Interview:Petrus: "Ein Mensch mit Fehlern und Macken"

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Sein Name ist für ihn Programm: Abt Petrus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Schäftlarner Abt Petrus findet es spannend, dass Jesus jemandem, der so offensichtlich ein schwacher Mensch ist, eine große Rolle zukommen lässt.

Der Abt der Abtei Schäftlarn trägt seit seinem Eintritt in den Orden 1986 den Namen "Petrus". Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit dem Benediktiner Petrus Höhensteiger (59) darüber, was es ihm bedeutet, nach dem Apostelfürsten benannt worden zu sein. Denn bekanntlich verleugnete dieser kurz vor der Kreuzigung seinen Herrn. Aber dennoch setzte Jesus weiter seine Hoffnung in den Fischer aus Galiläa und beauftragte ihn mit dem Aufbau der Kirche.

Abt Petrus, hatten Sie sich bei Ihrem Ordenseintritt 1986 schon vorab überlegt, wie Sie künftig heißen wollten?

Abt Petrus Höhensteiger: Nein. Das hat sich aber gleich am ersten Tag ergeben. Meine Eltern waren mit dabei. Wir saßen beim damaligen Abt Gregor Zasche im Zimmer. Weil meine Mutter angesichts meiner Entscheidung weinte, beruhigte er sie und meinte: "Wir tun ihm doch nichts." Als sie dann unter Tränen nachfragte: "Wie wird er denn heißen?" Da schlug der Abt vor, ich sollte doch einfach meinen Taufnamen Peter behalten. Der wurde dann latinisiert und so kam "Petrus" raus. Eigentlich ist es bei den Benediktinern üblich, einen neuen Namen anzunehmen, aber nicht zwingend. Ich habe mich jedenfalls über diese Lösung gefreut.

Jesus baut auf seinen Jünger Simon und nennt ihn "Petrus" (der Fels) mit der Feststellung: "Auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen". Ist solch ein Namen eine Last?

Nicht wirklich. Ich finde es spannend, dass Jesus jemandem, der so offensichtlich ein schwacher Mensch ist, eine große Rolle zukommen lässt. In der Heiligen Schrift werden ja genüsslich sämtliche Fehler des Petrus aufgeführt; das gilt übrigens auch für alle anderen Apostel. Was man von denen liest, da kann man sich nur wundern. Mit solchen Leuten lässt sich eigentlich kein Blumentopf gewinnen. Aber Jesus beruft bewusst schwache Menschen. So sagt er einmal: "Ich bin gekommen, Sünder zu rufen, nicht Gerechte." Jesus setzt Vertrauen in Menschen, die keine Ikonen sind, sondern im richtigen Leben stehen und ihre Fehler haben.

Beim Letzten Abendmahl macht Petrus noch große Worte und verspricht Jesus: "Mein Leben will ich für dich hingeben!" Typisch Mensch?

Petrus war ein sehr impulsiver Typ. Er hat meist schneller geredet als gedacht; er meint es gut und prescht voran. So will er auch Jesus über das Wasser entgegenkommen und springt sofort aus dem Boot. Am Ende muss ihn der Herr patschnass herausziehen. Es verlässt ihn der Mut, und er zaudert. Übrigens ähnlich wie später gegenüber Paulus. Als die beiden über die Ausrichtung der jungen Kirche streiten, ist Petrus dagegen, auch Heiden die frohe Botschaft zu verkünden. Paulus aber macht ihm klar, dass Jesus dies wollte.

In der Osternacht entzündet der Abt die Osterkerze. (Foto: Claus Schunk)

Gibt es noch andere Beispiele?

In der Apostelgeschichte wird ein Traum von Petrus geschildert, in dem dieser aufgefordert wird, Unreines zu essen, und er sich wehrt. Die himmlische Stimme macht ihm dann deutlich: Petrus, erkläre du nicht für unrein, was Gott für rein hält. Da wird deutlich, dass festgelegte Glaubenssätze immer auf ihren Gehalt und auf das, was der Auftrag Jesu ist, untersucht werden müssen. Es zählt, wie Jesus mit Menschen umgegangen ist.

Obwohl Petrus dem Herrn versprochen hat, zu ihm zu stehen, verleugnet er ihn am Ende dreimal. Wenn an Palmsonntag und Karfreitag die Passionsgeschichte gelesen wird, wie geht es Ihnen dabei?

Wenn der Satz kommt "Und es krähte der Hahn" geht mir das immer durch und durch. Aber am Ende des Johannes-Evangeliums wird jene Szene geschildert, in der Jesus den Petrus dreimal fragt: "Liebst Du mich?" Diese Stelle wird immer gelesen als Antwort auf die Verleugnung. Am Schluss wird Petrus traurig und sagt: "Herr, Du weißt doch, dass ich dich liebe." Und dann bekommt er den Auftrag: "Weide meine Lämmer." Der Schlüssel für dieses Amt ist die Liebe. Wo Dunkelheit in der Kirche entstanden ist, gibt es Heilung, selbst für Verrat.

Was heißt das für Petrus als Führungsperson?

Ich glaube, Jesus hat ganz bewusst so einen bunten, seltsamen Haufen um sich geschart. Wenn er gepredigt hat, dass man einander vergeben und dem anderen eine neue Chance zugestehen muss, dann hat er das auch in der Berufung seiner Jünger gezeigt. Er kannte die Menschen und wusste, dass sie ihre Schwächen haben.

"Es waren die Frauen, die unter dem Kreuz ausgehalten haben"

Jüngst sagte ein Geistlicher: "Wenn wir Maria Magdalena nicht gehabt hätten, wüssten wir bis heute nicht, dass Jesus auferstanden ist." Petrus kann es ja auch nicht glauben ...

Als Maria Magdalena die Nachricht von der Auferstehung Jesu berichtet, sprechen Petrus und die andere Jünger von "Weibergeschwätz". Dabei waren es die Frauen, die unter dem Kreuz ausgehalten haben. Die anderen sind alle abgehauen. Und die Frauen waren auch die ersten, denen der auferstandene Jesus begegnet ist. Das sollte uns zu denken geben - eigentlich hätten wir dafür schon zweitausend Jahre Zeit gehabt.

Welche Konsequenzen ziehen Sie für sich aus dem Leben Ihres Namenspatrons?

Er war ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Fehlern und Macken. Vor allem aber stand er im Leben. Er war kein Hochschulprofessor, sondern ein Fischer; hatte eine Frau und eine Schwiegermutter, die die Bibel sogar erwähnt. Er war jemand, der liebevoll agierte und bereit war, sich hinterfragen zu lassen; vor allem aber war er nah dran an Jesus. Als ich in Rom an seinem Grab stand, hat mich das berührt. Petrus war eine Persönlichkeit, die durchaus angreifbar und kritisierbar ist. Sein Leben umfasste die ganze Bandbreite von Verrat bis Liebe. Das tröstet mich. Ich bin dankbar, seinen Namen tragen zu dürfen.

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