Erfolgreiche Vereinsarbeit in Wolfratshausen:Vermittlung statt Strafe

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Karin Horn und Christoph Abeck haben den Verein Brücke 2006 gegründet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Brücke bringt als Fachstelle für Mediation im Strafrecht Täter und Opfer zusammen. Das Doppelziel Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung wird in 80 Prozent der Fälle erreicht.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Es war ein Fall von häuslicher Gewalt, wie er in Beziehungen häufig vorkommt: Sonja A. (Namen geändert) litt unter den zunehmenden tätlichen Übergriffen ihres Lebensgefährten Martin B., einem Alkoholiker, der im Zustand der Trunkenheit zu häuslicher Gewalt neigte - ein umso schlimmerer Zustand, als unter den schlimmen Bedingungen zwei Kinder zu leiden hatten. Martin B. wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er zum dritten Mal Vater werden würde - seine Partnerin hatte nicht den Mut gehabt, ihn über die erneute Schwangerschaft zu informieren. Diese aus sozialpädagogischer Sicht "hohe Konfliktdichte" samt tätlichen Übergriffen auf die Frau führte schließlich zu polizeilichen Ermittlungen und zu einer Anklage, die im Falle einer Verurteilung erhebliche familiäre Restriktionen hätte nach sich ziehen können. Dies geschah dann aber dank Mediation der Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) Bad Tölz-Wolfratshausen nicht.

Ein anderer Fall: Ein schnell eskalierender Streit zwischen Nachbarn. Der Anwohner einer Straße schaufelt im Winter sein Auto aus, indem er den Wagen seines Hausnachbarn zuschippt. Es kommt zum Wortgefecht, zu Beleidigungen und schließlich zu einer groben Tätlichkeit - einer der beiden hoch erregten Kontrahenten malträtiert den anderen mit der Schneeschaufel. Auch hier stehen strafrechtliche Sanktionen im Raum, Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, zu einer Verurteilung aber kommt es auch hier nicht. Denn es gibt die Möglichkeit, ein drohendes Urteil abzumildern oder gar zu vermeiden, wenn es gelingt, dass Täter und Opfer unter bestimmten Voraussetzungen ein gegenseitiges Einvernehmen erzielen.

Die geschilderten Fallbeispiele entspringen der Arbeitspraxis des Vereins Brücke - der Fachstelle für Mediation im Strafrecht und Konfliktschlichtung, die in Räumen am Wolfratshauser Untermarkt 3 arbeitet. Sie bearbeitet nach eigenen Angaben jährlich 100 bis 150 Fälle, in denen eine außergerichtliche Einigung grundsätzlich möglich erscheint. Vorsitzende des Vereins ist die Juristin und Mediatorin Karin Horn, die in einem Team von vier sozialpädagogisch und psychiatrisch geschulten Vorstandsmitgliedern nach Ansätzen sucht, auf dem Wege der Mediation eine außergerichtlichen Einigung der Konfliktparteien zu erzielen. "Täter und Opfer an einen Tisch bringen, brauchbare Gerechtigkeit schaffen", das ist die Devise des Vereins, den Karin Horn gemeinsam mit dem Psychotherapeuten Christoph Abeck 2006 gegründet hat.

Großen Wert legt Horn auf die Feststellung, dass die Ermittlungen immer von der Polizei, der zuständigen Staatsanwaltschaft oder dem Gericht ausgehen, in keinem Fall von der Fachstelle selbst. Auch sei die Brücke keine therapeutische Einrichtung und stehe nicht in Konkurrenz zu Anwälten oder dem Weißen Ring, der sich ausschließlich als Interessenvertreter der Opfer versteht. Bei der Wolfratshauser Fachstelle dagegen stehen immer beide Konfliktparteien im Vordergrund. Wichtig ist für Horn, dass bei schwierigen Beziehungskonflikten immer ein männlicher und ein weiblicher Vermittler an den Gesprächen mitwirken, neben ihr und Abeck sind dies Christine Beysel und Karin Sowade, beide ausgebildete Mediatoren für Strafsachen. Diese "gemischtgeschlechtliche" Strategie hat sich in der Praxis oft als nützlich erwiesen, insbesondere bei Beziehungskonflikten im sogenannten sozialen Nahraum, in dem es vor allem um Paar- und Familienstreitigkeiten, Probleme am Arbeitsplatz, Sucht, Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Sachbeschädigung geht.

Im Mittelpunkt des Täter-Opfer-Ausgleichs stehen sowohl Konfliktschlichtung als auch Wiedergutmachung. Als Vorteil gilt es dabei besonders, dass dem Opfer die Verarbeitung einer Straftat und ihrer Folgen erleichtert werden können, weil es auf schnellem und unbürokratischem Weg zu einer Wiedergutmachung kommen kann und der Täter die Chance erhält, für sein strafwürdiges Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Wichtig ist bei alledem, dass das TOA-Verfahren für die Beteiligten kostenlos ist und keiner der Protagonisten gezwungen werden kann, daran teilzunehmen. Die Wiedergutmachung kann in Form von Schmerzensgeld, Schadensersatz, persönlicher Entschuldigung, einer schriftlichen Gewaltverzichtserklärung oder auch einer Rückgabe von Gegenständen erfolgen.

Die Strategie-des Täter-Opfer-Ausgleichs verfolgt immer die zwei Seiten: Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung - und sie findet unter absoluter Verschwiegenheit statt. Die Fälle, die für eine Mediation in Frage kommen, werden zum größten Teil vom Landgericht München II überwiesen, aber auch von den Amtsgerichten Wolfratshausen, in selteneren Fällen auch Starnberg, Miesbach und Ebersberg. Die Fachstelle arbeitet ausschließlich auf Honorarbasis, die Kosten werden aus Spenden abgedeckt, die zum großen Teil aus den von Gerichten eingenommenen Bußgeldern stammen. Deren Höhe kann aber stark schwanken. Da könne es für die Beratungsstelle finanziell gelegentlich schon eng werden, sagt Horn, denn anderweitige Unterstützung, etwa von Kreisbehörden oder Gemeinden, erhalte man nicht. Obwohl die finanzielle Basis relativ schmal ist, sieht die Mediatorin ihre Arbeit "als ein Herzensanliegen". Es sei ein schönes Gefühl, wenn am Ende solcher Bemühungen "eine Win-win-Situation" stehe, sagt sie. Und den Erfolg der Vereinsarbeit kann Horn auch in eine erstaunliche Zahl fassen: In rund 80 Prozent der Fälle seien die Vermittlungsbemühungen erfolgreich.

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