SZ-Adventskalender:Eine Krise ohne Ende

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Der SZ-Adventskalender hilft Menschen in Notlagen. (Foto: dpa)

Theresa B. kommt als Alleinerziehende kaum über die Runden. Nach Abzügen bleiben ihr und dem kleinen Sohn nur 200 Euro im Monat zum Leben.

Von Claudia Koestler

Viel Geld habe schon ihre Familie nie gehabt. "Aber auch wenn es nie das neueste Spielzeug gab, so hatten wir etwas viel Wertvolleres: Liebe", sagt Theresa B. ( Name geändert). Diesen Wert will sie ihrem kleinen Sohn mit auf den Weg geben, trotz aller Hürden, die es für die beiden zu überwinden gilt.

Dabei hatte alles ganz gut begonnen, quasi eine klassische Biografie, wie sie Tausende haben: Nach der Schule hatte sie eine Ausbildung angefangen und in ihrem Beruf auch erfolgreich gearbeitet. Dann aber schlitterte die damals Anfang Zwanzigjährige plötzlich in eine "persönliche Krise", die vieles durcheinander gewirbelt hat. Und die nun ihr Leben und ihre finanzielle Situation prägt: Der Partner hatte sich plötzlich getrennt. Der private Stress schlägt sich auch beruflich nieder. Sie lenkt sich ab mit den falschen Freunden und sucht Trost im Alkohol. Als sie dann auch noch aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen soll, steht sie kurze Zeit sogar auf der Straße. Es ist ein damals angeblich guter Freund, der sie bei sich aufnimmt.

Die Kombination aus Krise, Stress und Alkohol hat für die junge Frau Folgen: Nach einem One-Night-Stand wird sie schwanger, "weil die Pille durch den Alkohol nicht mehr wirkte", wie sie erzählt. Zunächst denkt sie noch, der ehemalige Partner wäre der Vater. Doch als der Kleine auf der Welt ist, zeigt ein Vaterschaftstest, dass er nicht von ihm stammt. Als Möglichkeit bleibt nur der ehemalige Freund, der ihr Obdach gewährte. An der Frage der Vaterschaft zerbricht jedoch nicht nur die Freundschaft. "Er wollte von dem Thema nichts wissen", erzählt Theresa B. Als er sich komplett aus der Affäre ziehen will und nicht nur die Vaterschaft abstreitet, sondern auch den Kontakt komplett abbricht, muss sie die Feststellung der Vaterschaft vor Gericht erwirken. "Drei Tage vor dem Termin hat er sich dann plötzlich gemeldet und gesagt, er will sich außergerichtlich einigen", erzählt sie. Doch es sollte ein weiteres halbes Jahr dauern, bis er sich endlich dem Test stellte - und dem Ergebnis: Er ist der Vater des kleinen Buben. Die Rolle aber will er weiterhin nicht übernehmen. "Er zahlt keinen Unterhalt, weil er Schulden hat", sagt Theresa B. Was wirklich schmerze, sei, dass der Junge sehr unter dem Fehlen eines Vaters leide. "Nicht einmal zum Geburtstag gratuliert er ihm", bedauert sie. Das wühle ihn auf, das Kind schlafe oft schlecht.

Ein Kind allein großzuziehen, sei auf dem Lande anders als in der Stadt. "Hier sind es oft grundsätzliche Fragen: Wie kommt man mit dem Kind in den Kindergarten, wenn man kein Auto hat?", frage sie sich etwa. Oder aber wo arbeiten, wenn der Kleine eben nur stundenweise in Kita oder Kindergarten betreut werden kann und keine Familie in der Nähe ist, die einspringt. Ihre Ausbildung nütze da nichts, weil die nächste fachbezogene Arbeitsstelle zu weit weg wäre. "Ich bin absolut bereit zu arbeiten, auch gänzlich etwas anderes zu machen, als ich gelernt habe", betont die junge Mutter. Aber bislang sei es schwierig gewesen, etwas zu finden, was in der Nähe ist.

"Ich war zuvor in der Stadt, musste aber wegen Eigenbedarf aus der Wohnung raus", erzählt sie. Und dabei habe sie die volle Härte des Mietmarkts erwischt: "Die Preise sind exorbitant, und wenn man etwas findet, dann hat man als Alleinerziehende einfach nicht die besten Karten", das habe sie selbst erfahren. Fast zwei Jahre lang war sie auf der Suche - und konnte letztlich nur durch Glück und Zufall ihre jetzige Wohnung finden. Der Kompromiss ist dafür die Lage auf dem Land, wo die peripheren Infrastrukturen eine der größten Herausforderungen sein können. "Aber der Kleine fühlt sich wohl, er kann draußen spielen und hat im Kindergarten auch Freunde gefunden", sagt sie.

Der Preis dafür ist aber hoch: Nach Abzug von Miete und anderen Fixkosten bleiben ihr nicht einmal 200 Euro zum Leben. "Sparen kann man da nicht", sagt sie - was man der kleinen Wohnung auch ansieht. Tisch, Stühle, Wohnzimmer haben deutliche Gebrauchsspuren, der kleine Fernseher ist ein klobiger Fund aus dem Sperrmüll, noch mit Röhren. Die Kleidung stapelt Theresa B. auf dem Boden, weil es keinen Kleiderschrank gibt, die Matratze stammt noch aus ihren Kindertagen. "Es muss halt gehen", sagt die junge Mutter. "In der Not bleibt uns ja immer noch das Wichtigste: Liebe."

© SZ vom 05.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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