Der Titel schreit - die Bilder tun das ganz und gar nicht. "Neue! Heimat! Bilder! reloaded": Mit drei Ausrufezeichen macht Peter Euser auf seine Ausstellung im Wolfratshauser Kunstturm am Schwankl-Eck aufmerksam. Viele seiner übermalten Fotografien aber sprechen eher leise zu ihren Betrachtern. Ruhige Landschaften zeigen sich in wunderbar matten, oft dunklen, tiefgründigen Farbtönen. Wellen plätschern in bleiernem Grau; der Himmel darüber ist eine warme rostrote Fläche mit allenfalls einer sanften Ahnung von Sonnenuntergang. Meist sind die Ursprünge dieser Kunstwerke - die zugrunde liegenden Fotografien - nur bei sehr genauem Hinsehen wahrzunehmen. Mit dieser neuen Serie, so erklärt Euser es im Katalogvorwort, wage er sich zum zweiten Mal über die reine Fotografie hinaus. Dass er dies in Wolfratshausen tut, verdankt der Kulturverein Isar-Loisach als Träger des Kunstturms dem grünen Stadtrat und Elektrotechniker Rudi Seibt, mit dem Euser ein Lichtprojekt an der Münchner Ludwigskirche realisiert hat.
Euser, Jahrgang 1953, studierter Architekt und früh schon Fotograf aus Passion, hat vor fünf Jahren damit begonnen, seine Aufnahmen von Landschaften, Straßenszenen, Bahnstationen und Wartehäuschen zu übermalen. Mit Gouache, Pastellfarben oder Acryl. Auf Fotodruck, Leinwand oder Holz. Es gibt erzählerische Arbeiten mit erkennbaren Sujets wie jene im Kapitel "Roadsides/Neben der Straße"; darunter Baustellenimpressionen der Autobahn A 8 oder als "California Nightmare" eine abfallende Straße vor dräuend rauchgeschwärztem Himmel. Die hintergründig-stillen Werke aber wirken abstrakt. "Es ging mir nie darum, Situationen eins zu eins abzubilden", sagt Euser. Schon als er nur fotografierte, habe er dies "abstrakt" getan.
"Reloaded", also neu geladen sind die Bilder eben durch die Übermalungen. Die einen, die schweigsameren, erhalten dadurch eine Sehnsuchtstiefe; die anderen, die urbanen und damit gesprächigeren, Drive und Lautstärke. Gelegentlich setzt Euser schon fotografisch Bewegungsunschärfe als Element der Dynamik ein und unterstreicht dies noch durch schwungvollen Pinselstrich.
Das deutsche Wort "Heimat", das der Künstler für seinen Titel gewählt hat, ist nicht nur einzigartig, weil in keine andere Sprache unmittelbar zu übersetzen. Es ist eigentlich auch "unzählbar", wie es in einem Wörterbuch heißt, oder jedenfalls nur"selten" im Plural zu finden, wie andere vermerken. Peter Euser, der in München- Haidhausen lebt, dort Atelier und Ausstellungsraum hat, reklamiert dennoch mehrere Orte, Landschaften, Szenerien für sich als "Heimaten". Mal ist es der Blick von Seeshaupt auf den Starnberger See, mal die italienische Riviera, die französische Atlantik- oder die kalifornische Pazifikküste, das Allgäu oder die Berchtesgadener Alpenlandschaft. Er fasse seinen Heimatbegriff sehr weit, räumt Euser ein. Und wird dabei - ganz ohne Ausrufezeichen - sogar ein wenig politisch: "Es gibt viele Heimaten. Und viele, die dabei sind, sie zu verlieren. Auch ihnen widme ich diese Bilder."
Eine Heimat auf Zeit ist für Euser nun auch der Kunstturm am Schwankl-Eck. Dies sind derzeit die einzigen Räume in und um Wolfratshausen, in denen regelmäßig zeitgenössische Kunst gezeigt werden kann. Die Split-Level-Architektur des Gebäudes bietet auf vier Halbgeschossen ausreichend Platz - Euser hat mehr als 50 Werke gehängt -, ist lichtdurchflutet und hat auch wegen des offenen Blicks vom Entree in die höheren Etagen einen eigenen Reiz. Schön wär's, wenn die Stadt, da sie schon keine eigene Galerie unterhält, diesem bürgerschaftlichen Engagement das Überleben sichern würde. Projekttitel: Kunst in Wolfratshausen reloaded.
Peter Euser: "Neue! Heimat! Bilder! reloaded", Obermarkt 33, Wolfratshausen; Samstag 12 bis 15 Uhr, Sonntag 12 bis 18 Uhr; bis 31. Oktober