Corona-Krise:"Die Leute sollen sich nicht abgehängt fühlen"

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Für Senioren am Apparat: Sabine Gus-Mayer an ihrem privaten Arbeitsplatz. (Foto: Gus-Mayer/oh)

Die Geretsrieder Seniorenreferentin Sabine Gus-Mayer hat für ältere Menschen eine Telefon-Sprechstunde eingerichtet. Sie sagt, es lasse sich immer etwas vermitteln

Von Felicitas Amler

Sabine Gus-Mayer, 57, ist Geretsrieder CSU-Stadträtin und Seniorenreferentin. Seit Februar 2015 bietet sie eine Seniorensprechstunde im Rathaus an, jeden ersten Montag, dazu seit März 2018 jeden dritten Montag im Monat im Quartierstreff Stein, der für das Projekt "Soziale Stadt" eingerichtet wurde. Beide Adressen sind wie alle öffentlichen Einrichtungen wegen der Corona-Krise geschlossen. Daher hat Gus-Mayer auf eine telefonische Sprechstunde umgestellt.

Frau Gus-Mayer, Sie sind Biologin, haben Sie deswegen früher als die meisten von uns den Ernst der Corona-Krise begriffen?

Sabine Gus-Mayer: Na ja, ich habe mich, ehrlich gesagt, gewundert, dass da noch Fußballspiele mit Zigtausenden Zuschauern stattfinden durften. Da habe ich gesagt, das kann doch nicht sein! Ich habe immer als Biochemikerin gearbeitet, aber es ist richtig, ich bin Diplom-Biologin. Natürlich hatte ich da während meiner Ausbildung auch Mikrobiologie, ganz am Rande auch so etwas wie Pandemie-Pläne. Da hat man noch nicht so davon gesprochen, aber wir haben da schon ein bisschen was davon gelernt.

Mir war klar, dass wir das bei der derzeitigen Globalisierung auf keinen Fall aufhalten können. Aber dass es so massiv wird, ich glaube, das haben wir alle erst in den letzten zwei, drei Wochen begriffen.

Sie haben eine telefonische Seniorensprechstunde eingerichtet. Wie war die Resonanz beim ersten Mal?

Im Moment natürlich noch ein bisschen verhalten, es ist ja noch nicht so publiziert. Es war eigentlich so eine schnelle Überlegung von mir. Als das letzte Mal, am 16. März, die Sprechstunde in Stein hätte sein sollen, habe ich einen Zettel im Quartierstreff aufgehängt, dass es eben ausfallen muss. Da waren ja schon die öffentlichen Einrichtungen gesperrt.

Gab es da schon Anfragen?

Ich habe dort vor dem Quartierstreff zwei ältere Damen aufgelesen, die ganz aufgeregt waren: Man soll nicht aus dem Haus gehen, wie sollen wir das denn machen? Der Penny hat dies nicht mehr und das nicht mehr, wir können ja nicht so viel heimtragen. Da habe ich die eine Dame ins Auto gepackt - heute ist das gar nicht mehr erlaubt! - und bin mit ihr woanders hingefahren. Und als ich dann daheim war, dachte ich: Ich will auf keinen Fall, dass die Leute, die nicht online sind, sich abgehängt fühlen. Ich meine, die Ü 80, Ü 85, die sogenannten Hochaltrigen, die sind ja nicht mehr so häufig im Internet. Ich bin nach wie vor für sie da als Ansprechpartnerin.

Ist das in den normalen Sprechstunden ein großer Anteil von Ratsuchenden?

Ja. . Die meisten gehören der Ü-80-Generation an. Manchmal kommen auch Angehörige mit ihren Eltern.

Haben Sie sich auf die Sprechstunden in der Corona-Krise speziell vorbereitet?

Ja, ich informiere mich ständig übers Robert-Koch-Institut. Ich bin nicht vom Gesundheitsamt und bin auch kein Arzt. Aber viele fragen, wie ist es, wenn ich mit dem Hund rausgehen will? Viele Ältere wollen wissen, ob sie gar nicht mehr raus dürfen. Die sagen, ich muss ab und zu raus, mir fällt die Decke auf den Kopf. Da kann ich sagen: Klar! Das Virus überfällt uns nicht, wenn wir zur Haustür rausgehen. Das passiert eben erst durch direkten Kontakt, wenn man aus der Nähe länger mit jemandem spricht, von Angesicht zu Angesicht oder direkt angehustet wird. Aber wenn ich jetzt eine Runde mit meinem Hund drehe und die bekannten Regeln einhalte, sollte das ungefährlich sein.

Können Sie konkrete Hilfen vermitteln?

Ja. Zusätzlich zu dem, was ich in meinen Sprechstunden mache, also Kontakte rund ums Altwerden vermitteln. Sei es zu den Anbietern von Essen auf Rädern, von Hausnotrufen, zu den Wohnraumberatern im Landratsamt. Oder ich helfe beim Ausfüllen von Formularen. Zusätzlich zu dem allen habe ich mich wie von der Stadt vorgeschlagen auf der Internet-Plattform nebenan.de registriert und habe dort abgesetzt, dass ich gerne Hilfsangebote entgegennehme und an ältere Personen, die keinen Zugang zum Internet habe, weiterleite.

Wie schätzen Sie die Hilfsbereitschaft ein?

Ich kann nur sagen, es hat sich eine so große Vielzahl von Leuten gemeldet, die mit einkaufen gehen und so weiter.

Bei nebenan.de?

Allgemein. Es ist so vielfältig. Wenn jemand sagt, er braucht einen, der einkauft, kann ich das durchaus weiterleiten. Ich bin überzeugt, dass wir da Hilfe organisieren.

Die nächste telefonische Sprechstunde ist nächsten Montag?

Ja. Und da lege ich jetzt großen Wert drauf: Das bedeutet natürlich nicht, dass ich nicht - wie sonst auch - eigentlich immer erreichbar bin. Wenn ich halt zu Hause bin. Ich kaufe auch im Moment für fünf Personen, für drei Haushalte ein. Das heißt, ich sitze nicht immer am Telefon. Aber wenn ich da bin, gehe ich selbstverständlich ans Telefon. Nur: Montag neun bis zwölf, da bin ich definitiv sicher erreichbar.

Noch eine persönliche Frage: Wie schützen Sie selbst sich derzeit?

Ich überlege natürlich, wo gehe ich hin, wie mache ich das? Wo ich früher beim Bezahlen mit der Karte arglos mit der Fingerkuppe meine Pin eingegeben habe, habe ich jetzt immer einen Stick griffbereit und schaue, dass ich die Karte nur auflege, dass ich mit möglichst wenig Bargeld in Kontakt komme. Ich suche mir Geschäfte aus, wo ich das Gefühl habe, da ist es nicht so gedrängt. Wenn ich beim Bäcker stehe, gucke ich rein, wenn da mehrere Leute sind, warte ich, bis ein paar rausgehen. Also eigentlich folge ich den allgemeinen Empfehlungen. Ich habe keinen Mundschutz, aber einen Loop-Schal den "frau" hochziehen kann, auch keine sterilen Handschuhe. Wenn ich nach Hause komme, wasche ich mir die Hände (lacht) wie eine Verrückte. Ich überlege mir bei allem, muss ich jetzt da hin, wo ich mit Menschen in Kontakt komme? Ich glaube, dass man da schon wesentlich bewusster wird. Ich finde, das merkt man.

Geretsried: Telefonische Senioren-Sprechstunde, montags von 9 bis 12 Uhr, 08171/649088

© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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