Asklepios in Bad Tölz:Eine Klinik für alle Fälle

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Vor 25 Jahren zog das städtische Krankenhaus um ins Kurviertel. Heute gibt es dort modernste Medizin - vor allem in der Neurologie. Damit schreibt das Haus schwarze Zahlen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der Flur ist lang und lichtdurchflutet, durch die deckenhohen Seitenfenster geht der Blick hinaus in den schneebedeckten Garten. Dr. Rüdiger Ilg durchmisst den Gang, der früher nichts weiter als ein Gang war, im Eilschritt und meint im Scherz: "Auch die Asklepios-Klinik hat eine Wandelhalle." Auf den ersten Blick erinnert sie eher an ein Fitness-Studio, überall stehen Übungsgeräte, zum Laufen, zum Radeln, zur Koordination von Armen und Beinen.

An den Fitnessgeräten steigen Patienten so früh wie möglich in die Reha ein. (Foto: Manfred Neubauer)

Aus einem Regal an der Wand nimmt der Chefarzt einen Metallkoffer, in dem sich ein Paar High-Tech-Handschuhe mit Sensoren an den Fingerkuppen befinden. Mit ihnen lernen Patienten der Neurologie, die ihre Hände nur minimal bewegen können, wieder einen Apfel zu greifen und die Früchte in einen Korb zu legen. Das geschieht virtuell auf einem Flachbildschirm. Sie bekommen über den Monitor ein Erfolgserlebnis, das sonst oft noch lange auf sich warten ließe. Motivation sei ungemein wichtig, sagt der Chefarzt: "Da bleiben die Leute bei der Stange."

Der Bürgermeister sagt: Die Privatisierung war richtig

Die neurologische Gesamtversorgung - von der Akutbehandlung bis hin zur Rehabilitation - ist neu an der Tölzer Klinik im Kurviertel, die vor 25 Jahren eingeweiht wurde und das alte Krankenhaus nahe der Osterleite ersetzte. 1999 beschloss der Stadtrat unter dem damaligen Bürgermeister und heutigen Landrat Josef Niedermaier (FW), das Management des städtischen Krankenhauses in die Hände des Asklepios-Konzerns zu legen, der 2002 die Klinik dann ganz übernahm. "Das war eine der besten Entscheidungen, die der Stadtrat jemals getroffen hat", meint der amtierende Bürgermeister Josef Janker (CSU).

Seit 25 Jahren praktizieren die Ärzte des städtischen Krankenhauses nun schon im Kurviertel - und das mit Erfolg. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Transformation verlief zunächst nicht immer geräuschlos, wegen des hausinternen Tarifvertrags gab es Ärger mit der Gewerkschaft Verdi. Aber das sei lange erledigt, winkt Janker ab. Asklepios sei davon überzeugt, dass die Übernahme der Klinik richtig war, sagt der neue Geschäftsführer Joachim Ramming. Das sieht der Bürgermeister genauso: Das Haus sei "etabliert, anerkannt und stellt sich in der Krankenhaus-Welt hervorragend dar".

Die Klinik übernimmt auch die Notfallversorgung

Anders als an vielen anderen Kliniken schreibt man in Bad Tölz schwarze Zahlen. Dabei sei es keineswegs so, dass man sich nur die Rosinen herauspicke und auf "hochelektive Eingriffe" wie flexibel planbare Operationen konzentriere, sagt Ramming, sondern auch die Notfallversorgung übernehme. Mit sieben Hauptabteilungen und zwei Belegarztabteilungen ist das Haus ein Grund- und Regelversorger.

Neurologie-Chefarzt Dr. Rüdiger Ilg führt an Mandy Koch die Brille vor, mit der er Schlaganfälle diagnostizieren kann - Anke Effertz assistiert. (Foto: Manfred Neubauer)

Durch die neu etablierten Fachbereiche Neurologie und Gefäßchirurgie verzeichne man hier "einen leicht steigenden Trend", sagt Ramming. Den wirtschaftlichen Erfolg macht er auch daran fest, dass Weichen in der Vergangenheit richtig gestellt wurden und unternehmerische Entscheidungen ohne den Einfluss der Lokalpolitik fallen. Landrat, Bürgermeister, Kreis- und Stadträte sitzen zwar im Krankenhausbeirat mit im Boot, über Tagesgeschäft entscheidet die Klinik allerdings alleine.

