Debatte um Flüchtlinge:CSU-Bürgermeister ruft zur Mäßigung auf

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Ein Stadtrat warnt am Partei-Stammtisch vor IS-Anwerbern - jetzt meldet sich der Rathaus-Chef zu Wort.

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Nach dem hitzigen CSU-Stammtisch am Sonntag ruft der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller zur Mäßigung und Sachlichkeit auf: Es müsse beim Thema Flüchtlinge noch eine ganze Menge Aufklärungsarbeit geleistet werden. Müller war selbst nicht bei dem CSU-Stammtisch zugegen, bei dem sich die Diskussion rasch zu einem emotionalen Austausch tendenziöser Behauptungen entwickelt hatte, bezog jedoch nachträglich Stellung. Etwa zu dem beim Stammtisch geäußerten Vergleich, die Vertriebenen hätten damals auf Obstkisten sitzen müssen, "und heute bekommen sie einen Fernseher", wie eine Frau sagte. Solchen Äußerungen müsse mit Aufklärung begegnet werden, sagt Müller: "Das Deutschland von 1945 ist nicht das Deutschland von 2015. Wir müssen die Flüchtlinge nach unseren Maßstäben und Werten behandeln."

Der Stadtrat rudert zurück

CSU-Stadtrat Wolfgang Möckel hatte beim Stammtisch gesagt, nicht alle Flüchtlinge seien den Deutschen wohlgesonnen und es frustriere ihn, dass Binnengrenzen kein Thema mehr seien. Am Montag rudert er zurück: "Das ist natürlich sehr allgemein gesprochen." Dass es keine Binnengrenzen gebe, finde er "sehr in Ordnung", die EU-Außengrenzen sollten aber aufrecht erhalten werden. Mit der derzeitigen Anzahl von Flüchtlingen habe er kein Problem, auch nicht damit, dass im kommenden Jahr noch eine weitere Million Menschen einwandern könnten. "Aber wenn es 2017 und 2018 noch mal eine Million sind, wird das schwierig." Nicht, weil er gegen Flüchtlinge sei, sondern weil die Integration Zeit und Geld koste. Sein Alternativvorschlag: Schutzzonen im Ausland.

Will weiterhin den Schutzsuchenden helfen: Bürgermeister Michael Müller. (Foto: Hartmut Pöstges)

Über die Rekrutierung durch den IS spricht Möckel am Montag deutlich gemäßigter als am Sonntag. Dass der IS in deutschen Städten aktiv werde, habe er den Medien entnommen. Um das Problem in den Griff zu bekommen, sollen die Bundesbehörden mehr Personal bekommen. Bürgermeister Müller widerspricht nicht: Es sei gut möglich, dass unter den Flüchtlingen auch ein paar Kriminelle seien. "Aber die darf man nicht alle in einen Topf werfen." Die oberste Aufgabe müsse weiterhin lauten, den Schutzsuchenden zu helfen.

Die Sozialreferentin widerspricht

Die städtische Sozial- und Integrationsreferentin Sonja Frank (Freie Wähler) wertet Aussagen wie den Obstkisten-Vergleich als Stimmungsmache. Dass dahinter echte Angst steckt, glaubt sie nicht, schließlich haben die Besucher des CSU-Stammtischs derzeit keine Nachteile durch die Asylbewerber. Auch seien solche Redner meist Kritiker aus der Ferne: "Menschen, die sich so äußern, kommen normalerweise nicht in die Unterkunft", kritisiert Frank.

Sozialreferentin Sonja Frank. (Foto: Hartmut Pöstges)

Als Flüchtlingshelferin hat sie auch eine Antwort auf die am Stammtisch geäußerte Behauptung, jeder Asylbewerber werde bei der ersten Gelegenheit zahlreiche Familienmitglieder nachholen, was mindestens drei Millionen weitere Einwanderer ausmachen werde. Genügend Flüchtlinge hätten gar niemanden mehr zum Nachholen, sagt Frank, "weil es die nicht mehr gibt". Auch müsse ein Asylbewerber anerkannt sein, um die Familie nachzuholen. Die meisten würden aber nur geduldet.

Der Zweite Bürgermeister Hans Hopfner (SPD) zeigt sich wenig verwundert über den Verlauf der Stammtisch-Diskussion. Das sei schließlich eine Tendenz, die man derzeit überall beobachten könne, "ob im Netz oder unter den Bürgern in der Stadt". Alle Parteien sollten gemeinsam alles unternehmen, "um zu verhindern, dass die Stimmung kippt", sagt Hopfner. So sieht es auch Bürgermeister Müller: "Dass bei den Leuten Ängste entstehen, wenn sie diese Fernsehbilder sehen, ist unstrittig." Genauso unstrittig sei es, dass die Aufnahmefähigkeit des Landes begrenzt sei, sagt Müller: "Man muss irgendwie versuchen, die Flüchtlingsströme zu steuern." Doch mit Mutmaßungen in die Diskussion zu gehen, das nütze niemandem.

Genauso wenig nütze es aber, heikle Äußerungen zu unterbinden, sonst platze es an anderer Stelle heraus. Dem CSU-Ortsvorsitzenden Ewald Kailberth macht Müller für seine liberale Moderation daher keinen Vorwurf.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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