Vor Gericht:"Die Schwere der Tat habe ich damals nicht erkannt"

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  • Ein 27-jähriger Drogenhändler steht in München vor Gericht. Er sollte über zwei Kilogramm Heroin, Koks und Marihuana unters Volk bringen.
  • Der Dealer ist selbst abhängig, konsumiert nach eigenen Angaben seit seiner Jugend täglich Marihuana.
  • Der Angeklagte sagt vor Gericht, er habe Geld für seine kranke Mutter und seinen Bruder verdienen wollen.

Von Susi Wimmer

"Mein Mandant räumt alle Anklagepunkte ein. Ansonsten macht er keine Angaben", sagt Rechtsanwalt Roland Autenrieth vor der 19. Strafkammer am Landgericht München I. Erand M., angeklagt wegen Drogenhandels in nicht geringen Mengen, nickt zustimmend. Dann bietet er an, mit Hilfe seines Anwalts doch Fragen zu beantworten - und dann redet er wie ein Wasserfall. Stundenlang, immer wieder unter Tränen, erzählt er seine Version davon, wie er von Albanien nach Deutschland kam, um Geld für seine Familie zu verdienen, und urplötzlich zum Drogendealer mutierte, der über zwei Kilogramm Heroin, Koks und Marihuana in München unters Volk bringen sollte.

Der Dolmetscher für albanische Sprache kramt vergeblich nach einem Taschentuch, während der 27 Jahre alte Erand M. sich heulend sein Leben von der Seele redet. Im Herbst 2017 sei er nach München gekommen und suchte als gelernter Hotelfachangestellter Arbeit. Doch ohne Arbeitserlaubnis habe er keine Anstellung gefunden. Dafür lernte er am Hauptbahnhof im November 2017 einen "farbigen jungen Mann" kennen. Bei ihm kaufte er Marihuana, "weil ich, seit ich etwa 14 bin, das täglich konsumiere", erzählt er dem Schöffengericht. Um "schnelles Geld zu verdienen", habe er dort auch Heroin gekauft und zu einem höheren Preis weiterverkauft. "Die Schwere der Tat habe ich damals nicht erkannt", behauptet er.

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Der farbige, namenlose Drogenhändler vom Hauptbahnhof habe ihn an einen Freund namens "Mario" weitervermittelt, zumal das regelmäßige Dealen am Hauptbahnhof zu gefährlich sei. "Ich habe mich als ,Andi' vorgestellt", sagt Erand M. Mario habe sein Pensionszimmer in Pasing inspiziert, mit ihm freundliche Konversation betrieben, und man habe für Anfang Januar einen Termin dort vereinbart. Drei Mal langes, dreimal kurzes Klopfen sei das Signal für den Einlass ins Zimmer gewesen.

Mario kam wie verabredet - und mit ihm ein halbes Kilo Heroin zum Preis von 10 000 Euro. Geld wollte Mario nicht sofort, er werde in einem Monat wiederkommen, soll er gesagt haben. Und Mario sei plötzlich gar nicht mehr so freundlich gewesen. "Er kannte den Namen meiner Mutter und meines Bruders. Ich weiß nicht woher", heult der 27-Jährige. Mario habe gedroht, er werde beide töten, "falls ich von der Polizei erwischt werde und was über ihn erzähle". Er habe bestimmte Plätze wie die U-Bahnhöfe Michaelibad oder Karl-Preis-Platz angesteuert und Abnehmer für den Stoff gefunden. Anfang März sei Mario erneut aufgetaucht: mit 1,7 Kilo Heroin, zudem noch Koks, Marihuana und Streckmittel. Am 9. März schließlich erwischte die Polizei Erand M. beim Dealen.

Er habe doch nach dem Tod seines Vaters nur Geld verdienen wollen, weint Erand M. Er müsse für seine kranke Mutter und seinen Bruder in Tirana sorgen. Und er sei doch selbst Marihuana-abhängig. "Der THC-Gehalt, den man in ihren Haaren gefunden hat, klingt nicht nach einer schweren Abhängigkeit", sagt Richterin Elisabeth Ehrl. Weitere mögliche Ungereimtheiten will das Gericht an drei weiteren Verhandlungstagen klären.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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