Landfrauentag:Hüterinnen der Werte

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Beim traditionellen Landfrauentag sprechen 200 Bäuerinnen aus dem Landkreis bei Stubenmusik über die Zukunft ihres Berufsstands. Das Volksbegehren Artenvielfalt lehnen sie einhellig ab.

Von Benjamin Emonts

Die Messe ist gelesen, das Mittagessen verspeist, als 200 Landfrauen im Tölzer Kurhaus gemeinsam ein Lied anstimmen. "Ist alles wohl bestellt, der Acker und das Feld, ist alles wohl bedacht, der Tag und auch die Nacht." Kreisbäuerin Ursula Fiechtner erinnert jedoch an eine Zeit, in der die Felder weniger reich bestellt waren. Nach dem Krieg sei jeder froh gewesen, einen Bauern zu kennen, sagt sie, in den Fünfzigerjahren habe ein einziger Landwirt 28 Personen ernährt. "Auch starke, mutige Frauen haben nach 1945 vieles bewegt." Heute aber vermisst Fiechtner immer öfter die Wertschätzung für die bäuerliche Arbeit. Die Verbraucher forderten immer höhere Standards zu Billigpreisen, beklagt sie. "Ein Apfel muss heute ganz glatt sein und darf kein Wurmloch mehr haben. Aber so ein Wurm hat doch Proteine."

Fiechtner erntet von den 200 Bäuerinnen aus der Region Applaus für ihren beherzten, ehrlichen Vortrag. Der Landfrauentag hat seit jeher einen großen Stellenwert in der Region. Unter den Gästen sind etliche Kommunalpolitiker, Bürgermeister, Banker, Bauernobmann Peter Fichtner und natürlich auch Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), den die Kreisbäuerin liebevoll "Sepp" nennt. Der wiederum gibt sich charmant. Fiechtner habe mit ihrer Rede die Latte sehr hoch gelegt, beginnt Niedermaier. Der Landfrauentag sei eine Veranstaltung, "bei der alle gesellschaftlichen Themen ganz pragmatisch zur Sprache kommen". Schon immer hätten die Landfrauen Probleme als Erste erkannt und verstanden. "Sie sind Stützen in der Gesellschaft; Hüterinnen von Werten, die immer wieder verloren gehen."

Kreisbäuerin Uschi Fiechtner kritisiert in ihrer Rede die Verbraucher. Äpfel, die nicht perfekt aussehen, kämen ihnen nicht die Tüte. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das kommt gut an bei den Bäuerinnen. Mit seiner Haltung, das Volksbegehren Artenvielfalt nicht zu unterstützen, trifft er im hübschen Saal des Kurhauses ohnehin nur auf Zustimmung. Kreisbäuerin Fiechtner hatte noch vor ihm ironisch gemutmaßt, dass alle Unterstützer des Begehrens jetzt nur noch Bio einkauften, zum Metzger gingen und kein Golf mehr spielten, um Insekten zu schützen. "Sie setzen kein Ameisen- und kein Schneckenkorn mehr ein." Viele der Landfrauen nickten zustimmend, andere lachten mit einer Spur von Häme. Die Haltung der Landfrauen zu dem Thema ist schließlich klar: Die Bauern dürften nicht zu den Alleinschuldigen am großen Artensterben gemacht werden. Oder wie Landrat Niedermaier es formuliert: "Die komplette Gesellschaft ist dafür verantwortlich."

Das Motto des diesjährigen Landfrauentags - "im Dialog bleiben" - passt da wie die Faust aufs Auge. Alle betonen einhellig, dass der Umweltschutz nur im Dialog zwischen Landwirten, Verbrauchern und Politikern verbessert werden könne. Hört man sich die Bäuerinnen an, sprechen sie über existenzielle Sorgen, die das Volksbegehren noch verschlimmere. Landwirtin Gabi Melf aus Reichersbeuern erzählt, dass sie und ihr Mann nebenher noch arbeiteten, weil der Ertrag aus ihrem Bauernhof zum Leben sonst kaum noch reichen würde. Das Hauptproblem sei der stetig sinkende Milchpreis bei steigenden Lebenshaltungskosten. Die Frau neben ihr, Marie Heufelder aus Arzbach, schildert eins zu eins die selben Probleme. Die Zukunft beider Höfe sei ungewiss, sagen die Frauen. Ihre Kinder hätten zwar Interesse an der Landwirtschaft, aber sie seien noch unschlüssig. "Ich weiß nicht, ob ich ihnen raten soll, den Hof zu übernehmen", sagt Bäuerin Marie Heufelder. Ohne Zuerwerb und Zuschüsse könne ein kleiner Milchviehbetrieb längst nicht mehr überleben.

Die Landfrauen verkauften regionale Produkte wie Nudeln oder Liköre während des Festtages. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Stimmung auf dem Landfrauentag ist dennoch gelöst, was auch der bemerkenswerten Rede der Jungbäuerin Sabine Schindler zu verdanken ist. Die gebürtige Tölzerin ist mit 35 Jahren bereits Kreisbäuerin von Schwandorf in der Oberpfalz. Als studierte Sozialpädagogin wollte sie lange nichts wissen von den Plänen ihres zukünftigen Mannes, Vollzeit den heimischen Hof zu betreiben. Heute führen sie erfolgreich einen Erlebnisbauernhof, Schindler hat über sich und die anderen Bäuerinnen aus ihrer Region ein Buch mit dem Titel "Starke Frauen" geschrieben.

Als "Zuagroaste" und "Neigschmeckte" habe sie es in der Landwirtschaft anfangs nicht leicht gehabt, erzählt sie von Auseinandersetzungen mit der Schwiegermutter, die den Hof jahrzehntelang als Witwe mit drei Kindern führte. Schindler lernte in dieser Zeit, "wie wichtig der Dialog ist". Man müsse ehrlich sein, zuhören und eine offene Atmosphäre schaffen. Die Bäuerinnen hören ihr gebannt zu, wenn sie über das Zusammenleben der Generationen auf dem Bauernhof spricht. Viele erkennen sich wieder.

Schindler spricht von Ritualen, die ihr Leben bereicherten: die morgendliche Plauderrunde mit der Schwiegermutter, das gemeinsame Frühstück mit ihrem Mann, das abwechselnd Kinder ins Bett bringen, das Einhalten eines Feierabends. "Seid neugierig aufeinander in euren Familien", sagt Schindler. "Weil beim Reden - da kommen die Leut' zam."

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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