Abwassermanagement in Lenggries:Nach dem Vorbild der Natur

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Florian Willibald (links) leitet die neue Anlage und zeigt bei der Inbetriebnahme Bürgermeister Werner Weindl den gasbetriebenen Generator. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Gemeinde hat für drei Millionen Euro die Kläranlage erweitert und gewinnt nun Energie aus dem Schlamm. Das Abwasser hat fast Trinkwasserqualität.

Von Petra Schneider, Lenggries

Viel Geld und Zeit hat die Gemeinde Lenggries in den vergangenen Jahren in die Abwasserbeseitigung gesteckt. Bereits vor 20 Jahren wurde die Kläranlage Steinbach erweitert und für den Bedarf von 10 000 Einwohnern ausgelegt. "Wir wollten damals schon größer bauen", sagte Bürgermeister Werner Weindl (CSU) kürzlich bei einem Rundgang. Aber das Wasserwirtschaftsamt sei anderer Meinung gewesen. In den Folgejahren stieg die Einwohnerzahl, übersprang die 10 000er Marke, das Kanalsystem wurde erweitert und auch die Hütten auf dem Brauneck und die Denkalm angeschlossen. "Wir sind an die Kapazitätsgrenze gestoßen", sagte Weindl. Eine vom Freistaat geförderte Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob sich die Angliederung einer anaeroben Schlammfaulung rechnet, mit der Energie aus dem anfallenden Klärschlamm erzeugt werden kann. Das Ergebnis fiel positiv aus; im März 2015 hat der Gemeinderat die Umstellung und Erweiterung auf eine Kapazität von 20 000 Einwohner beschlossen. Am Donnerstag wurde die Anlage offiziell in Betrieb genommen, das Blockheizkraftwerk läuft bereits seit drei Wochen.

"Alles funktioniert bestens", sagte Weindl. Herzstück ist der neue Faulbehälter samt "Faulturm": Dort finden im Klärschlamm unter Abschluss von Sauerstoff, also anaerob, mikrobiologische Abbauprozesse statt, in deren Verlauf Kohlenstoff in Methangas umgewandelt wird. Dieses wird gereinigt und dann in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Der komplette Wärmebedarf der Anlage sowie die nötige Temperierung der Schlammbehälters auf 37 Grad wird im BHKW erzeugt. Die Stromerzeugung, die von zwei Photovoltaikanlagen ergänzt wird, reicht nicht ganz aus. Aber auch das Dach des neuen Faulbehälters sei für eine PV-Anlage ausgerichtet, sagte Weindl. Dann könne man auch den Strombedarf zu einem "wesentlichen Teil" mit selbst erzeugtem Strom decken.

Was noch fehlt, ist eine Anlage zur Schlammentwässerung, erklärte Ingenieur Josef Waldinger. Sie dient dazu, den verbleibenden Schlamm zu pressen und so dessen Gewicht zu senken. Er wird anschließend zum Auffüllen von Stollen verwendet oder verbrannt. Die Asche wird als Dünger verwendet. Momentan wird die Schlammentwässerung von einer mobilen Presse übernommen, die viermal jährlich im Einsatz ist. Diese Kosten fallen dann weg. Die Investition, die auf die Abwassergebühren umgelegt wird, werde sich wegen der eingesparten Energiekosten mittelfristig rechnen, sagte Weindl.

Insgesamt drei Millionen Euro hat der Umbau gekostet, 320 000 Euro Zuschüsse bekommt die Gemeinde. Dass bei den Abbrucharbeiten am Schlammbehälter vor zweieinhalb Jahren Teer im Dichtungsmaterial und eine hohe Schadstoffbelastung mit polyzyklischen Kohlenwasserstoffen festgestellt wurde, hat das Projekt ausgebremst. Die aufwendige Entsorgung des krebserregenden Stoffes verursachte Mehrkosten von rund 100 000 Euro und verzögerte den Bau um ein Dreivierteljahr. Der Faulbehälter ist ein optisch ansprechendes Gebäude geworden und die Technik funktioniere einwandfrei, wie Florian Willibald sagte, der die Anlage leitet.

In Lenggries sei die Reinigung der Abwässer unproblematisch, weil es keine Industrie gebe. Das Prinzip sei "von der Natur abgeschaut." Denn beim angewendete "Belebungsverfahren" wird das Abwasser durch die Stoffwechsel-Aktivität von Mikroorganismen gereinigt. Das Abwasser aus dem Kanal durchläuft in verschiedenen Becken einen dreistufigen Prozess: Die mechanische Reinigung, bei der mit Rechen Feststoffe ausgesiebt werden. Die biologische im Belebungsbecken. Und chemisch, um Phosphat, das übermäßiges Algenwachstum verursacht, durch die Zugabe von Fällmitteln abzusondern.

Weil der Freistaat vor rund 20 Jahren das Ziel ausgegeben hat, in Flüssen, die durch Metropolen fließen, Badewasserqualität zu erreichen, wurde in der Lenggrieser Kläranlage zusätzlich eine Ultrafiltrationsanlage gebaut, die zu 70 Prozent bezuschusst wurde. Von Mai bis Mitte Oktober fließt das geklärte Wasser noch durch diese Anlage, ehe es in die Isar geleitet wird. Der Reinigungsgrad liege bei knapp 99 Prozent, sagte Willibald. "Also fast Trinkwasserqualität."

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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