Abschied aus der Gemeindepolitik:Ein Herz für den Walchensee

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Zwölf Jahre lang war Georg Riesch Bürgermeister der Gemeinde Jachenau. Nun sollen Jüngere die Zukunft des Dorfes gestalten. Doch die Pflege des Südufers möchte der 63-Jährige weiter betreiben

Von Alexandra Vecchiato, Jachenau

Nein, seinem Nachfolger im Genick sitzen, das möchte er nicht. Georg Riesch sitzt im Büro des Land- und Forsttechnikbetriebs, den er aufgebaut hat und den sein Sohn führt. Zwölf Jahre war Riesch Bürgermeister von Jachenau. Davor saß er sechs Jahre im Gemeinderat. Auch wenn er als Bürgermeister noch einmal hätte antreten können, war es dem 63-Jährigen wichtig, seinen Platz einem Jüngeren zu überlassen. "Ich hätte jederzeit weitere sechs Jahre machen können, aber dann wäre ich fast 70." Zu alt, findet er. Die Zukunft gehöre den Jungen und ihren Ideen.

Riesch schüttelt leise den Kopf. Seit seinem 16. Lebensjahr habe er sich ehrenamtlich engagiert, erinnert er sich. In jungen Jahren habe er vehement eingefordert, mitbestimmen zu dürfen. "Da kann ich jetzt nicht der sein, der auf seinem Stuhl kleben bleibt." Der Abschied sei ihm daher nicht schwer gefallen. Riesch war 2020 nicht mehr für die Freie Wählergemeinschaft bei der Kommunalwahl angetreten.

Im Ruhestand ist der 63-Jährige deshalb nicht. "Ich bin noch zu jung." Er ist im Familienbetrieb angestellt, als Mädchen für alles, sagt Riesch. Außerdem seien da die sieben Enkel, auf die der Opa aufpassen müsse. Zusammen mit Ehefrau Katharina hat Georg Riesch fünf Kinder. Als 20-Jähriger kam der gebürtige Wackersberger in die Jachenau und blieb. "Aus beruflichen Gründen", sagt er. Damals hatte er die Schmiede übernommen. Neben seiner Arbeit seien ihm nun seine Familie wichtig. "Wenn es so weiterläuft, sind wir zufrieden", sagt er bescheiden.

Verständnis für die Städter

Ganz lässt ihn die Politik nicht los. Riesch sitzt für die Freien Wähler im Kreistag Bad Tölz-Wolfratshausen. Eine Herzensangelegenheit ist und bleibe für ihn der Erhalt der Südufers des Walchensees, die Bewahrung der "wunderschönen Gegend" und des dörflichen Charakters der Jachenau. Mit dem Kochler Bürgermeister Thomas Holz (CSU) zusammen hat Riesch in seiner Amtszeit so manchen Krieg gefochten. Der Freizeitdruck auf den Walchensee als Erholungsgebiet ist immens. An den jüngsten Wochenenden mit Sonnenschein wurde das Gebiet wieder überrannt - trotz Corona-Einschränkungen. Riesch kann die Menschen verstehen. Lebe man in der Jachenau, sagt er, brauche man nur vor die Türe gehen und könne stundenlang spazieren gehen, ohne auf jemanden zu treffen. In einer Stadt wie München sei das anders. Dass es die Großstädter rausdränge, sei kein Wunder. Auch lebe die Jachenau vom Tourismus.

Doch die Menschenmassen gelte es zu steuern. Die Besucher müssten verstehen, dass sie nicht schalten und walten könnten, wie sie wollten. Doch ist Riesch nicht dafür, alles mit Strafen zu ahnden. "Sonst müssten wir gleich alles zusperren." Es ist dem 63-Jährigen deutlich anzumerken, dass er für dieses Thema brennt. Und dass er sich in Rage reden kann, wenn es um die Bayerischen Staatsforsten als Verhandlungspartner geht. Sie verwaltet für den Freistaat weite Bereiche entlang des Walchensee-Südufers. Viele Treffen habe es gegeben, um ein Konzept für den Walchensee zu erarbeiten. Man sei zu guten Ergebnissen gekommen. Aber umgesetzt hätten die Staatsforsten nichts - außer die Maut erhöht. "Das hat mich furchtbar geärgert. Das war die größte Enttäuschung", sagt Riesch.

Im Rückblick ist es dem 63-Jährigen als Bürgermeister nie fad gewesen. 2009 profitiert die kleinste Gemeinde Bayerns vom Konjunkturpaket II. Schule, Turnhalle und Kindergarten konnten energetisch saniert werden. Die Investition belief sich auf mehr als eine Million Euro. Eine Riesenherausforderung sei das gewesen, sagt Riesch. "Wir hatten Massel." Mit 80 Prozent wurden die Maßnahmen staatlich gefördert. 2013 wurden die Pläne für ein Pumpspeicherkraftwerk auf dem Jochberg publik - seine "härteste Zeit", wie Riesch es nennt. Man sei wie vor den Kopf gestoßen gewesen. Er und die Gemeinderäte hätten erst einmal das Projekt in Gänze "begreifen" müssen, um das Für und Wider abwägen zu können. Stolz berichtet er, dass sich der Gemeinderat trotz massiven Drucks von Befürwortern und Gegnern nicht habe auseinanderdividieren lassen. Letztlich fanden sich keine Investoren für das Projekt.

Januar 2019. Starker Schneefall und umgestürzte Bäume machen die Hauptzufahrt über Lenggries in die Jachenau unpassierbar. Das rückt das abgelegene 800-Seelen-Dorf in den Fokus der Medien. Riesch wird zum gefragten Interviewpartner. Mit Endzeitstimmung mag der damalige Bürgermeister indes nicht dienen. Einem Spiegel-Journalisten erklärt er nüchtern, dass es sich um einen "ganz normalen Winter" handle. "Wir hatten tatsächlich schon mehr Schnee", erinnert er sich. "Unsere Leute wissen halt noch, wie man mit einer Schneeschaufel umgeht."

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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