Leben und Arbeiten in Bad Tölz:Industriedenkmäler im Dornröschenschlaf

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Seit im vergangenen Jahr der letzte Nutzer des Moralt-Geländes in Bad Tölz weggezogen ist, ruht das Areal zwischen Isar und B 13. Wohnen oder Gewerbe sind Zukunftsoptionen, fest steht aber: Zwei der Gebäude müssen stehen bleiben, sie stehen unter besonderem Schutz

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Moralt-Gelände an der Lenggrieser Straße sieht ziemlich trostlos aus. An den ehemaligen Firmengebäuden nagt der Zahn der Zeit, der Parkplatz ist meist leer, alles wirkt fast schon verwunschen. Seit dem Wegzug der Firma Moralt vor fünf Jahren und dem Abschied des Stäbchenplatten-Herstellers SWL im Vorjahr hat sich auf dem Areal nahe der Bundesstraße 13 nichts mehr getan. Das wird vorerst auch so bleiben. "Bisher wurden die genauen Nutzungsarten noch nicht vertieft weiterentwickelt", erklärt Bürgermeister Ingo Mehner (CSU), der immer wieder in Gesprächen mit Hans Wehrmann steht, dem Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft Certina. Klar ist aber, dass zwei Gebäude nicht abgerissen werden dürfen, weil sie seit zwei Jahren unter Denkmalschutz stehen: das Haus mit dem Uhrenturm und das Verwaltungsgebäude zur Straße hin.

Das mutet auf den ersten Blick ein wenig seltsam an. Die beiden Bauwerke wirken zunächst einmal nicht so, als wären sie etwas Besonderes. Außerdem stammen sie aus dem 20. Jahrhundert. Bei dem Uhrenturm-Haus handle es sich um "eine sehr schöne Produktionshalle" von baukünstlerischer Bedeutung, sagt Detlef Knipping, stellvertretender Referatsleiter im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München. Das Fabrikgebäude des Tischlerplatten-Herstellers Moralt wurde 1924/1925 gebaut und 1933 erweitert. Der Uhrenturm lehne sich an den Heimatstil der damaligen Zeit an, so Knipping. Auf der Denkmalliste steht auch der 1950/1951 von Baumeister Simon Schneider errichtete Verwaltungsbau. Dort wird nicht zuletzt noch das spätere Erweiterungsgebäude mit den gerasterten Fassaden, die "plastisch hervortretende Betongitterstruktur" und die tief liegende Fensterebene mit holzverkleideten Brüstungen von Günther Menges gewürdigt, das 1969 entstand. Der "betonrotalistische Bau" sei typisch für die Architektur der Sechzigerjahre, so Knipping. "Das war sehr modern für die Zeit."

Die Moralt-Gebäude sind als Industriedenkmal noch jung, was für Kreisbaumeister Andreas Hainz jedoch nicht ungewöhnlich ist. Als das Denkmalschutzgesetz zu Beginn der 1970er Jahre erlassen wurde, habe man sich erst einmal um 500 oder 600 Jahre alte Objekte gekümmert. Nun seien auch solche vom Ende des 19. Jahrhunderts und aus dem 20. Jahrhunderts in den Fokus gerückt, "sie sind immer häufiger aktuell" für den Denkmalschutz, sagt Hainz. Nicht wenige aus dieser Zeit habe man schon "verloren, weil man nicht darauf geachtet hat". Die Moralt-Anlage hat für ihn durchaus Potenzial, weil sie sich noch in einem "bautechnisch guten Zustand" befinde und "keine große Schäden" habe. Da früher viele Werkstoffe beim Bau verwendet worden seien, könne es allenfalls sein, dass man beim Abtragen des Putzes auf Kontaminationen stoße. Weil die beiden Gebäude auf der Denkmalliste stehen, dürfen sie nicht einfach verschwinden. Mehr noch: Der Besitzer sei verpflichtet, dass "die Bausubstanz in ihrer Qualität erhalten bleibt", betont Hainz.

Das Haus mit dem Uhrenturm ist auch in den Augen von Bürgermeister Ingo Mehner "ein markantes Industriedenkmal in Bad Tölz". Ob es zusammen mit dem Verwaltungsgebäude einer Entwicklung des ganze Areals nicht im Weg steht? Der Denkmalschutz sei für die Zukunft des Geländes bloß "ein Thema von vielen", sagt Mehner. "Er wird sicherlich manches erschweren, er bietet aber auch Chancen." Wenn Bezüge wie eben der Uhrenturm bei einer Überplanung erhalten bleiben, könne sich "ein spannendes Nebeneinander von Altem und Neuem" ergeben. "Auf jeden Fall wird mit den denkmalgeschützten Bereichen auf dem Moralt-Gelände dort kein x-beliebiges und austauschbares Quartier entstehen, sondern eines mit Charakter und Verweis auf die Tölzer Tradition."

Die Frage, ob eine teure Wohnanlage auf dem Moralt-Areal geplant sei, hatte Wehrmann voriges Jahr in einem CSU-Werkstattgespräch mit einem klaren Nein beantwortet. Er denke eher an ein Firmengelände mit handwerklichem und künstlerischem Gewerbe. Allerdings kündigte er an, dass er nicht so schnell ein Konzept vorlegen werde: "Den Zeithorizont sehe ich eher in Zehn-Jahres-Schritten als in Ein-Jahres-Schritten." Daran hat sich nichts geändert, wie Mehner berichtet. Es gehe erst einmal "um die grundsätzliche Nutzbarkeit des Geländes".

Die Veranstalter Axel Berger und Peter Frech belebten die Hallen jüngst mit einer Show. Da wurde es auf dem grauen Gelände mal wieder bunt. (Foto: N/A)

Und da spielt dem Tölzer Bürgermeister zufolge nicht alleine der Denkmalschutz ein Rolle. Wegen der Nähe des Areals und der Gebäude zur Isar müsse man mit dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim beispielsweise Fragen des Hochwasserschutzes klären, mit dem Staatlichen Bauamt über die Anbindung des Moralt-Geländes an die B 13 diskutieren, sagt er. "Und parallel zu diesen Einzelthemen setzen wir gerade eine Struktur auf, wie wir die Themen vernetzt entwickeln können."

Vor gut drei Monaten waren die brach liegenden Fabrikhallen für einen Abend zum Leben erwacht. Künstler Axel Berger und Gastronom Peter Frech illuminierten damals die Eingangshalle, an die Wand waren die Worte "Kultur, Träume, Handwerk, Vision, Messen, Begegnung, Chance, Raum, Dynamik, Leben, Pop-Up, Konzerte" gebeamt. Ob einige dieser dort gezeigten Ideen in Zukunft umgesetzt werden? Die Planungen für das Moralt-Gelände seien "insgesamt sehr umfangreich und vielschichtig", gibt sich Bürgermeister Mehner zurückhaltend. Was ein wenig nach dem Sankt-Nimmerleinstag klingt. Die Frage, ob die Stadt vielleicht überlege, das Areal bei weiterem Verfall zu kaufen, beantwortet der Tölzer Rathauschef hingegen klar und eindeutig: "Das Thema stellt sich nicht, da der Eigentümer nicht verkaufen möchte."

© SZ vom 01.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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