Über zwei riesige Schienen fährt der neue Flugsimulator unter der Hallendecke im Tölzer Bergwachtzentrum gerade, quer und im Kreis. Aus der Kabine lassen sich paarweise Einsatzkräfte vom Spezialeinsatzkommando der Polizei auf einem Hausdach absetzen, dann bleibt es eine Weile still, plötzlich kracht es zwei Mal ohrenbetäubend. "Irritationsmittel", sagt ein SEK-Sprecher lakonisch, der die kleine Übung kommentiert. Dann wird es friedlicher, aber nicht minder laut. Bergwacht-Mitglieder seilen sich aus dem Simulator ab, der nun mächtige Rotorengeräusche von sich gibt. Danach folgen Gebirgsjäger aus Mittenwald, später die Höhenretter von der Münchner Feuerwehr. Sie alle probieren schon mal den Simulator H145 aus, der am Donnerstag im Bergwachtzentrum eingeweiht wurde.
"Menschen würden sterben, wenn es sie nicht gäbe."
"Gemeinsames Training ist ein Garant für sichere Zusammenarbeit in gefährlichen Rettungssituationen", sagt Thomas Lobensteiner, Vorsitzender der Bergwacht Bayern. "Und dazu braucht es Innovationen." Der neue Flugsimulator vom österreichischen Hersteller AMST ist ein originalgetreuer Nachbau des Airbus-Hubschraubers H145. Er ersetzt den Vorgänger vom Typ BK-117, der in den vergangenen 15 Jahren rund 25 500 Stunden in Betrieb war. Wie wichtig die Windenrettung aus dem Hubschrauber ist, verdeutlicht Gerhard Opperer von der ADAC Luftrettung. "Menschen würden sterben, wenn es sie nicht gäbe", sagt er. Medizinische Hilfe käme nicht rechtzeitig, Patienten müssten zu lange ins Krankenhaus transportiert werden, eine Intervention in schwierigsten Situationen wäre nicht möglich.
Dies wird zunehmend wichtig, weil der Freizeittourismus in den Alpen immer größere Dimensionen annimmt. Die Bergwacht sei einst gegründet worden, damit ein Bergsteiger den anderen retten konnte, sagte Volker Eisele, Vorstand der Stiftung Bergwacht. Das ist längst anders geworden. "Mittlerweile ist es der Tourist, der Probleme bekommt." Der Kletterer, der Skitourengeher, der Bergwanderer. 9044 Einsätze verzeichnete die Bergwacht Bayern vor zwei Jahren, 7649 im Vorjahr - bis zu 2000 davon sind Einsätze mit dem Hubschrauber. Und die müssen von diversen Rettungsorganisationen geprobt und wieder geprobt werden. Vom Roten Kreuz, der Bergwacht, der DRF, dem ADAC, auch von Polizei und Bundeswehr.
Die Bergwachthalle in Bad Tölz ist seit 15 Jahren ein europaweit einzigartiges Simulationszentrum. Bis zu 6000 Einsatzkräfte und Experten kommen jedes Jahr hierher, aus Bayern, aus dem Bundesgebiet, aus Europa und darüber hinaus. Das Training dort ersetzt zwar nicht das Üben an einem realen Helikopter, ist jedoch unerlässlich, um die individuellen Fähigkeiten, die Zusammenarbeit im Team, die diversen Abläufe, den ganzen Notfallmodus zu üben. "Gut ausgebildete Retter können auf sich achten und in Not Geratenen helfen", sagt Manfred Wetzel, Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Bergwacht.
"Die Bergrettung hat andere Dimensionen bekommen, sie ist eher als Dienst an der Gesellschaft zu verstehen", sagt Sandro Kirchner (CSU), Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, in seiner Festrede. Der Bergsport habe eine besondere Dynamik und Popularität erhalten, und gerade für Tourismusorte wie Tölz sei es essenziell, "den Menschen das Gefühl der Sicherheit zu geben". Außerdem verwies Kirchner darauf, dass die Übungen im Bergwachtzentrum im Vergleich zu jenen im Echtflug erhebliche Mengen an Kosten und an CO₂ einsparten. Mit dem Bergwachtzentrum sei "etwas ganz Besonderes geschaffen" worden, sagt der Staatssekretär. "Das ist der Mittelpunkt der Luftrettung." Dies zeigten auch die oftmals begeisterten Beiträge von Teilnehmenden in den Sozialen Medien. Der Freistaat habe seit 2008 rund sechs Millionen Euro in den Bau und den Betrieb der großen Halle auf der Flinthöhe gesteckt.
"Das ist eine Spendengipfelbergtour."
Mit dem neuen Flugsimulator soll es aber nicht getan sein. Auf dem Gelände des Bergwachtzentrums soll demnächst das Bayerische Zentrum für Alpine Sicherheit für rund 15 Millionen Euro entstehen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des wachsenden Tourismus nehmen die Gefahrenlagen in den Bergen zu, die Aufgaben für die Rettungskräfte multiplizieren sich. "Mit dem Gebäude und der Logistik sind wir am Limit", sagte Manfred Wetzel, Chef des Bergwacht-Stiftungsrats, zum Tölzer Standort. Deshalb soll neben der großen Halle ein Neubau mit mehr Räumen für Ausbildung und Training entstehen. Die Ziele: mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit von Polizei, Feuerwehr, Wasserrettung und Bergwacht, mehr Digitalisierung, mehr Spezialausrüstung.
Die Bergwacht-Stiftung will dafür einen Eigenanteil von zwei Millionen Euro stemmen. "Das ist eine Spendengipfelbergtour", sagte Wetzel. Allerdings nur auf die Zugspitze. Der Freistaat leiste den Löwenanteil der Kosten - "das ist vergleichbar mit dem Mount Everest". Dem pflichtete Staatssekretär Kirchner bei. Mit dem Bayerischen Zentrum für Alpine Sicherheit entstehe "etwas ganz Tolles."