Verkehrsdelikt:Mit mehr als hundert Sachen auf dem Hinterreifen über die B 11

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Mit hoher Geschwindigkeit waren Motorradfahrer auf der Bundesstraße 11 nur auf dem Hinterreifen unterwegs - ein sogenannter "Wheelie", hier ein Symbolfoto. (Foto: Marco Einfeldt)

Zwei Motorradfahrer sind im Juli 2022 auf der Bundesstraße 11 bei Geretsried gerast. Dafür werden die Mittdreißiger vor dem Amtsgericht wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt. Solche Delikte nehmen im Freistaat zu.

Von Benjamin Engel, Geretsried

Womöglich ist es nur glücklichem Zufall zu verdanken, dass die auf der Bundesstraße 11 (B 11) bei Geretsried rasenden Motorradfahrer im Juli 2022 keinen schlimmen Unfall hatten oder auslösten. Mit ihren Maschinen beschleunigte ein Duo an einem Freitagabend in Richtung Wolfratshausen auf das Doppelte der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Bei rasantem Tempo fuhren sie sogar nur noch auf dem Hinterrad. Polizisten konnten alle drei Fahrer beim Abzweig zur Garmischer Autobahn beziehungsweise in Wolfratshausen-Waldram stoppen. Zwei von ihnen mussten sich am Mittwoch wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens vor dem Wolfratshauser Amtsgericht verantworten - ein 35-Jähriger aus München sowie ein 37-jähriger Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck.

Von einem sehr nachlässigen und leichtsinnigen Verhalten sprach Strafrichter Helmut Berger. Er verurteilte den in der Landeshauptstadt wohnenden Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 30 Euro. Der zweite Motorradfahrer muss eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 60 Euro zahlen. Für beide verhängte er ein Fahrverbot von sechs Monaten. Weil die Führerscheine allerdings bereits seit Juli des Vorjahres eingezogen waren, können die zwei Angeklagten diese sofort wieder zurückhaben.

Das Duo hatte Einspruch gegen die Strafbefehle von ursprünglich 50 Tagessätzen zu je 50 Euro eingelegt, weswegen überhaupt öffentlich verhandelt wurde. Ihren Mandanten gehe es vor allem darum, die vorläufig entzogene Fahrerlaubnis so schnell wie möglich wieder zu bekommen, erklärten die Verteidiger. Die Rechtsanwälte regten an, ein sechsmonatiges Fahrverbot zu verhängen. Mit dem Staatsanwalt verständigten sie sich darauf, dafür den Einspruch auf die Rechtsfolgen zu beschränken, die angeklagten Strafvorwürfe so einzuräumen. Damit hätten die bislang weder straf-, noch verkehrsrechtlich auffällig gewordenen Angeklagten Einsicht und Reue gezeigt, gleichzeitig dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart, so Richter Berger. "Wer weiß, ob wir sonst heute fertig geworden wären." Eventuell hätte ein Gutachter eingeschaltet werden müssen. "Sie haben uns viel Arbeit erspart."

Laut der Anklage waren die zwei Motorradfahrer mit mindestens 140 Stundenkilometern trotz Tempolimit 70 unterwegs, ehe die rote Ampel an der Ausfahrt Geretsried-Nord sie ausbremste. Anschließend sollen beide stark beschleunigt und nebeneinander auf einem Fahrstreifen unterwegs gewesen sein. Der Jüngere der beiden soll auf einer Strecke von hundert Metern nur auf dem Hinterreifen gefahren sein, das Vorderrad währenddessen auf Kopfhöhe.

Für Stefan Sonntag von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd klingt das wie ein klassischer Beispielfall eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens. Seien derartige Delikte früher nur als Ordnungswidrigkeiten verfolgt worden, handele es sich seit Oktober 2017 um einen Straftatbestand mit deutlich höheren Ahndungsmöglichkeiten. Laut Strafgesetzbuch (StGB), Paragraph 315d wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, an einem illegalen Kraftfahrzeugrennen als Fahrer teilnimmt, ein solches ausrichtet oder durchführt. Illegale Kraftfahrzeugrennen passierten regelmäßig und hätten sukzessive zugenommen, so Präsidiumssprecher Sonntag.

Das deckt sich auch mit den Zahlen aus dem bayerischen Innenministerium. Laut Anfrage der Deutschen Presse-Agentur registrierten die Polizistinnen und Polizisten zwischen Januar und Ende Oktober 2022 im Freistaat 469 derartige Delikte im Freistaat. Im Jahr 2021 waren es 555, im Jahr 2020 insgesamt 560 verbotene Kraftfahrzeugrennen. Laut Statistik gab es 2019 mit 294 wesentlich weniger. Im Jahr 2018 waren es 191 illegale Rennen.

Bei den beiden Angeklagten vor dem Wolfratshauser Amtsgericht handelte es sich um Familienväter. Der 35-jährige Mann aus München gab an, Kraftfahrer zu sein, momentan nur als Beifahrer unterwegs zu sein. Abseits seiner beruflichen Tätigkeit sei er durchschnittlich 30.000 bis 40.000 Kilometer pro Jahr gefahren, mit dem Motorrad 10.000 bis 15.000 Kilometer. Der mitangeklagte CNC-Fräser gab an, jedes Jahr mit dem Auto 30.000, mit dem Motorrad 5000 Kilometer zu fahren. Darüber hinaus äußerten sich die beiden Männer nicht. Der Staatsanwalt argumentierte, dass er ein Fahrverbot von maximal sechs Monaten gerade noch vertreten werden könne. Er blieb nur bei der Tagessatzhöhe oberhalb des vom Richter verhängten Strafmaßes. Ausdrücklich bedankten sich die Verteidiger, dass sich der Staatsanwalt auf das Fahrverbot eingelassen habe.

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