Badeseen in Bad Tölz-Wolfratshausen:Mittelmeer-Feeling

Lesezeit: 5 min

Die anhaltende Hitze treibt so viele Menschen an die Gewässer im Landkreis wie nie zuvor. Besonders der Walchensee zieht wegen seiner schönen Lage viele Badegäste an. Doch weil es nur wenige Parkplätze dort gibt, geht es bisweilen chaotisch zu.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Regen hat eine wohltuende Erholung gebracht. Denn Birgit Oberhuber hatte in den vergangenen Tagen viel zu tun. Vor ihrem Kiosk am Nordostufer des Kirchsees standen die Badegäste dicht gedrängt im flachen Wasser. Diesen Anblick kennt sie bisher nur vom italienischen Mittelmeer. Bei den Wassertemperaturen von 27 Grad kann der Kirchsee mit südlichen Gefilden mithalten. Wie überall in der Region treibt es die Menschen wegen der lang anhaltenden Trocken- und Hitzeperiode an die Gewässer. Die Parkplätze füllen sich und mitunter wird es chaotisch - wie am vergangenen Wochenende an der mautpflichtigen Süduferstraße am Walchensee. Weil geparkte Autos die Durchfahrt behinderten, musste die Polizei am Samstagnachmittag die Mautstraße eine Stunde sperren.

Die pittoreske Lage in 800 Höhenmetern zwischen steil abfallenden Bergen macht den Walchensee zum Brennpunkt. Denn es gibt nur wenige Parkmöglichkeiten. Und trotzdem zieht der fjordartige Charakter des Alpengewässers immer mehr Erholungssuchende an. Obendrein ist der Walchensee mit derzeit 23 bis 24 Grad so warm wie schon lange nicht mehr. Das lockt zusätzlich zu den Wassersportlern - das Revier ist unter Kitern, Windsurfern und Seglern bekannt - besonders viele Badegäste an.

Schon seit Jahren ringen die staugeplagten Kommunen Kochel am See und Jachenau, auf deren Gebiet der Walchensee liegt, um Abhilfe. Ein erster Versuch mit einer mobilen LED-Anzeige "Walchenseegebiet überlastet" ist heuer gestartet. Seit drei Wochen ist die elektronische Hinweistafel auf der Garmischer Autobahn A 95 in südlicher Richtung vor der Ausfahrt Sindelsdorf in Betrieb - allerdings nur an Wochenenden und Feiertagen. Am vergangenen Wochenende schaltete die Autobahnmeisterei den Warnhinweis jeweils um die Mittagszeit frei. Trotzdem kam es am Walchensee zum Verkehrschaos.

Um die Wirksamkeit des Feldversuchs bewerten zu können, hält es Rainer Popp, leitender Baudirektor der Regierung von Oberbayern, für zu früh. Seine Behörde trägt die Aktion gemeinsam mit der Autobahndirektion Südbayern, dem Staatlichen Bauamt in Weilheim und der Polizei. Wie Popp schildert, behinderten am Walchensee verbotswidrig geparkte Fahrzeuge wiederholt die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Wasserwacht und Rettungsdiensten. "Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft", berichtet er. Aus diesem Grund sei die zunächst bis Ende Oktober begrenzte Aktion mit der Anzeigentafel entstanden. Das Staatsministerium für Bau, Wohnen und Verkehr hat sie nach Protest der Gemeinden initiiert.

Bei Überlastung der Parkplätze am Walchensee schaltet die Autobahnmeisterei Starnberg die LED-Tafel in Absprache mit der Kochler Polizei frei - frühestens um 10 Uhr. Automatisch erlischt der Hinweis um 16 Uhr. Parallel organisiert das Staatliche Bauamt Verkehrszählungen mit Seitenradargeräten. So soll die Wirksamkeit der Anzeigetafel evaluiert werden.

An der Wirksamkeit dieser Maßnahme zweifelt Alois Grünwald von der Wasserwacht Walchensee. Er beobachtet den zunehmenden Andrang der Besucher unmittelbar. Bis vor zehn Jahren sei der Walchensee nur an fünf bis sechs Wochenenden im Herbst richtig überlaufen gewesen. "Seit fünf bis sechs Jahren geht es rasant bergauf", schildert er. An schönen Tagen werde es jetzt schon Ende März oder Anfang April kritisch, wenn die Ausflügler zum Spazierengehen an den See strömten. Überall werde geparkt, offenes Feuer gemacht und Müll einfach zurückgelassen. Mittlerweile werde er sogar nach den Gumpen in den Gebirgsbächen zum Baden gefragt, berichtet Grünwald. "Die Natur erträgt es nicht mehr."

Andererseits profitieren die Wirtschaftsbetriebe einer Tourismusgemeinde wie Kochel am See von den vielen Gästen. Bürgermeister Thomas Holz (CSU) versteht sogar jeden, der an schönen Sommertagen in seiner Kommune mit den beiden Seen Erholung sucht. Wie rücksichtslos manche sich verhalten, macht ihn aber wütend. "Die sagen sich, ich habe jetzt frei und will Erholung um jeden Preis." Beispielsweise würden ausgeschilderte Rettungswege rücksichtslos zugeparkt. Zufahrtsverbote würden nicht beachtet. Gäste entsorgten an den Ufern und Badeplätzen von Kochel- und Walchensee ihren Müll im Gebüsch. Andere entzündeten gedankenlos Grill- und Lagerfeuer, auch wo es verboten sei. Angesichts der trockenen Vegetation hoffe er, dass sich keine Brände entwickelten.

