Aktiv im Alter:Junge Hupferin

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Inge Oriwol ist 81 Jahre alt und in allen sportlichen Disziplinen wie Seilspringen, Schwimmen und Laufen noch topfit. Schon früh hat sie als "Goldmarie der Aschenbahn" Schlagzeilen gemacht.

Von Nora Schumann

Inge Oriwol hat einen festen Händedruck und strahlend blaue Augen. Die gebürtige Bielefelderin hat mit ihren 81 Jahren eine außergewöhnliche Leistung abseits des Lebensalltags vollbracht: Seit nun mehr fast 65 Jahren, seit sie 18 Jahre alt war, absolviert sie Jahr für Jahr das Deutsche Sportabzeichen. Schwimmen, Laufen, Seilspringen, die Seniorin brilliert in allen Disziplinen. "Seilspringen - das ist ja ganz primitiv, das brauche ich nur 14 Mal", sagt Oriwol und lacht. Ehemann Friedhelm Oriwol schaltet sich ein: "Letztes Mal machte sie deutlich mehr Sprünge als gefordert, sie musste gestoppt werden." Mit gespielter Empörung wendet sich Inge Oriwol ihrem Mann zu: "Die wollten mich interviewen, und du redest." Friedhelm Oriwol schmunzelt. "Sie ist die einzige Person, die mich kritisieren darf", erklärt er.

Die Oriwols sind nicht nur humorvoll neckend, sie sind auch beide sehr aktiv. Während Inge Oriwol schon immer sportlich interessiert war, hatte ihr Mann keine Wahl: "Ich hatte keine sportlichen Ambitionen, aber damit sie sich nicht blamiert in der Öffentlichkeit, musste ich erst mal Skifahren lernen", erzählt er. Auch Reiten habe er seiner Frau zuliebe gelernt. "Alleine macht es doch keinen Spaß", sagt Inge Oriwol, "wenn wir schon verheiratet sind, sollte er mit."

Das Paar kam 1967 in seine heutige Wahlheimat München und pendelt seit 1978 zwischen der Wohnung in Urfeld am Walchensee und jener in München. Friedhelm Oriwol absolvierte nach einer Lehre zum Maurer ein Studium des Bauingenieurwesens, Inge Oriwol ließ sich erst zur Kindergärtnerin und dann zur Sportlehrerin ausbilden. Sie habe schon in der Schule das Sportabzeichen absolviert, das Geld für einen Sportverein habe ihre Familie erst aufbringen können, als sie 16 Jahre alt war, erzählt sie. Als erste Frau in Bielefeld nahm sie an Judokursen teil. "In den Fünfzigerjahren machte man das nicht. Dass eine Frau Judo machen wollte, das konnten die gar nicht fassen", sagt sie.

Ihr Mann legt alte Zeitungsartikel, die sorgfältig in Klarsichthüllen verpackt sind, auf den Tisch. "Inge Oriwol mit 27 Jahren die vielleicht jüngste Inhaberin des Goldenen Sportabzeichens", ist da zu lesen. Oder, anlässlich ihres 50. Goldenen Sportabzeichens: "Goldmarie der Aschenbahn." Zeitungsbericht um Zeitungsbericht, Urkunde um Urkunde legt Friedhelm Oriwol auf den Tisch, bis seine Frau ihm Einhalt gebietet. "In Bielefeld ist man ja bekannter. Aber hier weniger", sagt sie. Ihr Mann findet das schade. Eine solche Leistung über Jahre hinweg sollte schließlich gewürdigt werden, nicht nur wenn es sich um die Leistung der Spieler des FC Bayern München handle, findet er.

Das Deutsche Sportabzeichen kann jeder absolvieren, der von einem anerkannten Prüfer geprüft wird - nicht einmal die Mitgliedschaft in einem Sportverein ist nötig. Als Inge Oriwol ihre erste Prüfung mit 18 Jahren bewältigte, erhielt man das Goldene Sportabzeichen nur nach zehn hintereinander folgenden Sportabzeichen - im Mindestabstand von einem Jahr. Heute sind die Auszeichnungen Gold, Silber und Bronze nur noch an die jeweiligen Leistungen gekoppelt, welche die Sportler ihrem Alter entsprechend erbringen müssen.

Inge Oriwol hält sich durch gelegentliches Schwimmen fit und durch ihre Arbeit im Walchensee-Museum. Dort präsentiert ihr Ehemann Kunst und Heimatkunde. Das Museum und die dazugehörige Stiftung sind ein Herzensprojekt, welches das aktive Ehepaar zum großen Teil alleine stemmt. "Wir haben noch keine Kinder", sagt Friedhelm Oriwol mit einem verschmitzten Lächeln. "Wir üben noch", ergänzt seine Frau.

Im Museum haben sie einen jungen Kunsthistoriker angestellt; die Führungen übernimmt Friedhelm Oriwol aber selbst. "Ich werde in diesem Jahr 87, normalerweise müsste ich tot sein oder im Pflegeheim", sagt er. "Warum?", hakt Inge Oriwol nach. "Ich will ja auch mit 90 noch Sportabzeichen machen. Da muss ich nämlich in einer Disziplin nur noch viermal Seilspringen!"

© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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