Aus dem Landgericht:Haftstrafe für Brandstiftung unter Drogen

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Dramatische Szenen haben sich vor etwas mehr als einem Jahr in Geretsried abgespielt, als ein 24-Jähriger in einer Wohnung Feuer legte und die Polizei ihn nur durch Schüsse in die Beine stoppen konnte. Nun schickt das Landgericht den heute behinderten Lageristen ins Gefängnis.

Von Andreas Salch, Geretsried/München

Ein 24-jähriger Geretsrieder Lagerist, der am frühen Morgen des 6. Januar 2020 in der Wohnung seiner Großeltern in einem Mehrfamilienhaus an der Sudetenstraße Feuer gelegt hat, kommt für drei Jahre und neun Monate in Haft. Das Schwurgericht am Landgericht München II wertete die Tat in seinem Urteil vom Freitag zwar als schwere Brandstiftung, verurteilte den Lageristen jedoch wegen fahrlässigen Vollrauschs, da er vor der Tat Amphetamin konsumiert habe und somit "außer Acht gelassen hat, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verloren geht". Die Kammer ordnete zudem die Unterbringung des 24-Jährigen in einer Entzugsanstalt an und sprach ihn wegen des Veräußerns sowie wegen unerlaubten Besitzes geringerer Mengen von Betäubungsmitteln schuldig.

Die Situation für Polizei und Feuerwehr bei dem Einsatz an der Sudetenstraße war äußerst dramatisch. In einer Wohnung brannte es. Die Feuerwehr konnte jedoch nicht löschen, weil der Angeklagte mit einem Messer bewaffnet auf dem Balkon der Wohnung stand. Die Lage spitzte sich so zu, dass die Polizei schoss. Erst Warnschüsse, dann gab ein Beamter aus einer Entfernung von rund sieben Metern mehrere Einzelschüsse aus einer Maschinenpistole ab. Ihm gelang das Kunststück, durch einen etwa 15 Zentimeter breiten Spalt am unteren Ende der Betonblende des Balkons die Unterschenkel des Angeklagten zu treffen. Der 24-Jährige gab zunächst immer noch nicht auf. Erst einige Augenblicke, nachdem ihn die Kugeln getroffen hatten, brach er aufgrund hohen Blutverlusts zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schütze der Polizei bereits die Erlaubnis für den "finalen Rettungsschuss" erhalten. Erst jetzt konnten die Einsatzkräfte der Feuerwehr eingreifen und den Brand im Schlafzimmer der Wohnung der Großeltern des Angeklagten löschen. Der damalige Einsatzleiter der Geretsrieder Polizei sagte am Rande der Verhandlung im Hinblick auf die Gefahr, in der sich der 24-Jährige befand: "Ich wundere mich, dass es die Verhandlung überhaupt gibt."

Der Lagerist hat nach Angaben eines seiner Verteidiger nur bruchstückhafte Erinnerungen an das Geschehen. Vor dem Schwurgericht machte der Geretsrieder deshalb auch keinerlei Angaben. Den Ermittlungen zufolge hatte er in den späten Abendstunden des 5. Januar seine Großeltern besucht, die in dem viergeschossigen Mehrfamilienhaus in der Sudetenstraße wohnen. Als ihr Enkel zu randalieren begann und sich mit einem Messer bewaffnete, alarmierte die Großmutter die Polizei. Die Senioren verließen in Begleitung von Streifenbeamten ihre Wohnung. Ihr Enkel verschanzte sich jedoch darin.

Anschließend, so Richter Thomas Bott bei der Urteilsbegründung, habe der Angeklagte einen Stapel Kleider vor einem Schrank angezündet. Warum der 24-Jährige dies tat, könne letztlich nicht festgestellt werden. Das Gericht geht davon aus, dass der Lagerist das Feuer aufgrund des "paranoiden Zustands" legte, in dem er sich befand, ober aber um in der Hektik bei einem zu erwartenden Einsatz der Feuerwehr zu fliehen. Bis zum Eintreffen von Polizei und Feuerwehr befanden sich noch sieben weitere Personen in dem Mehrfamilienhaus. Für sie habe eine "konkrete Gefahr" bestanden, sagte Richter Bott. Anders als Staatsanwältin Nikola Kästle ging das Gericht nicht davon aus, dass der Lagerist die Löscharbeiten durch seinen Widerstand verzögert habe. Die Anklagevertreterin ging indes von einer besonders schwere Brandstiftung aus und forderte eine Verurteilung zu fünf Jahren Haft.

Die Verteidiger des 24-Jährigen, Rechtsanwalt Jürgen Hadinger und Maximilan Pauls, plädierten auf die Verhängung einer Haftstrafe von knapp über drei Jahren und wiesen beide in ihrem Schlussvortrag auf die schwerwiegenden Folgen durch die Schüsse auf ihren Mandanten hin. Bislang musste sich der 24-Jährige acht Operationen unterziehen. "Er ist in jedem Fall für den Rest seines Lebens behindert", sagte Rechtsanwalt Hadinger. Der Lagerist kann nach wie vor nur unter Mühen gehen und hinkt dabei stark.

© SZ vom 06.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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