Würde auf der Halbinsel Zwergern am Walchensee-Westufer ein Feuer ausbrechen, könnten das für die Rettungskräfte problematisch werden. Laut Holz ist die Zufahrt oft so zugeparkt, dass die Feuerwehr kaum noch durchkommt. Ähnlich ist es auch an der Walchensee-Süduferstraße wie am vergangenen Wochenende. Um dem Herr zu werden, wünscht sich der Kochler Bürgermeister höhere Bußgelder. Strafen von 15 bis 35 Euro seien einfach zu niedrig. "Das könnte ruhig ein dreistelliger Betrag sein", sagt Holz. Auch müsste konsequenter abgeschleppt werden. Dafür brauchte die Polizei aber mehr Personal. Die Inspektionen von Kochel und Bad Tölz seien zu dünn besetzt, um diese Aufgabe auch noch stemmen zu können.

Vergraulen möchte Holz die Tagesausflügler keineswegs, nur die Verkehrsströme besser lenken. Wenn es sich am Ende der A 95 staut, nutzen viele die Strecke mit der Bundesstraße 11 durch Kochel am See und über den Walchensee als Ausweichstrecke. In der Pflicht sieht Holz daher die übergeordneten, staatlichen Behörden. Sei die Strecke überlastet, müsse das sofort gemeldet werden, damit die Route in den Navigationsgeräten gar nicht erst als Umfahrung für Stau auf der A 95 angezeigt werde. Für die ganze Region könne auch eine App entwickelt werden, die Parkmöglichkeiten an allen Badeseen aufzeige. So könnte die Belastung mit digitalen Hilfsmitteln entzerrt werden. Mit dem Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, Gerhard Eck, will sich Holz am 1. Oktober in Kochel treffen.

Als touristisches "Leuchtturmprojekt" der Kommune gilt das im Vorjahr eröffnete "Kristall-Therme Trimini" am Kochelseeufer. Auch dorthin strömen die Gäste derzeit in großer Zahl. Darin sieht Bürgermeister Holz aber keine zusätzliche Belastung für den Ort. Parkplätze gebe es genug. Der Verkehr komme gar nicht erst in den Ortskern. Außerdem werde der Besucherstrom in eine Einrichtung mit Gastronomie und sanitären Anlagen kanalisiert.

Rund 30 Kilometer nördlich zählt das Erholungsgelände Ambach zu den klassischen Ausflugszielen der Region. Schon frühmorgens um 7 Uhr sieht Robert Hornauer derzeit die ersten Gäste vollgepackt zum Badegebiet am Ostufer des Starnberger Sees laufen. "Mit Kühlbox, Tischchen, Liegen und Schirm", wie er berichtet. Hornauer arbeitet für den Maschinenring Wolfratshausen, der das Gelände pflegt und die neu eingerichteten Parkscheinautomaten betreut. Wer früh komme, zähle meist zu den Stammgästen, die sich ihre Lieblingsplätze sichern wollten, berichtet er. Doch trotz des großen Andrangs sei das Erholungsgelände nicht überlaufen. Seit Ende Juli sei das Erholungsgelände vor allem an den Wochenenden voll belegt. "Wir sind an der Grenze, aber nicht im Chaos", schildert Hornauer.

Das mag auch an den großen Parkplätzen mit Raum für 3000 Autos liegen. Aggressives Verhalten beobachtet Hornauer gleichwohl, etwa wenn sich Badegäste um einen bestimmten Parkplatz stritten. Doch in solche Auseinandersetzungen mische er sich erst gar nicht mehr ein, sagt er. "Das bringt nichts." Es sei auch schon passiert, dass ein Besucher sein Auto in der Kurve nach der Einfahrt abgestellt habe. Das gehe natürlich nicht, weil kaum noch ein anderes Auto vorbeikomme.

Auch der Kirchsee zieht derzeit viele Badegäste an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wo so viele Besucher zusammenkommen, fällt mehr Müll an. Gerade im nördlichen Bereich des Erholungsgeländes kämen schnell einmal zwei Kubikmeter zusammen. Manche, so scheint es Hornauer, entsorgten gleich ihren Sperrmüll in den Müllbehältern. Sogar ein kaputter Campingstuhl sei schon drin gewesen. Hornauer kann auch kaum verstehen, dass manche Eltern ihre Baby-Windeln einfach beim Wegfahren am Parkplatz liegen ließen. "Es gibt überall Abfalleimer." Gefährlich seien jedoch Glasscherben. Einmal habe er um 6 Uhr Früh Bierflaschen in einem schwelenden Feuer entdeckt. Die seien zersprungen. "Wir konnten die nicht einmal herausnehmen, so heiß waren die."

Als "rappelvoll" beschreibt Ingo Roeske, Vorsitzender der Wolfratshauser Wasserwacht, das Erholungsgelände am vergangenen Wochenende. Die freiwilligen Helfer seien in der Station am Schwaiblbach stark gefordert gewesen - von der Schnittverletzung bis zur Vermisstensuche. Doch chaotisch sei es nicht geworden. Was ihn und die anderen Mitglieder der Wolfratshauser Wasserwacht eher besorgt, ist der niedrige Wasserstand. Am Schwaiblbach kämen sie derzeit nur noch mit dem Schlauchboot auf den Starnberger See. Zur Unterstützung könnten sie das große Boot von der Station weiter nördlich an der Seeburg rufen.

Am Kirchsee bei Kloster Reutberg blickt Birgit Oberhuber vom Maikiki-Kiosk dem Badebetrieb entspannt entgegen. Die vergangenen Tage seien halt gut besucht gewesen. Manchmal hätten die Gäste am Kiosk schon einmal zehn Minuten anstehen müssen. Doch weiter weg von den Parkplätzen fänden die Besucher am See auch noch ruhige Plätze. "Eigentlich ist es aber doch schön", sagt Oberhuber.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: