"Weiße Turnschuhe" in der Komödie im Bayerischen Hof:Wider Erwarten ernst

Lesezeit: 2 min

Der agile Rentner Günther (Jochen Busse) wird von seinem Sohn (Claus Thull-Emden, rechts) als Pflegefall ausgegeben, der von der Gutachterin (Simone Pfennig) überprüft werden soll. Doch das Spiel geriet unerwartet ernsthaft am Premierenabend. (Foto: Jennifer Zumbusch/Komödie im Bayerischen Hof)

In der Komödie im Bayerischen Hof spielt die Farce "Weiße Turnschuhe" mit falscher Pflegebedürftigkeit. Bei der Premiere löst sie durch Aussetzer von Jochen Busse dann doch echte Betroffenheit aus.

Von Barbara Hordych

Es ist ein heiteres Spiel um das in der Realität alles andere als heitere Thema der Pflegebedürftigkeit, das René Heinersdorff in seiner Farce "Weiße Turnschuhe" anzettelt. Doch bei der Premiere in der Komödie im Bayerischen Hof führten die Aussetzer von Hauptdarsteller Jochen Busse zu einer Verschränkung von Theaterwirklichkeit und Realität, die beim Publikum genau jene Betroffenheit auslöste, die man in dem Stück eigentlich leichtfüßig hatte vermeiden wollen. Was war passiert?

Auf der Bühne verkörpert der 83-jährige Busse den rüstigen Rentner Günther, der nicht nur in den Augen seines Nachbarn und Sport-Buddys Max (Florian Odendahl) beeindruckend gut in Form ist. In Windeseile erklimmt er seine Wohnung im fünften Stock, oben angelangt animieren im sogenannten "Matterhorn" diverse Trimmgeräte zu weiteren Trainingseinheiten. Dieser Günter ist nicht nur sprichwörtlich fit wie ein Turnschuh, sondern hortet diese auch noch paarweise im Regal, selbstverständlich blütenweiß, denn in seinen Sneakers überspringt er mühelos jeden Bach und jede Pfütze im Englischen Garten.

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Ganz anders dagegen sein Sohn Kai (Claus Thull-Emden), der sich nach dem Aufstieg in die väterliche Wohnung erst einmal zum "Auskeuchen" auf das Sofa werfen muss. Noch atemloser wird er bei dem Geständnis, das vom Vater überschriebene Haus in der Prinzregentenstraße durch die Bauspekulationen eines windigen Architekten verloren zu haben. Und schon befinden sich Vater und Sohn in einer äußerst prekären Lage in dieser von Urs Schleiff temporeich inszenierten Pflege-Farce.

Hier hat Kai schon die nächste "bombensichere" Idee in petto: Ausgerechnet der agile Günther, der seine vier Ehefrauen überlebt hat, soll sich als schwer pflegebedürftig, Stufe 4, ausgeben, um Geld von der Krankenversicherung zu ergaunern. Widerstrebend sitzt er als vermeintlich geh-, seh-, hör- und sprachbehinderter Pflegefall im Stuhl, als die Gutachterin der Erfurter Versicherung bei ihm auftaucht.

Die Prüferin (Simone Pfennig) erweist sich als herrlich zupackend, nistet sich zwecks 24-Stunden-Pflege gleich selbst in der Wohnung ein. Irgendwann ahnt man in diesem Verwirrspiel, dass die Ad-hoc- Pflegerin längst die Tricksereien von Vater, Sohn und Nachbar durchschaut hat. Und freut sich, dass sie im Gegenzug - gemeinsam mit Günther - einen heilsamen Schock für dessen Sohnemann vorbereitet. Der wie eingangs erwähnt allerdings auch für das Premierenpublikum zu einem Schrecken geriet.

Fit wie der sprichwörtliche Turnschuh: Jochen Busse als Trainings-versessener Günther, Florian Odendahl als sein Sport-Buddy Max. (Foto: Jennifer Zumbusch/Komödie im Bayerischen Hof)

Denn der bis dahin famos aufspielende Busse, der rasant Monologe und Pointen abfeuerte und sich durch Kerze, Schulterstand und "mörderischen Flughund" turnte, stockte urplötzlich, kam im Text nicht weiter. Was den Zuschauern erst allmählich bewusst wurde. Hatte doch Busse schon vorher selbstironisch die vierte Wand durchbrochen mit dem Kommentar: "Hätte ich geahnt, wie anstrengend diese Rolle wird, hätte ich sie nicht übernommen!"

Dementsprechend hielten viele seine Worte - "Das ist das, wovor ich mich immer gefürchtet habe" - für vorgegebenen Rollentext. Und es brauchte die geistesgegenwärtige Unterstützung seiner Sparringspartnerin Simone Pfennig, um die Vorstellung dann doch noch zu einem guten Ende zu führen. Gemeinsam moderierten sie Busses Aussetzer als "Autoinfektion" hinweg, bei der er sich mit der perfekten Simulierung seines pflegebedürftigen Zustands "selbst infiziert" habe. Das Publikum belohnte die höchst emotionale Vorstellung mit stehendem Applaus.

Intendant René Heinersdorff erklärte am Wochenende auf Nachfrage, dass Busse unter einem akuten Migräneanfall gelitten, die folgenden Vorstellungen aber einwandfrei gemeistert habe.

Weiße Turnschuhe, bis 7. April, Komödie im Bayerischen Hof

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