Bausatz mit Symbolcharakter:Bruchstücke der Geretsrieder Geschichte

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Stadt und Museumsförderverein erwägen die Sanierung und Wiederaufstellung einer maroden Baracke aus der Kriegs- und Nachkriegszeit.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Das Wort "Baracke" hat in Geretsried einen besonderen Klang: Ältere erinnern sich an die äußerst notdürftigen Behausungen aus Holz, die einst den Nazis zur Unterbringung von Zwangsarbeitern der Rüstungsbetriebe dienten. Nach der Befreiung kamen Heimatvertriebene darin unter. Und lebten, etwa auf der Böhmwiese gegenüber dem Rathaus, fünf Jahre lang dort. Erst dann wurde die Stadt Geretsried im Wortsinn aufgebaut. Nirgends aber ist noch eine vollständige Baracke zu sehen. Das könnte sich ändern, sollte eine Idee des Fördervereins Geretsrieder Heimatmuseum realisiert werden. Er schlägt der Stadt vor, die "Bayer-Baracke" wieder zu errichten. Momentan lagern nur deren Einzelteile im Garten des Stadtmuseums an der Graslitzer Straße - teils unter einer Plane, die immer wieder verrutscht.

Die Baracke trägt die Bezeichnung Bayer nach dem Betrieb, der einst darin Karlsbader Oblaten produzierte. Denn die Familie Bayer war 1946 von der Tschechoslowakei enteignet worden und nach Deutschland gekommen - mit dem Originalrezept im Gepäck. So gesehen sei die Baracke nicht nur eine Erinnerung an die Vertriebenenzeit, sondern auch ein Symbol für die Geretsrieder Gründerzeit: "Das erste Gewerbe in Geretsried", sagt Helmut Hahn, Vorsitzender des Fördervereins.

Die Baracke stand bis 2011 an der Sudetenstraße, Ecke Seniweg. Sie wurde damals abgebaut, weil ein Bürogebäude errichtet wurde. Schon 2011 - zwei Jahre vor Eröffnung des Stadtmuseums - hatte der Förderverein Heimatmuseum den Wunsch, die Baracke als Zeitzeugnis zu erhalten. Im Stadtmuseum finden sich aber nur einzelne Bretter als Wand in einer Nische, in der das Lagerleben mit Pritschenliege dargestellt wird. In welchem Zustand das restliche Holz des einst modular zusammensetzbaren Baracken ist, muss nun erst einmal festgestellt werden. Dazu hat der Kulturausschuss des Stadtrats am Dienstag einen Beschluss gefasst.

Der Förderverein Heimatmuseum hat der Stadt angeboten, 20 000 Euro zur Aufstellung der Baracke beizutragen. Es handle sich um das Angebot eines Geschenks, sagte Bürgermeister Michael Müller (CSU). Zunächst müsse aber geklärt werden, ob der Aufbau überhaupt möglich sei. Konkrete Fragen, wie Museumsleiterin Anita Zwicknagl sie angerissen hatte, stünden noch gar nicht zur Debatte. Zwicknagl hatte gesagt, die Baracke könne entweder zugänglich fürs Publikum sein - brauche dazu aber ein Fundament -, oder nur "als Kulisse" errichtet werden. Als mögliche Standorte nannte sie die Böhmwiese und den Museumsgarten. Alle Ausschussmitglieder stimmten einer Überprüfung zu. Kulturreferent Hans Ketelhut (CSU) sagte aber, hinsichtlich der Machbarkeit sei er sehr skeptisch. Er warnte davor, "das Ganze als Imitation aufzubauen".

Helmut Hahn sagte der SZ nach der Sitzung, er persönlich glaube, dass die Baracke allenfalls so aufgebaut werden könne, dass sie zweimal im Jahr für Sonderausstellungen dienen könnte. Er erinnerte sich daran, dass es schon beim Abbau der Baracke geheißen habe, allein fürs Herrichten der schadhaften Teile seien - damals - 12 000 Euro erforderlich gewesen. Und ein Dach habe die Baracke ohnehin nicht mehr. Der Museumsverein sei aber zu allem bereit, was sinnvoll und möglich erscheine. Denn im Museum fehlten Exponate aus der Anfangszeit Geretsrieds nach dem Krieg.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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