Die Schlaganfall-Reha beginnt so früh wie möglich

Zum Beispiel darüber, dass in der Neurologie seit einem Jahr alles aus einer Hand angeboten wird. Jemand, der einen Schlaganfall erlitten hat, kommt zunächst in die Abteilung für Neurologie und neurologische Frührehabilitation. Die Krankenzimmer befinden sich dort auf der einen Seite des Flurs, die Reha-Räume gleich gegenüber. In dieser "Stroke Unit" werden die Patienten an einen Monitor angeschlossen und zunächst medizinisch überwacht, mit dem Bildschirm können sie dann aber auch wenige Schritte in die Therapieräume wechseln - etwa zu einer großen Laufband-Maschine, auf der sie, in Schlaufen eingehängt, 20 Kilo Körpergewicht weniger spüren. "Wir versuchen, rückgängig zu machen, was rückgängig zu machen ist", sagt Chefarzt Ilg über die Folgen eins Schlaganfalls. "Und was ausgefallen ist, versuchen wir wieder zu kompensieren."

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Bei dieser Früh-Reha arbeiten Ilg und zwei Oberärzte mit einem ganzen Team an Therapeuten und Pflegekräften zusammen. Ebenso im Gesundheitszentrum mit der "Wandelhalle", zu dem ein neu gebauter Gang im ersten Stock hinüber führt. Dort sollen die Patienten, soweit möglich, wieder selbständig und mobil werden. Sprechen, schlucken, laufen, mit Messer und Gabel essen, Kaffee kochen - "wir wollen die Teilhabe am Leben wieder herstellen", sagt Ilg. Hernach kümmern sich externe Partner wie die Reha-Einrichtung Neurokom um einige dieser Rehabilitanden, etwa beim Wiedereinstieg in einen Beruf. Neurokom beginne "dort, wo wir aufhören", so Ilg.

Rund 70 Patienten wurden in der Neurologie seit der Einführung der Gesamtversorgung behandelt. Wegen Schlaganfällen, Hirnblutungen, Alzheimer, Demenz, Parkinson, aber auch multipler Sklerose, Meningitis oder Myasthenie. Geschäftsführer Ramming rechnet damit, dass ihre Zahl steigen wird, weil die Risikofaktoren zunehmen und die Menschen älter werden.

Neben der Neurologie und der Gefäßchirurgie würde Ramming auch die Geburtshilfe gerne ausbauen, die eine "wichtige Rolle" spiele. Aber den Plan, die Gynäkologie zu einer Hauptabteilung zu machen, verfolgt er nicht. Das Problem: Wegen der schwachen Geburtenzahlen fehlen die Chefärzte, "wir haben extremen Nachwuchsmangel".

Neue Patienten sollen besser abgeschirmt werden

Wichtig ist Ramming der gute Ruf der Tölzer Klinik, medizinisch sowieso, aber auch in der Bevölkerung. Die Patienten sollen sich gerade bei ihrer Ankunft besser aufgehoben fühlen. Deshalb setzt er einige Projekte um: Für Leute, die operiert werden, plant er eine Holding-Zone, wo sie in ihrer angespannten Situation vom Trubel des Krankenhausbetriebs abgeschirmt sind und einen Ansprechpartner haben. Dieser Bereich soll bereits bis Mitte Dezember eingerichtet sein.

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Alles andere wird noch einige Zeit dauern. So sollen sich andere Neuankömmlinge nicht mehr den ganzen Tag gedulden müssen, bis sie endlich auf ein Zimmer kommen und einen Arzt sehen. Die Wartezeit will er mit einer neuen Zentrale für Bettenbelegung und OP-Termine aufs Nötige verkürzen.

Entscheidend ist die Schwere einer Verletzung

In der Notaufnahme sollen die Patienten ebenfalls immer einen Ansprechpartner vorfinden, überdies werden sie mit ihren Krankheiten oder Verletzungen nach dem "Manchester-Triage-System" in leichte, mittlere, schwere und schwerste Fälle eingeteilt. Sie kommen also nicht mehr der Reihe nach dran. "Einzig die Schwere der Verletzung ist entscheidend", sagt Ramming. Auch für Beschwerden von Patienten und Angehörigen will er ein Management schaffen, das Nachhaltigkeit sichert. "Wir nehmen uns Klagen zu Herzen und versuchen Antworten zu finden, auch wenn wir nicht immer gleich alles abstellen können."

Chefarzt Ilg führt in einem kleinen Zimmer noch etwas vor: Videookulographie. Dahinter verbirgt sich eine futuristisch aussehende Videobrille mit Spiegeln vor den Gläsern, durch die der Patient auf Punkte auf einem kleinen Flachbildschirm schaut. Damit werden die Augenbewegungen dokumentiert. Der Arzt kann so diagnostizieren, ob sich hinter akutem Schwindel ein Schlaganfall oder eine Gleichgewichtsstörung durch eine Hals-, Nasen-Ohren-Erkrankung verbirgt. "Das ist eine Methode, mit der man wesentlich sicherer unterscheiden kann", sagt Ilg.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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