" der Bahn nicht gerade eine Glanzleistung gewesen.

"Heimatenergie" Wasserkraft und Holz

Die Energiewende nennt der Oberammergauer als ein zentrales Thema: "Damit steht und fällt unser Wohlstand." Er befürworte alle regenerativen Quellen, auch die Windkraft, sehe aber als "Heimatenergie" im Oberland Wasserkraft und Holz.

Als Treffpunkt zum SZ- Gespräch hat Streibl den Kochelsee vorgeschlagen. Es ist einer dieser glühheißen Augusttage, aber im Schatten der großen Bäume am See ist die Luft angenehm und der Blick auf Wasser und Berge weckt den Gedanken ans Blaue Land der Expressionisten. Nun mag die Freiheit der Kunst nicht die erste Assoziation sein, wenn man mit Streibl spricht, der sich selbst in der "bürgerlichen Mitte" verortet. Aber siehe da: Er malt gern - Landschaften in Öl. Meist gegenständlich, wie er sagt, aber manchmal auch mit Ausflügen ins Abstrakte. Blauer Reiter statt apokalyptischer also.

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