Landtagswahl in Bayern:Häuser von der Stadt, Strom vom Staat

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Der Tölzer Sebastian Englich kandidiert für die Linke. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Tölzer Sebastian Englich will für die Linke in den Landtag. Er fordert mehr kommunale Wohnungen und Energieunternehmen in öffentlicher Hand.

Von Veronika Ellecosta, Bad Tölz

Als Treffpunkt schlägt Sebastian Englich den Marienbrunnen in der Tölzer Marktstraße vor. Seit 2008 ist er in der Kleinstadt zuhause, der 38-jährige Lausitzer ist damals mit seinem Bruder hergezogen, als dieser seine Konditorenlehre begann. "Er hatte nur sein Lehrlingsgehalt, und ich war frisch ausgelernt. Also hab ich gesagt: Ich unterstütz dich", erzählt Englich.

Auch politisch blieben Englich und sein Bruder anfangs auf einer Linie. 2008 unterstützten sie die Piratenpartei, er selbst sei aber nie beigetreten, sagt er. Die Piraten entfernten sich von Englichs Überzeugungen, also habe er überlegt: "Wo willste hin?" Der Wahl-O-Mat schlug ihm Grüne und Linke vor. 2019 trat der 38-Jährige der Linken bei. Seit 2020 sitzt er für die Partei im Kreistag, im März wurde er Direktkandidat für die Landtagswahl. Schafft es die Linke in den Landtag, will sie vernünftige Oppositionsarbeit leisten, hieß es damals.

Die größten Überschneidungen mit der Partei findet Englich "was das Soziale angeht": leistbares Wohnen, günstige Energiepreise, regionales Gesundheitswesen, ein starkes Nahverkehrsnetz. Beim Thema Mieten hat sich der Kandidat von der Stadt Wien inspirieren lassen, wo es eine große Anzahl kommunaler Wohnungen gibt, wie er erzählt. Die Stadt gebe so den Marktpreis vor, wodurch auch die Preise privater Anbieter sinken. Das wünscht sich Englich für Bayern. "Die Städte müssen die Marktpreise für die Mieten diktieren", sagt er.

Mehr kommunale Energieversorger

Bei den derzeit hohen Energiepreisen sieht Englich die Verantwortung bei den privaten Unternehmen. Die Lösung sei es, "Unternehmen aus Bayern mithilfe des Landes zu rekommunalisieren". Englich meint damit nicht nur das Walchenseekraftwerk. "Wichtig finde ich, dass Energiewerke in Bezirks-, Kreis- oder Kommunenhände gehen." So sehe er das auch beim Ausbau erneuerbarer Energien. Windräder könnten von Gemeinden betrieben werden. Und Solarenergie auf dem Dach könnte Mietern helfen, weil sie zu Anteilseigener werden könnten.

Ein weiteres Standbein in seiner Politik sei der Ausbau eines Radnetzes. Englich ist selbst passionierter Radfahrer, er hofft besonders, dass die Strecke von Bad Tölz nach Geretsried realisiert wird, wo er als Bäckermeister arbeitet. Auch beim öffentlichen Personennahverkehr ließe sich immer mehr machen, findet Englich. "Die X-Busse gehören unterstützt, vor allem eine stärkere Wochenendtaktung wär wünschenswert", sagt er.

Sahra Wagenknecht? "Die ist nicht für Bayern zuständig."

Dann gibt es aber auch Positionen, in denen Sebastian Englich von der Leitlinie der Linken abweicht. Zum einen ist er zwar überzeugt, dass Einrichtungen in kreiseigenen Händen bleiben oder dahin zurückgeführt werden müssen. Dann aber sagt er, die Gesundheitsversorgung auf dem Land gehöre unbedingt gestärkt. "Und wenn's nur mit Privatisierung geht."

Bei der Frage, wie seine Partei mit Sahra Wagenknecht umgehen soll, hält Englich sich zurück. "Prinzipiell bin ich kein direkter Fan von ihr", sagt er. "Aber sie ist nicht für Bayern zuständig." Im Kreisverband gebe es einen großen Unterstützerkreis, das respektiere er, auch einen Ausschluss hatte er in der Debatte nicht befürwortet. Dass Wagenknecht nun eine eigene Partei gründen will, nimmt er hin.

Seit Putin die Ukraine überfallen hat, beschäftigt die Frage nach Waffenlieferungen die Linke. Für Englich war die Antikriegshaltung der Partei damals entscheidend für seine Mitgliedschaft. Er habe sich selbst aus Überzeugung vom Militärdienst ausmustern lassen, erzählt er. Und die Ukraine? "Ganz schwieriges Thema." Auf der einen Seite stehe das Recht auf Selbstbestimmung. "Die Ukraine ist frei und muss sich selbst verteidigen dürfen. Wenn es dafür keine Waffen mehr gibt, wird sie ein Problem haben." Gleichzeitig müsse man aber versuchen, auf allen diplomatischen Kanälen Hilfestellung zu geben. "Nur mit Lieferungen von Waffen ist der Krieg für mich nicht zu gewinnen." Generell zähle für ihn: "Waffenkonflikte treiben Leid an. Würde niemand simpel gedacht Waffen liefern, hätten wir Frieden."

"Man geht sich nicht an, solange man in einem Verbund steckt."

Auch mit seiner Meinung zur Nato, deren Auflösung die Linke fordert, hebt sich Englich ab. "Wenn überall Friede, Freude, Eierkuchen wäre, braucht es keine Nato. Bis dahin brauchen wir ein Sicherheitskonzept, und das ist leider die Nato, auch wenn sie nicht das Idealste ist", sagt er. Außerdem sei er ein überzeugter Europäer, er habe sich in pro-europäischen Jugendvereinen engagiert. "Mit der Nato ist es wie mit der EU: Man geht sich nicht an, solange man in einem Verbund steckt. Das ist zu begrüßen. Wäre die Ukraine früher in der Nato oder der EU gewesen, hätte es vielleicht keinen Krieg gegeben. Putin ist bekloppt, aber nicht dumm."

Nicht nur auf europäischer, sondern auch auf kommunaler Ebene wünscht sich Englich eine starke Gemeinschaft: Er selbst engagiert sich bei der Tafel und in der Jugendarbeit. "Egal ob politisch, sozial oder sportlich, Ehrenamt soll gestärkt werden", findet er. Besonders Vereine leiden ihm zufolge aber derzeit an den gestiegenen Kosten. Städtische Sporthallen sind im Landkreis mit Geflüchteten aus der Ukraine belegt, Vereine würden auf Kreishallen ausweichen, wo die Mieten steigen. "Der Landkreis muss auf die Mehreinnahmen verzichten und darf die Kosten nicht auf den Rücken der Mitglieder abwälzen", fordert Englich. Denn dann würden mehr Menschen aus den Vereinen austreten. "Das fände ich schade."

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