Recht und Verantwortung in der Freizeit:Bankrotterklärung für den Badespaß

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Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs will die Stadt Penzberg die Flöße am Eitzenberger Weiher und Kirnberger See entfernen. Auch die Tölzer Stadtwerke haben bereits reagiert. Den Badegästen gefällt das überhaupt nicht

Von Benjamin Engel, Iffeldorf

Der Eitzenberger Weiher ohne Floß? Rita Hohenwieser kommt seit fast fünf Jahrzehnten in das Naturbad der Stadt Penzberg am kleinen Moorsee nördlich der Kommune. Die Beuerbergerin kann nicht nachvollziehen, dass die Penzberger Rathausverwaltung nun beschlossen hat, das hölzerne Badefloß aus dem Wasser zu entfernen. "Ich finde es schade, wenn das wegkommt", sagt sie. Ihre Kinder hätten am Weiher schon Schwimmen gelernt, jetzt auch die Enkel. Das Badefloß sei immer eine Zielmarke gewesen, um sich auszuruhen. Soweit sie sich erinnere, sei noch nie etwas dort passiert. "Der Mensch muss selbst sehen, dass er aufpasst", meint Hohenwieser. "Wenn man ihm alle Gefahren wegnimmt, ist das nicht richtig."

Während die Beuerbergerin erzählt, springen Kinder und Jugendliche vom Steg ins Wasser. An dessen Seite ist derzeit noch das Badefloß vertaut, das sonst jeden Sommer mitten im Weiher ankerte. Erst kürzlich hatte die Stadt Penzberg entschieden, die Holzflöße am Eitzenberger Weiher sowie am Kirnberger See nicht mehr aufs Wasser zu lassen. Das hatte die Verwaltung unter anderem mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) begründet. Demnach müssen Schwimmbadbetreiber künftig beweisen, dass ein Unglück auch bei einer pflichtgemäßen Aufsicht nicht abwendbar gewesen wäre. Das Haftungsrisiko war der Stadt Penzberg nach Anfrage bei der Versicherung zu groß.

Der Stadtrat hat das letzte Wort

Ob die Badeflöße endgültig wegkommen, entscheidet laut dem Penzberger Kämmerer erst noch der Stadtrat. "Vielleicht gibt es doch noch eine Lösung, wie wir das haftungsrechtlich korrekt verankern können", sagt Johann Blank am Dienstag. Die Stadt müsse sich hundertprozentig absichern. Das BGH-Urteil treibe alle Kommunen um. Am Eitzenberger Weiher sei die Wasserwacht nur sporadisch an schönen Wochenenden im Sommer am Gelände. Von versicherungsrechtlich relevanten Unfällen am Floß wisse er nichts.

Als "Bankrotterklärung" bezeichnet Beate Kreutterer die städtische Entscheidung. "Es kann doch nicht sein, dass so etwas jetzt Alltag wird", sagt die Penzbergerin. Nur weil jemand klagen könnte, müsse der Rest darunter leiden. "Wir alle in Penzberg haben uns als Kinder und auch als Erwachsene über die Flöße gefreut", sagt sie. "Ein halbes Jahrhundert ging das jetzt ohne juristische Winkelzüge."

Am Montagabend ist das Bedauern unter den etwa 50 Badegästen groß. "Ich finde es schade, dass immer mehr verboten wird", sagt die 53-jährige Petra Much aus Wolfratshausen. Mit ihrem Mann Peter liegt sie auf einem Handtuch in Ufernähe. Sie habe es lustig gefunden, wenn im Sommer Trauben von Menschen an dem Badefloß hingen. "Für die Kids ist das eine Riesengaudi." Nicht weit von ihr entfernt liegt Stefan Rutz im Baumschatten. Er verstehe, dass die Kommunen hellhörig würden, wenn es um Haftungsfragen gehe, sagt er. Doch wer nicht aufpasse, könne nicht sofort jemand anderen dafür verklagen, findet der junge Mann. Auch die Kioskbesitzerin bedauert, dass es in der Gesellschaft offensichtlich die Tendenz gebe, dass niemand mehr Verantwortung für sich selbst tragen wolle.

Etwa 20 Kilometer östlich im Naturfreibad Eichmühle haben die Tölzer Stadtwerke als Betreiber auf das BGH-Urteil reagiert. Das im Vorjahr angeschaffte aufblasbare Schwimmfloß kommt nicht mehr ins Wasser. Wie Reinhard Oberleitner erklärt, halte er vor allem die vier Verankerungsseile für zu gefährlich. Allzu leicht könne sich darin jemand verheddern.

Die Insel in Münsing soll bleiben

Im BGH-Fall hatte sich ein zwölfjähriges Mädchen in einem Naturschwimmbad in Rheinland-Pfalz im Befestigungsseil einer Boje mit dem Arm verfangen. Es überlebte knapp und wird aufgrund von Hirnschäden sein Leben lang schwerstbehindert und pflegebedürftig sein.

Im Münsinger Gemeindebad am Starnberger See will Bürgermeister Michael Grasl (FW) die Badeinsel keineswegs entfernen. Es handele sich um ein abgenommenes Spielgerät, sagt er. Die Kinder hätten ihre Freude daran. Von Eltern erwarte er ein Mindestmaß an Aufsicht und Sensibilisierung. Aus seiner Sicht schaffe sich Deutschland selbst ab. "Es muss immer ein Schuldiger gefunden werden."

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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